Cultura | Landes-Slammer 2025

Tiefes Bedürfnis

Vor ein paar Wochen war er Gast im Streitergasse-Podcast von SALTO. Vor ein paar Tagen wurde er Poetry-Landesmeister. Nathan Laimer ist – sehr weise – "Nathan der Nice".
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Foto: Andy Odierno
  • SALTO: Sie wurden letztens zum Landesmeister im Poetry Slam gekürt – nicht zum ersten Mal. Was ist für Sie das Schöne am Poetry Slam?

    Nathan Laimer: Das Schöne am Poetry Slam ist zum einen die Slamily. In der Szene gibt es einen starken Zusammenhalt. Und außerdem: den Poetry Slam gibt es eigentlich nicht. Klar, es gibt das Format, bei dem mehrere Poetinnen und Poeten gegeneinander antreten. Aber wie genau, ist ziemlich frei. So hat jede und jeder Schreibende die Möglichkeit, sich auf die eigene Art und Weise auszudrücken – von Comedy über Prosa bis hin zu Lyrik oder einfach, indem man einen Text vorliest.

    Wenn man wie Sie bereits einen Landesmeistertitel in der Tasche hat, war die Textauswahl nicht unbedingt leichter. Wie ist es Ihnen dennoch gelungen, den Titel erfolgreich zu verteidigen? Was war Ihr „Geheimrezept“ 2025? 

    Zwei Esslöffel Selbstzweifel, eine Prise Verzweiflung und 500 Milliliter Glück.
    Die Woche vor dem Finale war unglaublich anstrengend. Nicht umsonst hat mein Körper sich jetzt für ein paar Tage zurückgeholt, was ihm gehört, und mich zum Liegen gezwungen.
    Ich habe mich ziemlich fertiggemacht, weil ich länger nichts mehr geschrieben hatte und mit nichts zufrieden war, was neu auf Papier kam. Zum Glück konnte ich einen älteren Text (Flaschenhalt) wiederverwenden und dazu einen neuen Text schreiben, der für mich vielleicht eine neue Art des Schreibens eingeleitet hat. Ich habe lange nach einer Form gesucht, in der ich mich wohlfühle – und ich glaube, diese jetzt gefunden zu haben. Aber sowas kann sich immer ändern. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

    Was schätzen Sie am Vortrag anderer Mitstreiterinnen und Mitstreiter – und was missfällt Ihnen?

    Das ist eine schwierige Frage, weil ich vor und nach meinen Auftritten sehr damit beschäftigt bin, mich auf meinen eigenen Text zu konzentrieren. Trotzdem höre ich zu – einerseits, weil es mich interessiert, was die anderen machen, andererseits, um zu verstehen, wie das Publikum so drauf ist. Und natürlich lasse ich mich auch gern inspirieren. Ich finde es einfach schön, die unterschiedlichen Formen zu beobachten.
    Was mir missfällt, darauf habe ich keine Antwort. Im Unterschied zur Jury muss und will ich die Texte nicht bewerten. Jeder Text steht für sich und erzählt seine eigene Geschichte.
     

    Andere machen Sport – ich denke mir einen Satz aus.

  • Nathan der Nice: Zum 2. Mal Erster! Nathan Laimer konnte den 2024 errungenen Landesmeistertitel im Jahr 2025 verteidigen. SALTO veröffentlicht demnächst einen der beiden Finaltexte. Foto: Andy Odierno

    Wie haben Sie es geschafft, im Lauf Ihres noch jungen Lebens ein so eindrucksvolles Sprachtalent zu entwickeln?

    Ich bleibe dabei: Schreiben ist keine Entscheidung, es ist ein Bedürfnis. Und je tiefer dieses Bedürfnis sitzt, desto stärker drängt es nach außen. Man könnte sagen: Wenn ich genug in mich hineinfresse, kommt irgendwann etwas dabei heraus. Aber ich würde nicht behaupten, dass mein Sprachtalent besonders wäre. Ich habe einfach viel Spaß daran, mir Wortspiele und Reime auszudenken. Wenn mein Gehirn Futter braucht, füttert es sich damit. Andere machen Sport – ich denke mir einen Satz aus.

    In Ihren Texten spielen Politik und Gesellschaftskritik eine wichtige Rolle. Warum ist Ihnen das so bedeutsam?

    Vielleicht, weil mir vieles auffällt? Oder weil ich das Glück habe, durchs Schreiben bestimmte Themen so verarbeiten zu können, dass man zuhören kann – oder sogar muss. Ich glaube, fast jede/r Kunstschaffende kritisiert in irgendeiner Form die Gesellschaft. Allein beim Finale war kaum ein Text dabei, der nicht in irgendeiner Weise kritisch war. Manche subtiler, manche offensichtlicher – aber es sind immer Themen, die uns beschäftigen. Und wenn sie dich beschäftigen, dann wahrscheinlich auch noch andere. Damit ist man automatisch bei Politik.
     

    Wenn auf der größten politischen Bühne der Welt faschistische Methoden präsentiert werden, haben wir ein großes Problem. 


    Wie blickt der aktuelle Landesmeister auf die politische Situation in Südtirol, Italien, Europa – und in der Welt?

    Mit viel Sorge. Die Umstände in Gaza sind haarsträubend, und die politische Handlungsunfähigkeit ist erschreckend. Die NATO/Russland-Übung wirkt dystopisch, und es scheint fast so, als wäre unser westliches Privileg, im Frieden zu leben, bald nur noch eine Erinnerung. Trotzdem glaube ich irgendwo an die Vernunft – bin mir aber nicht mehr sicher, ob sie noch unter uns weilt.
    Was mich am meisten bedrückt, ist die faschistoide Regierung in den USA. Denn egal, ob Krieg ausbricht oder nicht: Wenn auf der größten politischen Bühne der Welt faschistische Methoden präsentiert werden, haben wir ein großes Problem. Kleine Geschwister neigen leider dazu, dem großen Bruder nachzueifern. Und ich glaube, meine Generation hat vergessen, dass das Kräftemessen, zu dem die USA uns gerade motivieren, zuletzt beinahe zum „letzten Weltkrieg“ geführt hätte. Das noch einmal erleben zu müssen – das wollen und sollten wir nicht.
    Trotzdem gibt es Hoffnungsschimmer, wie zum Beispiel Nepal oder Indonesien, die zeigen, dass es möglich ist, die Stimme der Menschen durchzusetzen. Natürlich meine ich damit nicht das Abfackeln des Parlaments oder die Vertreibung der Regierungsführer. Aber das Aufstehen der Menschen, die genug haben.

    Bei welchen Rednerinnen und Rednern hören Sie besonders gerne hin – und bei welchen schalten Sie eher ab?

    Wenn ich merke, dass jemand auf der Bühne Spaß hat, bin ich voll dabei. Mich catcht Performance. Meine Aufmerksamkeitsspanne ist allerdings sehr kurz, was ich oft schade finde. Bei ruhigen Texten, bei denen das Publikum berührt ist, schweifen meine Gedanken manchmal ab. Das heißt aber nicht, dass es mir nicht gefällt. Nur: Mein Gehirn muss sich das Dopamin dann woanders holen.