Pflichtschüler auf der Straße
Das vierstöckige, etwas heruntergekommene Gebäude gegenüber vom Gasthof Mösl in Obermais dient derzeit der Musikschule Meran als Notunterkunft. Im nächsten Schuljahr wird das ehemalige Maiense-Heim wieder leer stehen, aber schon haben andere die Augen darauf geworfen: zum einen ein Elternkomitee, das sich von dem Gebäude der Congregation Jesu die Lösung der Obermaiser Schulmisere erhofft, zum anderen der Immobilienmarkt. “Das Maiense wäre eine optimale Lösung. Aber dieses Projekt hoffähig zu machen, ist eine Herkulesarbeit”, sagt Hannes Pichler, 46-jähriger Unternehmer und Vorsitzender im Elternrat des Schulsprengels, der seit Jahren mehr Platz für Kindergarten- und Schulkinder fordert.
Der Elternratsvorsitzende Hannes Pichler
Protest ohne Folgen
Vor rund zwei Monaten haben Obermaiser Familien im Meraner Rathaus 900 Protest-Unterschriften gegen die Raumnot von Kindergarten und Schulen in ihrem Stadtviertel überreicht.
Lachende Gesichter bei der Übergabe der Protestunterschriften: in der Bildmitte Stadtrat Stefan Frötscher (links) und Bürgermeister Paul Rösch
Damals gab es noch die Hoffnung, dass das frühere Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler über kurz oder lang zum Schulzentrum umfunktioniert wird, wie es die Stadtregierung unter Bürgermeister Paul Rösch anstrebt. Doch nun sagt ein Gutachten der Landesverwaltung, dass das Böhler-Gebäude, in dem momentan noch die Hotelfachschule Ritz übergangsmäßig untergebracht ist, in frühestens acht Jahren für die Obermaiser Schulen nutzbar sein wird. “Wenn es offiziell acht Jahre heißt, dann werden es mindestens zehn”, sagt ein halb resignierender, halb aufgebrachter Hannes Pichler-
Kinder auf der Treppe
In Obermais herrscht sowohl im Kindergarten also auch an der Grundschule als auch an der Mittelschule seit Jahren akuter Platzmangel. Zwei Kindergartengruppen sind von der Vergilstraße zu den Eucharistiner-Patres in den Winkelweg ausgelagert. Ausgelagert sind derzeit auch zwei Klassen der Mittelschule, und zwar ins alte Rathaus in der Dantestraße. Im nächsten Schuljahr werden es drei Klassen sein, im übernächsten vier, kalkuliert Pichler.
Die Obermaiser Mittelschule in der Cavourstraße
Und die Grundschule, die Pichlers Kinder besuchen, ist ebenfalls übervoll: Das Gebäude wurde erst vor zehn Jahren umgebaut und ist jetzt schon zu klein. Für zehn Klassen ausgelegt, beherbergt der Bau derzeit 15 Klassen. “Das heißt, dass alle Ausweichräume für den Regelunterricht benötigt werden”, berichtet der Elternvertreter. “Wenn es Extra-Aktivitäten gibt, dann sitzen die Kinder auf den Treppenstufen.”
“Zehn Jahre geschlafen”
Frust und Wut sind unüberhörbar, wenn Hannes Pichler schildert, wie sich die Schulmisere in Obermais von Jahr zu Jahr zuspitzt. “Die Gemeinde hat gut zehn Jahre geschlafen”, ärgert sich der Elternratsvorsitzende. “Die Stadtbevölkerung ist seit der Jahrtausendwende um rund 20 Prozent gewachsen, die Gemeinde hat so viel Geld wie noch nie auf der Seite, aber es passiert nichts.” Pichler und die Obermaiser Architektin Barbara Verdorfer haben gemeinsam mit dem Schuldirektor Andreas Bordiga, einer Lehrerin und anderen Eltern eine Arbeitsgruppe gebildet, um den Politikern eine einheitliche Front entgegenzusetzen. “Hier in Meran ist es nämlich bald schlimmer als bei den alten Römern”, ärgert er sich. “Jeder redet mit jedem, und man spielt sich gegeneinander aus.”
Fehlanzeige Böhler
Zwischenzeitlich schien, als könne die frühere Böhler-Klinik in der Schafferstraße Linderung bringen. Der Bau hat ein Volumen von mehr als 50.000 Kubiketer. Derzeit ist die italienische Hotelfachschule Ritz dort untergebracht, aber auch die deutsche Hotelfachschule Kaiserhof betreibt im Ex-Böhler eine Großküche, berichtet Pichler.
Das frühere Unfallkrankenhaus Lorenz Böhler dient seit Jahren den Hotelfachschulen als Ausweichquartier
Die Hoffnung, dass die sanierungsbedürftige Obermaiser Mittelschule den bislang ungenutzten Mitteltrakt des Gebäudes zur Verfügung gestellt bekommt, habe sich angesichts eines Gutachtens der Landesverwaltung zerschlagen. Das Gutachten, in dem die Statik des Gebäudes bewertet und die Kosten eines Total-Umbaus auf 11 Millionen Euro geschätzt werden, war seit Monaten überfällig, die Eltern hatten hart darauf gewartet. Nun ist auch die Hoffnung aufs Böhler untergegangen. Weshalb die Obermaiser Kinder keinen Anspruch auf das Obermaiser Gebäude zu haben scheinen und “Pflichtschüler auf der Straße” stehen, ist für den Familienvater unbegreiflich.
Spekulationsobjekt Maiense?
Als “sehr verzwickt, aber nicht aussichtslos” bezeichnet Schulstadtrat Stefan Frötscher (SVP) die Lage in Obermais. Er will dem Stadtrat am Dienstag (20. März) über den aktuellen Stand der Dinge berichten und schließt erste Weichenstellungen nicht aus. In Sachen Böhler sei nicht das letzte Wort gesprochen, unterstreicht er. Frötscher bestätigt, dass das Maiense einer von mehreren Vorschlägen zur Lösung des akuten Platzproblems ist, die er bei der Stadtratssitzung auf den Tisch legen will.
Das ehemalige Schülerinnenheim Maiense in Obermais
Eigentümerin des Maiense ist die Sandplatz GmbH, der auch das Gebäude der Englischen Fräulein am Sandplatz gehört. Das Geschäftliche erledigt für die Sandplatz GmbH der Wirtschaftsberater Hermann Steiner vom Bureau Plattner in Bozen. Letztes Jahr stand das Maiense-Grundstück kurz davor, zur Wohnbauzone umgewidmet zu werden, berichtet Hannes Pichler. “2015 gab es ein unterschriftsreifes Abkommen zwischen der Sandplatz GmbH und der Gemeinde Meran, das vorsah, dass das Maiense zur Wohnbaukubatur wird und die Gemeinde Meran dafür einen Teil des Grundstücks zur Verbreiterung der Straße und tausend Quadratmeter für den angrenzenden Kindergarten bekommt.” Der von der Regierung Januth ausgehandelte Deal ging aber nicht über die Bühne. Das heißt, die Umwidmung ist noch nicht vollzogen. Diese Woche wird es ein Treffen zwischen Vertretern der Gemeinde Meran und der Sandplatz GmbH geben, kündigt Schulstadtrat Frötscher an. Die Frage, ob die Umwidmung zur Wohnbauzone doch noch kommt, will er nicht beantworten.