Kevin Masocco
Foto: Facebook
Società | fritto misto

C’è un discorso urgente da fare

Ja, was Kevin Masocco gesagt hat, ist widerlich. Aber wir sind scheinheilig, wenn wir uns wundern, woher das kommt.

Er kann einem ja beinahe leidtun, der Masocco Kevin. Nein, nicht wegen seines Vornamens, der ja eigentlich schon Bürde genug wäre. Da hat er ein wenig leichtsinnig seine Begeisterung für eine DJane kundgetan, und jetzt wird er von allen Seiten angefeindet. Und bloß, weil er ein nettes Heimatfoto mit Kühen gemacht und dieses spritzig-witzig als „Selfie con la Boldrini“ betitelt hat, erwägt die ehemalige Kammerpräsidentin, ihn zu verklagen. Dabei sind Kühe doch liebe Viecher. Und so nützlich. Seine Partei, die Lega, hat sich auch schon von ihrem ansonsten engagiert gegen die Islamisierung unserer Hauptstadt kämpfenden Ex-Gemeinderat distanziert. Er wird sich nicht mehr auskennen, der arme Kevin. Was hat er bloß getan?

Rekapitulieren wir. Masocco war irgendwann dancen im Juwel Club und hat da „C’è una DJ figa da violentare!“ in sein Smartphone gebrüllt. Man muss ihm fast schon zu so viel realistischer Selbsterkenntnis gratulieren: Nein, freiwillig wäre die Frau wohl nicht mit ihm mitgegangen, das hat er gerafft. Aber Vergewaltigungsaufruf, wie von so manchen Medien in den letzten Tagen behauptet wurde, war das auch keiner. So traurig es klingt: Hier macht ein Mann einer Frau ein Kompliment. Ein vulgäres, gewaltverherrlichendes, denkbar hässliches, aber was Masocco kommunizieren wollte, war, dass er die Dame attraktiv fand. Ja, ich erbreche mich auch gleich.

Denken Sie an die Witze, die Sie nicht nur im Gasthaus zu hören bekommen, bei denen man ein „Stell dich nicht so an!“ zu hören bekommt, wenn man als Frau Einspruch erhebt.

Nichts liegt mir ferner, als ihn zu verteidigen, im Gegenteil. Masoccos Rückzug aus dem Gemeinderat war unausweichlich, auch, weil er wohl die Cojones zu dieser Wortwahl, zunächst aber nicht zu einer Entschuldigung hatte und kindisch darauf beharrte, jemand habe seine Stimme imitiert und wolle ihm einen Skandal anhängen. Geh bitte. Zuerst dicke Hose und dann Hosen voll. Das stinkt. Die Lega kann ja gern überlegen, ob sie ihn behalten will, da kommt es auf einen wie ihn mehr oder weniger auch nicht mehr an.

Aber wenn wir ehrlich sind: Masocco hat nichts getan, was wir nicht schon zur Genüge kennen würden. Er ist Symptom, nicht die Krankheit. Die wuchert schon seit langem in unserer Gesellschaft, oben wie unten, und bei Gott nicht nur in der Lega. Es ist die Mär vom starken Mann und schwachem Weiblein, von Sexualität, die nur aus männlicher Sicht akzeptiert wird, in der er sie neandertalmäßig abschleppt und besteigt, während sie bestenfalls ein bisschen mit den Füßchen dazu zappeln darf. Zärtlichkeit, Gleichberechtigung, Respekt sind in diesem Narrativ nicht vorgesehen, weil der Mann hat einen Druck, und den muss er ablassen, und die Frau lässt‘s halt über sich ergehen, wenn sie eine Anständige ist. Die, die mitmacht, das ist die Schlampe.

Sie finden, ich übertreibe? Lesen Sie sich doch mal in rein männliche Chatgruppen auf Whatsapp oder Facebook ein, was brave Familienväter aller Couleur dort an frauenfeindlichen, untergriffigen Kommentaren von sich geben. Welche Filmchen dort verbreitet werden, während Ehefrau und Kinder nichtsahnend neben ihm auf der Couch sitzen. Denken Sie an den Lokalbetreiber, der jährlich eine Sexmesse veranstaltet und es „lustig“ findet, wenn der Mann danach „heimgehen und die Frau packen“ wird. Ob sie will oder nicht, scheint da keine Rolle zu spielen. Erinnern Sie sich an den Landespolitiker, der, Jahre ist’s her, einer jungen Frau an die Brüste gefasst hat, nur so zum Spaß. Denken Sie an die Witze, die Sie nicht nur im Gasthaus zu hören bekommen, bei denen man ein „Stell dich nicht so an!“ zu hören bekommt, wenn man als Frau Einspruch erhebt. Schauen Sie sich die Werbeplakate an, auf denen eine Blondine mit lasziv geschürzten Lippen für eine spießige Gasthausgruppe herhalten muss, weil: „Genuss ist geil“. Es gibt unzählige Beispiele dafür, welche monotone Rolle der Frau in der Sexualität zugestanden wird: die des Objekts, das man nach Belieben gebrauchen, manipulieren, ausstellen kann. Und bist du nicht willig, dann brauch ich eben Gewalt.

So traurig es klingt: Hier macht ein Mann einer Frau ein Kompliment. Ein vulgäres, gewaltverherrlichendes, denkbar hässliches, aber was Masocco kommunizieren wollte, war, dass er die Dame attraktiv fand. Ja, ich erbreche mich auch gleich.

Wie tragisch, wenn man feststellen muss, dass diese Denke auch schon in den Köpfen junger Frauen verankert zu sein scheint. „Destroy my pussy, not my earth“, las sich ein Plakat beim Klimastreik am vergangenen Freitag. Während ich noch rätselte, warum die Demonstrantin ihre Katze vernichtet sehen wollte, klärte mich eine Twitter-Bekannte darüber auf, dass dies wohl eine Paraphrase fürs gute alte „Liebe machen“ sein sollte. „Zerstöre meine weiblichen Geschlechtsorgane!“ als Aufforderung zum Sex. Wie romantisch. Klar, der Witz auf dem Plakat funktioniert nur mit dieser Porno-Formulierung und wurde wahrscheinlich unüberlegt übernommen, aber wie traurig, wenn sie von einer Frau ganz selbstverständlich gebraucht wird. Noch trauriger, wenn ihr und ihren Mitdemonstrantinnen diese Kapitulation vor einer Auffassung von Sex als Gewaltakt gar nicht mehr aufzufallen scheint. Man möchte sie umarmen und schütteln zugleich. Höchste Zeit also, den Masoccos auf die Finger zu klopfen und unsere Auffassung von Sex zu überarbeiten. Und einzugreifen, wenn Frau wieder mal zum Vergnügen des Mannes verdinglicht wird. Jede/r für sich, aber auch an höherer Stelle. Die Stadt München etwa hat letztes Jahr beschlossen, pornografische und sexistische Werbung zu verbieten. Das wäre ja mal ein Anfang.