Kinder
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Società | Geburtenschwund

Die kinderlose Republik

Die "stati generali della natalità" in Rom rückten Italiens dramatischen Geburtenschwund in den Mittelpunkt der Diskussion

Das Thema ist keineswegs neu. Doch seine Dimensionen werden von Jahr zu Jahr dramatischer. Italiens massiver Geburtenrückgang bedroht die Zukunft des Landes. Das vergangene Jahr war auf  diesem Gebiet das negativste seit der Einigung Italiens im Jahr 1861 - mit Ausnahme von 1919, dem Jahr der verhängnisvollen spanischen Grippe.

2020 hat Italien 400.000 Einwohner verloren. Das entspricht ungefähr der Bevölkerungszahl von Bologna. Auf den vom Vatikan jetzt veranstalteten stati generali della natalità versuchten Vertreter der Kirche, Politiker, Statistiker und Experten, dem Problem auf den Grund zu gehen - und vor allem vor den bedrohlichen Folgen zu warnen. Heute kaum noch vorstellbar: 1946 hatte das vom Krieg verwüstete Italien die höchste Geburtenrate Europas: 200.000 mehr als Frankreich und 300.000 mehr als Deutschland. Auch 30 Jahre später führte Italien die europäische Bevölkerungsstatistik noch an. Das abgelaufene Jahr 2020 verbuchte mit minus 60,2 Prozent einen neuen Negativrekord: 404.100 Kinder im Vergleich den Jahren des Baby-Booms - 1964 waren es noch über eine Million.

Das Ergebnis ist eine bedrohliche Überalterung der Bevölkerung: heute weist Italien mit fast 80 Jahren die höchste Lebenserwartung in Europa auf. Bei der römischen Tagung sprach der Papst von einem inverno demografico freddo e buio. - senza natalità non c'è futuro. Dov' è il tesoro della nostra società ? Nei figli o nelle finanze ? Che cosa ci attrae? La famiglia e il fatturato ?"  Regierungschef Mario Draghi warnte vor den Folgen des drastischen Geburtenschwunds: "Un Italia senza figli è un'Italia che non crede e non progetta. Un' Italia destinata lentamente a invecchiare e scomparire". Der Premier versprach Abhilfe: 21 Milliarden Euro für einen assegno unico universale - ab Juli für all jene Beschäftigten und Arbeitslosen ohne Familienzulagen.

Nicht die Immigration bedrohe Italien, sondern die jährliche Auswanderung von über 15.000 jungen Italienern in Ausland.

Der ehemalige Minister für Süditalien, Peppe Provenzano bemühte sich, das "Märchen von der verhängsvollen Einwanderung " zu entkräften: Nicht die Immigration bedrohe Italien, sondern die jährliche Auswanderung von über 15.000 jungen Italienern in Ausland. Ein grosser Teil davon seien junge, fähige Akademiker, die in anderen EU-Staaten mit offenen Armen empfangen würden. Abseits aller statistischen und wirtschaftlichen Gründe für den Kindermangel stellte einer der Redner in Rom eine unwissenschaftliche und simpel anmutende Frage in den Raum: "E se fossimo semplicemente diventati troppo comodi?"

 

*Stand 2021. Die Zahl wurde nachträglich geändert, da sich ein Tippfehler eingeschlichen hatte.