Politica | SEL-Skandal

Rainer Wahnsinn

Maximilian Rainer fordert vor dem Arbeitsgericht von der SEL jetzt über eine Million Euro. Rainers Forderung fußt auf einer absurden Gewinnbeteiligungsklausel in seinem Arbeitsvertrag. Der ehemalige SEL-Generaldirektor hat durchaus Chancen zu gewinnen.

Fast die gesamte ehemalige SEL-Führung wird in den nächsten Tagen in den Zeugenstand treten. Ausnahmsweise einmal nicht vor einem Strafgericht.
Diese Woche geht vor Richterin Eliana Marchesini ein Arbeitsprozess in die entscheidende Phase, der im wahrsten Sinne des Wortes „Rainer Wahnsinn“ ist. Offiziell lautet das Verfahren: Maximilan Rainer gegen SEL AG. Rainer wird dabei vom Bozner Arbeitsanwalt Gianni Lanzinger vertreten. Die Sel AG lässt sich hingegen von der renommierten Mailänder Kanzlei Trifirò & Partners verteidigen.
Vordergründig geht es in der Klage, die der ehemalige SEL-Generaldirektor gegen seinen früheren Arbeitgeber eingebracht hat, um die nach Meinung des Klägers unrechtmäßige Beurlaubung und Kündigung. Doch in Wirklichkeit geht es um weit mehr. Maximilian Rainer fordert von seinem ehemaligen Arbeitgeber die Einhaltung einer lange geheim gehaltenen Klausel in seinem Arbeitsvertrag. Es geht dabei um mehr als eine Million Euro.
Man kann die Forderung als schamlos bezeichnen. Auch als absurd. Vor allem vor dem Hintergrund des SEL-Skandals. Rainers rechtskräftige Verurteilung im Konzessionsschwindel und die eingeleiteten Hauptverhandlungen in zwei „Stein an Stein“-Verfahren sollten eigentlich bedingen, dass die SEL Schadensansprüche stellt. Aber nicht der Täter.
Doch hier ist die Welt verkehrt. Und Maximilian Rainer hat gute Chance am Ende den Arbeitsprozess auch noch zu gewinnen.

Top secret

Jahrelang wird Maximilian Rainers Arbeitsvertrag gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Was niemand weiß: Weder am Sitz der SEL noch im Ressort von Landesrat Michl Laimer gibt es eine Kopie.
Als die Südtiroler Grünen im Herbst 2011 im Landtag eine Anfrage zu Rainers Arbeitsvertrag einreichen, muss der Vertrag erst angefordert werden. Einziger Verwahrungsort ist zufällig die Kanzlei „Stocker & Kuntner“ in Auer. Sie gehört unter anderem Rudolf Stocker, Bruder des SEL-Präsidenten Klaus Stocker und Finanzier der Stein-an-Stein-Operation.

Der Arbeitsvertrag ist mit 11. März 2002 datiert. Abgeschlossen kurz nach der SEL-Gründung, trägt er die Unterschrift des damaligen SEL-Präsidenten Michl Laimer. Der Vertrag sichert Maximilian Rainer in den Jahren um 2011 ein Gehalt von rund 220.000 Euro brutto im Jahr zu. Gezahlt in 14 Monatsgehältern.
Dem Landtag und der Grünen Fraktion wird aber nicht der gesamte Arbeitsvertrag übermittelt. Die konkreten Summen und Posten sind bewusst aus dem Arbeitsvertrag getilgt worden. Warum das Duo Rainer/Laimer das tut, wird erst im November 2012 klar, als die neue SEL-Führung endlich den eigentlichen Arbeitsvertrag des entlassenen Generaldirektors entdeckt.

Stockers Geschenk

Am 8. Jänner 2008 unterzeichnen SEL-Präsident Klaus Stocker und Maximilian Rainer einen „accordo supplementare“ zum eigentlichen Arbeitsvertrag vom März 2002. Dieser Zusatzvertrag ändert eigentlich nur einen Artikel des ursprünglichen Arbeitsvertrages ab: „Artikel 7 -  Wirtschaftliche Behandlung“.
Der neue Vertrag teilt Rainers Gehalt in zwei verschiedene Elemente. Einem jährlichen fixen Basisgehalt, das sich 2008  auf 205.000 Euro beläuft und jährlich der Inflation und den Steigerungen im nationalen Kollektivvertrag anpasst wird. Damit kommt Rainer 2011 auf gut 220.000 Euro brutto.
Das zweite Element nennt sich „jährliche variable Entschädigung“ und ist eindeutig die absurdeste Klausel, die eine öffentliche Gesellschaft jemals mit einem ihrer Angestellten abgeschlossen hat. Die Klausel sieht eine Gewinnbeteiligung für Maximilian Rainer vor. Diese Beteiligung sichert dem Direktor jährlich ein Prozent des Gewinnes vor Steuern der SEL AG, der von ihr kontrollierten Gesellschaften und auch der anderen Gesellschaften der Gruppe als zusätzliche Prämie zu.
Voraussetzung für die Auszahlung ist das Erreichen der vom Verwaltungsrat festgelegten Budgetziele. Aber auch wenn der SEL-Direktor und sein Unternehmen die Jahresziele nicht erreichen, wird die Prämie ausgezahlt. Dann beläuft sich die Gewinnbeteiligung nur auf 0,75 Prozent des Gewinnes vor Steuern.
Das ganz klingt wie Nikolaus, Weihnachten und Ostern zusammen.

Goldener Zeitpunkt

Dass dieser Zusatzvertrag ausgerechnet Anfang 2008 abgeschlossen wird, ist alles andere als Zufall. Die Verhandlungen der SEL mit den Energieriesen Enel und Edison sind damals in der Endphase. Bald danach werden mit der „Hydros“, der „SF Energie“ und der „SE Hydropower“ gemeinsame Gesellschaften gegründet, die fast alle Südtiroler Großkraftwerke übernehmen. Der Umsatz der SEL-Gruppe steigt ab 2008 um ein Vielfaches. Und damit auch die Prämie für Maximilian Rainer.
Um wie viel Geld es dabei geht, wird anhand der konsolidierten Bilanz der SEL-Gruppe deutlich. Maximilian Rainer hat damit für das Jahr 2008 Anrecht auf zusätzliche 99.270 Euro. 2009 sind es 182.515 Euro. 2010 255.557 Euro und 2011 satte 239.448 Euro. Macht in vier Jahren knapp 780.000 Euro, die Maximilian Rainer – laut Arbeitsvertrag - als Gewinnbeteiligung zustehen.
Dass das aber nur der Anfang sein sollte und die Selbstbedienungsmentalität in der Landesenergiegesellschaft kaum Grenzen kannte, zeigt ein Detail im Vertrag. Dort hat man eine Art Deckelung der Prämie vorgenommen. Laut Vertrag darf das variable Gehaltselement das Fixgehalt maximal um 250 Prozent überschreiten. In Euro ausgedrückt: Rainer hätte jährlich bis zu 500.000 Euro an Gewinnbeteiligung kassieren können.

Die Forderung

Maximilian Rainer hat bis heute keinen Cent aus dieser Gewinnbeteiligung bekommen. Denn der SEL-Direktor hat im Verwaltungsrat nie einen Antrag auf Auszahlung vorgelegt. Im Arbeitsprozess fordert Rainer jetzt aber die Auszahlung der gesamten vertraglich zugesicherten Prämien samt Zinsen.
Das Problem für die SEL: Maximilian Rainer hat gute Chancen durchzukommen. Der Zusatzvertrag ist von Rainer und dem Präsidenten der SEL AG, Klaus Stocker unterschrieben und er wurde auch registriert. Der damalige SEL-Verwaltungsrat war zwar weder in die Verhandlungen involviert, noch jemals im Detail informiert worden, aber er hat seinem Präsidenten Klaus Stocker eine Blanko-Vollmacht erteilt, den Zusatzvertrag mit Rainer abzuschließen.
Damit wird es schwer werden, den absurd anmutenden Zusatzvertrag als nicht rechtmäßig zu definieren. Im worst case könnte es passieren, dass die SEL so ihrem ehemaligen Generaldirektor über eine Million Euro nachzahlen muss.

Der Notfallplan

Vor diesem Hintergrund arbeiten die SEL-Anwälte längst an einem Notfallplan. Die SEL hat Maximilian Rainer bereits in Sachen Konzessionsbetrug auf Schadenersatz geklagt. Ebenso beteiligt sich die Landesenergiegesellschaft als geschädigte Partei an den beiden Stein-an-Stein-Verfahren.
Sollte das Arbeitsgericht Maximilian Rainer wirklich Geld zusprechen, wollen die SEL-Anwälte die Summe umgehend, beschlagnahmen lassen. Als Anzahlung auf die Entschädigung in den anderen Verfahren.
Zudem fasst man einen weiteren Schritt ins Auge. Man will vor Gericht beweisen, dass Klaus Stocker durch die Unterschrift unter diesem absurden Vertrag die SEL mutwillig geschädigt hat. Schafft man das, könnte man das Geld beim ehemaligen SEL-Präsidenten zurückholen.