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Michele de Girolamo (1949-2024)

Heute vor einer Woche ist der Naturnser Musiker Michele de Girolamo verstorben, der hierzulande mit etlichen Bands unterwegs war, darunter vor allem mit der S.I. Band. Ein subjektiver Nachruf.
Michele De Girolamo (2007)
Foto: Archiv: rhd
  • Erst vor zwei Monaten, am 18. Dezember 2023, ist Werner Menapace verstorben, seines Zeichens Schlagzeuger und seit den Neunzigerjahren mit dem Naturnser Gitarristen Michele de Girolamo gemeinsam live unterwegs.

    Am vergangenen Montag, 12. Februar 2024, ist ihm Michele de Girolamo gefolgt. Beide gehörten derselben Generation an, und beide verband die Liebe zur live gespielten Rockmusik, die Lust aktiv zu sein und letztlich auch die Lust in Gemeinschaft eine gute Zeit zu verbringen. Beide sparten nicht damit, Energien und Mühen zu investieren, Mühen, die eigentlich keine richtigen Mühen sind.

    Che tipo era Michele! Dieser Gedanke tauchte letzten Freitag, beim Begräbnis des Naturnser Musikers Michele de Girolamo immer wieder auf. Und bei aller Traurigkeit, die ein Todesfall – vor allem im Freundeskreis – hervorrufen mag, es stellte sich sogar ein Lächeln ein, wenn die Erinnerungen an jene zahlreichen Orte zurückkommen, an denen sich unsere Wege auch über längere Zeit hinweg gekreuzt hatten.

    Und wenn sich diese Wege vor etwa zehn Jahren auch getrennt hatten – der Grund dafür war nicht Michele – so war die Wahrnehmung seiner Persönlichkeit und der Respekt für ihn ungebrochen: Che tipo!

  • Die rosarote Fender Stratocaster war sein Vertrauensinstrument über lange Jahre hinweg: Michele De Girolamo beim „Emergeny Festival“ in Meran 2012. Foto: Anita Z
  • Mit Michele war es möglich über Rockmusik zu diskutieren, und dabei wirklich in die Tiefe zu gehen. Das ist sehr selten. Er kannte nicht nur die Oberfläche, also die so genannten „Klassiker“, sondern auch die zweite und dritte Reihe der Bands und Musiker/Musikerinnen. Auch wenn seine musikalischen Vorlieben zwar breit aber dennoch gut abgesteckt waren und Blues, Blues-Rock, Rock'n'Roll und all das umfassten, was man mit der Rockmusik der Sechziger- und Siebziger Jahre zusammenfassen mag, war er stets auf der Suche nach Neuem, nach Alben, Künstler und Künstlerinnen von heute, die auf diese Musik Bezug nahmen, ebenso, wie Alben von früher, die er nicht kannte. Entsprechend stolz war er auf seine umfangreiche Sammlung, an Tonträgern und Büchern. Von letzteren verschlang er mit Vorliebe (Auto-)Biographien der großen und nicht ganz so großen Namen. Rockmusik war ein zentraler Punkt in seinem Leben und definitiv keine Nebensache. Er hatte eine Ahnung von Punk, er hatte eine Ahnung von Metal und wusste die Qualitäten dieser Richtungen anzuerkennen.

    Es ging ihm also nicht nur darum, auf der Bühne zu stehen, um dem eigenen Ego Genüge zu tun, sondern er wusste den Faktor „Band“ zu schätzen, wo man aufeinander angewiesen ist, wo man aber auch mehr Spaß hat.

    Natürlich, Michele hatte auch seine Kanten und wusste sich zu behaupten und seine Sichtweise der Dinge zu verteidigen. Aber das Leben spielt immer mit, auch und besonders im Kontext von Coverbands, wo nicht immer alle Bandmitglieder dem jeweiligen Projekt dasselbe Gewicht geben.

    Michele stammt aus San Severo in Apulien, kam aus Studiengründen in den Siebzigerjahren nach Trient, um an der damals revolutionären „Sociologia“ zu studieren. In Trient gründete er seine erste Band Electric Crash, auf die, 1980, Bazooka folgte, anfänglich ein Trio und mit Davide Pezzuto am Bass. De Girolamo und Pezzuto sollten die nächsten Jahrzehnten stets gemeinsam auf der Bühne stehen. Mit Bazooka bis Ende der Achtzigerjahre, und dann, bis in die Zehnerjahre hinein, mit der S. I. Band. Bazooka war auch die Band, die Michele und Davide für einige Auftritte nach Südtirol brachte.

    Beide fanden irgendwann eine Anstellung an einer Oberschule in Bozen und Michele zog schließlich – der Liebe zu seiner Frau Christina folgend – nach Naturns, wo er sich ein Studio und einen Proberaum eingerichtet hatte, in dem er Demoaufnahmen produzierte und mit seinen Bands mitunter Proben abhielt.

    Wie wichtig die Musik im Leben eines Menschen ist, lässt sich leicht an der Beharrlichkeit ablesen, mit der sie daran festhalten. Michele zum Beispiel hatte immer – sprich: IMMER – eine Band am Laufen: The Rockin' Factory, Acoustic Lane, Buffalo Trail, Crossroads, die S.I. Band in wechselnder Besetzung. Das heißt, es war ihm ein tiefes Bedürfnis sich in die Rockmusik einzutauchen. Und das wahre Bad diesbezüglich ist die Bühne, die mit Coversongs konstant und relativ unkompliziert erreichbar ist. Eigene Songs hat Michele nur mit Bazooka für deren gleichnamigen Album von 1986 und für das Album der S.I. Band Mitte der Neunziger geschrieben.

    Dass er es sich damit eigentlich leicht gemacht hat, könnte man aber nicht sagen, denn er war immer darauf bedacht, das Repertoire so zu gestalten, dass sich weniger bekanntes Material mit bekanntem Material die Waage hielten.

  • The Place To Stay: Mit Band auf einer Bühne zu stehen war für Michele De Girolamo einer der wichtigsten Fluchtpunkte seines Lebens. Foto: Anita Z
  • Letzten Freitag hat in der Pfarrkirche von Naturns die Verabschiedung stattgefunden. Der Gottesdienst war zweisprachig, es gab Musik, Personen, die Michele in den letzten Jahren seiner Krankheit zur Seite gestanden sind sprachen einige Worte, in einer ruhigen, fast entspannten, wenngleich traurigen Atmosphäre. Musiker und Musikerinnen waren natürlich auch zugegen, darunter Davide Pezzuto und Christoph Franceschini, so wie Ingrid Prossliner und Claudia Vasarin, die allesamt mit Michele in der Band gewesen waren.

    Claudia Vasarin, die Ende der Nullerjahre und nachdem die S.I. Band auf Eis gelegt wurde, die Stimme von Michele's neuem Projekt The Rockin' Factory war, sang gegen Ende der Verabschiedung das wunderbar passende „You've Got A Friend“ von Carole King. Der Song aus den frühen Siebzigern entspricht nicht nur ziemlich genau den musikalischen Vorlieben von Michele, sondern enthält auch Zeilen, die ihn – durchaus beruhend auf persönlicher Erfahrung – sehr gut einfangen mögen:

    „If the sky above you
    Should turn dark and full of clouds
    And that old north wind
    Should begin to blow
    Keep your head together
    And call my name out loud now
    Soon I be knocking
    Upon your door

    You just call out my name
    And you know where ever I am
    I'll come running oh yes I will
    To see you again
    Winter, spring, summer, or fall yeah
    All you got to do is call
    And I'll be there, yeah yeah yeah“

  • Verabschiedung von einem Freund: Claudia Vasarin, die gemeinsam mit Michele De Girolamo etliche Jahre in der Band The Rockin' Factory war, sang am Ende des Begräbnisses den wunderbar treffenden Song „You've Got A Friend“ von Carole King. Foto: rhd