Società | Bürgergenossenschaft

Zukunft der Regionalentwicklung?

Bürgergenossenschaften könnten die Zukunft regionaler Entwicklung sein. Richard Lang erklärt das Konzept und gibt Ausblick auf die kommende Themenveranstaltung.
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Zusammenhalt Genossenschaft Hannah Busing
Foto: © Hannah Busing
  • Wer weiß besser, was eine Region braucht als die Menschen, die sie besiedeln? Richard Lang, Professor an der Freien Universität Bozen und Direktor des Kompetenzzentrums für das Management von Genossenschaften, ist sich sicher: Bürgergenossenschaften können DIE zukunftsträchtige Innovation sein, wenn es um Regionalentwicklung geht! Passend zum Thema organisiert das Kompetenzzentrum am 26. März 2025, die Veranstaltung "Bürgergenossenschaften: Innovation, Entwicklung und Inklusion", bei welcher ExpertInnen der Wissenschaft, Politik und Genossenschafts-Praxis zusammenkommen, um mit dem Publikum die Rolle von Bürgergenossenschaften als Potenzial-trächtiges Erfolgsmodell für territoriale Entwicklung zu untersuchen. Richard Lang erklärt vorab bereits das Konzept der Bürgergenossenschaften als innovatives Modell, das wirtschaftliche und soziale Interessen verbindet, um lokale Herausforderungen nachhaltig in der Gemeinschaft eines Ortes zu bewältigen und gibt einen Vorgeschmack auf die Schwerpunkte der bevorstehenden Tagung.

  • Richard Lang, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der unibz, schließt die Relevanz von Bürgergenossenschaften aus seiner langjährigen Forschungserfahrung in Bezug auf die Rolle von Genossenschaften für nachhaltige Regionalentwicklung. Foto: © Freie Universität Bozen
  • Was ist eine Bürgergenossenschaft?

    Richard Lang: Wir haben es hier mit einer vielfältigen Unternehmens- und Organisationsform zu tun, die gleichsam wirtschaftliche sowie soziale Interessen verbindet, um lokale bzw. regionale Herausforderungen nachhaltig zu lösen und regionale Strukturen zu sichern und weiterzuentwickeln. Wie der Name vorwegnimmt, sind die Mitglieder einer Bürgergenossenschaft die BürgerInnen eines Territoriums, die ihre Interessen, Sichtweisen und Ressourcen bündeln, um ein Angebot von BürgerInnen für BürgerInnen zu schaffen. Ein solches Angebot kann dabei etwa im Erhalt von Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen, in der Sicherstellung von Nahversorgung, sozialer bzw. kultureller Projekte, Attraktivitätssteigerung oder Errichtung erneuerbarer Energie-Anlagen bestehen. Ebenso vielfältig wie das Aktivitäten-Spektrum sind meist die Mitglieder einer Bürgergenossenschaft. So kommen etwa Privatpersonen, Hoteliers, UnternehmerInnen, LandwirtInnen, KünstlerInnen sowie VertreterInnen aus Vereinen, Gemeindeverwaltungen und Politik zusammen, vereint durch Liebe und Leidenschaft für den Ort und die Gemeinschaft, um Entwicklungsprojekte voranzutreiben. Die Bedürfnisse einer lokalen Gemeinschaft und die Besonderheit eines Ortes sind dabei stets Ausgangspunkte für die Ziele und Unternehmungen einer Bürgergenossenschaft. 

     

    Die Genossenschaft hegt wie ein normales Unternehmen wirtschaftliche Interessen, stellt dabei jedoch stets die Gemeinschaft und den Menschen ins Zentrum.

     

    Aber man kann doch auch ein Unternehmen oder einen Verein gründen, um derartige Projekte voranzutreiben?

    Die Genossenschaft verfolgt wie ein normales Unternehmen wirtschaftliche Interessen, stellt dabei jedoch stets die Gemeinschaft und den Menschen ins Zentrum. Die Verbindung eines wirtschaftlichen Fokus mit Gemeinschaftsinteressen und sozialen Zielsetzungen findet sich in anderen Unternehmensformen nicht in der Ausprägung, wie es bei Genossenschaften der Fall ist. Der Profit soll nicht ausgeschüttet, sondern für die Erreichung gemeinsamer Ziele reinvestiert werden. Zudem versuchen Genossenschaften alle Dimensionen der Nachhaltigkeit zu adressieren, wie etwa soziale oder ökologische, aber auch wirtschaftliche Nachhaltigkeit. Dieses Unternehmens-Ethos eignet sich perfekt zum Vorantreiben von Regionalentwicklung. Bürgergenossenschaften sind eine besondere Form von Genossenschaft, die ihren Fokus auf das Territorium und auf den Erhalt bzw. die Entwicklung desselben legt. Im Unterschied zum Verein bietet die Bürgergenossenschaft wiederum höhere wirtschaftliche Stabilität. Wir haben es hier mit kollektiven Unternehmen zu tun, die bei der Verfolgung sozialer Belange stets auch die Wirtschaftlichkeit im Auge behalten und ein marktfähiges, attraktives Angebot generieren müssen.

  • Organisator des Events ist das Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften, welches einen interdisziplinären Ansatz verfolgt und mit Südtiroler Institutionen zusammenarbeitet, die sich für die Entwicklung des Genossenschaftswesens einsetzen. Foto: © unibz
  • Veranstalter der Tagung ist das Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften, dessen Direktor Sie sind. Warum braucht es ein Kompetenzzentrum in diesem Bereich und was sind die wichtigsten Tätigkeiten und Ziele dieses Kompetenzzentrums - neben der Organisation von Tagungen wie der aktuellen?

    Das Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaft ist an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät angesiedelt, jedoch stark interdisziplinär ausgerichtet, denn anders kann man sich dem Thema nicht annähern. Wir stehen in bei unseren Tätigkeiten stets in enger Zusammenarbeit mit zentralen regionalen AkteurInnen aus dem Genossenschaftssektor sowie aus diversen Bereichen, die sich mit diesem Thema beschäftigen, denen wir unsere Erkenntnisse über das erfolgreiche Management von Genossenschaften vermitteln wollen. Unser übergeordnetes Ziel dabei ist es, einen Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von Genossenschaften in unserer Region zu leisten und gleichzeitig in der internationalen Forschungscommunity zu diesem Thema gut verankert zu sein. In diesem Zusammenhang möchte ich auch erwähnen, dass das Kompetenzzentrum seit November 2024 im Forschungsprojekt ASSETS zusammen mit weiteren europäischen Projektpartnern die Rolle, Erfolgsstrategien sowie Kommunikationsfähigkeit von Genossenschaften im Sektor der Sozialwirtschaft untersucht. Auf globaler Ebene häufen sich Veränderungen in Windeseile und das fällt auf das Thema der Genossenschaften zurück. Man sucht nach alternativen Unternehmensformen, die für Stabilität und Sicherheit stehen und die Bevölkerung sowie ihre Bedürfnisse achten. Unser Kompetenzzentrum soll dabei die Brücke zwischen wissenschaftlicher Theorie und erfolgreicher Praxis sein!

     

    Und dasselbe gilt für die Veranstaltung?

    Genau, unsere Vortragenden teilen ihre Forschung, Erfahrungen und Beispiele aus der Praxis und daran schließen sich dann jeweils Diskussionsrunden an, die das Publikum mit ihren Fragen, Diskussionspunkten und Anmerkungen einbinden. Die Idee der Veranstaltung steht im Sinne der Philosophie unseres Kompetenzzentrums: Wir wollen eine Plattform bieten, auf der sich Praxis und Wissenschaft direkt treffen. Nach der Registrierung um 13:30 Uhr startet die Veranstaltung mit dem Eröffnungsvortrag von Jacopo Sforzi. Ein Kollege der Trientner Forschungseinrichtung Euricse, der über das Wesen, die Potenziale und Herausforderungen von Bürgergenossenschaften referieren wird. Dann wird der Kollege der Universität Pisa Stefano Foglia uns über den rechtlichen Rahmen der Unternehmensform sowie über seine Erkenntnisse zu vergleichenden regionalen Perspektiven berichten. Einleitend für die Praxisbeispiele haben wir Manuela Paulmichl als Referentin gewonnen, die das Amt für Genossenschaftswesen leitet und uns ihre Perspektive aus der Landesverwaltung darlegen kann. Nach einer Kaffeepause für den informellen Austausch starten wir Session 2 mit dem Input des Kollegen Freien Universität Bozen Alessandro Narduzzo, der seine Studie zur Thematik bespricht, gefolgt von Andreas Schatzer dem Präsidenten des Südtiroler Gemeindeverbandes, der einen grundlegenden Aspekt für den Erfolg von Bürgergenossenschaften bespricht: die Zusammenarbeit mit den Gemeinden.

  • "Eine Plattform etablieren zwischen VertreterInnen der Wissenschaft und Praxis", dafür stehe das Kompetenzzentrum mit seinen Aktivitäten und Veranstaltungen, wie jene der kommenden Woche, so Lang. Foto: © Lucas Olmedo
  • Und dann geht’s zu den Beispielen aus der Praxis?

    So ist es! Die Genossenschaften, die bei unserem Event vorgestellt werden, befassen sich alle gleichsam mit der nachhaltigen Entwicklung, Attraktivitätsgestaltung und Infrastrukturerhaltung ihrer jeweiligen Regionen bzw. Gemeinden. Kurz um: Es geht darum, ein breites Angebot von BürgerInnen für BürgerInnen einer Region zu schaffen. Wir starten mit dem Input des Präsidenten der Genossenschaft Tramin, Franzjosef Roner. Dann wird uns Felix Ploner, der Bürgermeister der Gemeinde St. Vigil in Enneberg, über die lokale Bürgergenossenschaft Marebbe berichten. Alexander Mair (Genossenschaftspräsident) und Georg Altstätter (Bürgermeister Martell) stellen uns dann in Folge die Bürgergenossenschaft Martell 3B vor. Den Abschluss macht dann die Bürgergenossenschaft Alberi di Mango, die sich um die Wiederbelebung der Bergregion von Belluno bemüht.

     

    Worauf freuen Sie sich am meisten?

    Ich freue mich darauf, Leute kennenzulernen, die in diesem sehr spannenden Feld Erfahrungen gemacht haben und mich mit diesen auszutauschen. Die Forschungsperspektive muss von Praxiserfahrungen lernen und nichts ist dabei so fruchtbar wie der direkte Dialog mit den AkteurInnen. 

     

     

  • Die Veranstaltung „Bürgergenossenschaften: Innovation, Entwicklung und Inklusion“ wird organisiert vom Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften, unter der Leitung von Richard Lang, und findet am 26. März 2025, von 13:30 bis 17:30 Uhr, im Universitätsgebäude der Freien Universität Bozen, Raum BZ F 6.00 University Club, statt. Die Veranstaltung wird in deutscher und italienischer Sprache abgehalten und wird moderiert von Dr. Michela Giovannini und Prof. Peter Agstner vom Kompetenzzentrum für das Management von Genossenschaften der Freien Universität Bozen moderiert.