Politica | Salvinis Populismus

Der Mann fürs Grobe

Kein Tag, an dem Matteo Salvini nicht die populistische Trommel rührt. Das irritiert die Fünf-Sterne-Bewegung und Regierungschef Conte.
Matteo Salvini
Foto: Facebook/Matteo Salvini

Wenige Wochen nach ihrer Vereidigung wachsen die Spannungen in Italiens neuer Regierung. Premier Giuseppe Conte und sein Stellvertreter Luigi Di Maio scheinen nicht länger gewillt, Matteo Salvinis Alleingänge und sein populistisches Führungsgehabe zu akzeptieren. Die Forderung des Lega-Chefs nach Zählung und Registrierung  der in Italien lebenden Sinti und Roma wird von der Fünf-Sterne-Bewegung und vom Regierungschef als überflüssige Provokation empfunden. Di Maio spicht von einer "verfassungswidrigen Initiative", die im gemeinsamen Programm nicht vorgesehen sei. Die jüdische Gemeinde warnte vor erneuter Diskriminierung einer von den Nationalsozialisten verfolgten Minderheit: "L'annuncio preoccupa e risveglia ricordi di leggi razziste." Der Lega-Chef reagierte nur mit einem halben Rückzieher: "Non ci sará nessuna schedatura. Solo un monitoraggio. I rom italiani purtroppo te li devi tenere a casa." Trotz des Widerstands liess er sich von seiner Idee nicht abbringen: "Sul censimento non mollo e tiro dritto." Es ist eine für den Lega-Chef typische Strategie: es wird ein Notstand suggeriert, wo es keinen gibt, um dann die Forderung zu erheben, "bisogna far fronte alle emergenze". Salvini ist der Mann für niedrige Instinkte, der mit seiner Hetze und Provokation die politische Agenda nach Belieben bestimmt, der "die Kreuzfahrten für Flüchtlinge" abschaffen will und die NGOs  als "Vizeschlepper" attackiert. Neu ist das freilich nicht. Denn schon zu Bossis Zeiten war Salvini in der Lega fürs Grobe zuständig, attackierte regelmässig jene meridionali als Faulpelze und Nichtsnutze, die ihn jetzt in den Senat gewählt haben.

Unter den Wählern freilich macht sich sein hemmungloser Populismus durchaus bezahlt. Nach jüngsten Umfragen hat die Lega die Fünf-Sterne-Bewegung überholt und die 30-Prozent-Marke erreicht. Der langjährige Präsident des Verfassungsgerichts Vladimiro Zagrebelsky wertet Salvinis Rom-Vorstoss als "pura provocazione" und erinnert an die Grundlagen der Verfassung: "La costituzione vieta qualunque discriminazione basata sulla razza o etnia." Die Sinti und Roma sind eine verschwindend kleine Minderheit von 0,04 Prozent der Bevölkerung. Ihre Zahl wird auf rund 140.000 geschätzt. Niemand weiss, was eine Zählung bringen  und wer sie durchführen soll - Staat, Regionen oder Gemeinden.

Fest steht: weil sie ungelliebte Aussenseiter sind und von vielen Bürgern mit Kriminalität in Verbindung gebracht werden, eignen sie sich gut zu Propagandazwecken. Und darin ist Matteo Salvini unschlagbar - besonders wenn er sich auf seine Rolle als "padre e ministro" beruft.

Das tägliche Poltern gegen Migranten, Schleuser, NGO's dient freilich vor allem der Ablenkung. Denn gut drei Monate nach der Wahl hat die Regierung keines  ihr Vorhaben verwirklicht bzw. ins Parlament gebracht.

Einzige und fast täglich wiederholte Erfolgsmeldung: "E' finita la pacchia."  Dass die Fregatte "Decimo Diciotti" der italienischen Küstenwache am Dienstag 520 schiffbrüchige Migranten nach Sizilien brachte, übergeht Salvini mit Schweigen. 

Stattdessen übt er sich in gewohner Grossmäuligkeit: "Presto sarò ricevuto dal papa." Eine Ankündigung, die der Vatikan postwendend dementierte.

 

Das Verhältnis zwischen Lega und M5S ist gespannt

 

Tatsache ist, dass die zwei Regierungsparteien unterschiedliche Prioritäten setzen. Während etwa das Grundeinkommen für die Grillini ein vordringliches Ziel darstellt, ist es für Salvini leicht verzichtbar. Während Di Maio auf eine "pace fiscale" drängt (de facto einen condono), scheint die Lega daran nicht interessiert.  Unter den Grillini herrscht Skepsis über die grandi opere wie die Hochgeschwindigkeitsstrecke von Turin nach Lyon , an der die Lega jedoch nicht rütteln will. Ähnlich verhält es sich mit der drohenden Schliessung des Stahlwerks Ilva in Taranto. Der M5S würde bei Schliessung des grössten Industriebetriebes im Süden viele Stimmen einbüssen.

Bis zum September kann sich die Regierung angesichts der bevorstehenden Parlamentsferien noch in Propaganda üben. Dann, wenn Haushalt, Staatsverschuldung, Reduzierung der Mehrwertsteuer und die Abschaffung der Legge Fornero zur Diskussion stehen, geht es nicht mehr um unnützes Geplänkel und Propaganda, sondern um für Italiens Zukunft wesentliche Fakten. Und um Milliardensummen. Wirtschaftsminister Giovanni Tria  warnt die Regierungsparteien bereits jetzt:  "Nessuna riforma senza copertura finanziaria." Salvini wird im Herbst alles dransetzen, um Neuwahlen zu provozieren und die Lega zur stärksten Partei Italiens zu machen. Paolo Gentiloni bringt es auf eine Kurzformel: "Ieri i migranti, oggi i rom, domani pistole per tutti."

In den Umfragen weit vor Salvini liegt allerdings einer, den die Italiener offenbar ins Herz geschlossen haben: Regierungschef Giuseppe Conte. Ihm fehlt im Chigi-Palast so ziemlich alles, was ein Premier benötigt – vom funktionierenden Sekretariat bis zum Kabinettschef. Auch im Ausland kommt der elegante, freundliche und unaufdringliche Regierungschef gut an. Und sein Sympathiewert liegt in Italien bei über 60 Prozent – für Salvini unerreichbar.

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Karl Trojer Mer, 06/20/2018 - 10:13

und dieser "Politiker" stimmt als "padre" der Aktion der Regierung Trump zu, Flüchtlingskinder von ihren Eltern zu trennen und in Käfige zu sperren.... Sind unsere Demokratieen gegen soviel Menschenverachtung denn wirklich machtlos ?

Mer, 06/20/2018 - 10:13 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mer, 06/20/2018 - 11:20

In risposta a di Karl Trojer

Die Probleme an der Grenze zwischen USA und Mexico sind ernst und schwerwiegend und sind unseren Problemen im Mittelmeer recht ähnlich. Es wäre hilfreich wenn man da nicht immer wieder alles durcheinander bringt! Es handelt sich nicht um Flüchtlinge, sondern um Kindern von Migranten, die im vollen Bewusstsein sich bei der Grenzüberschreitung strafbar zu machen, dies im Kauf nehmen und ihre Kinder dabei auch noch mitnehmen. Selbst unter den Republikanern in den USA wird dieses Verhalten stark kritisiert und man verlangt zusammen mit den Demokraten die Trennung von Kindern und Eltern aufzuheben. Dennoch wird dadurch aus einen Migranten kein Flüchtling.

Mer, 06/20/2018 - 11:20 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Mer, 06/20/2018 - 15:31

Die Wähler Salvinis sind zwar im Durchschnitt dumm, aber gerade sie werden die ersten sein, die ihn in die Wüste schicken, wenn sie merken, dass alles was er labert nur heiße Luft ist. Gerade auch die Geschichte mit den Migranten. Auch der Finanzminister hat der Flat Tax schon eine Absage erteilt. Das geht auch in die Hose. daher macht Salvini ja dauern neue Baustellen auf und glaubt sich mit immer derberem Auftreten zu retten. Tatsache ist, der Mann ist brandgefährlich.

Mer, 06/20/2018 - 15:31 Collegamento permanente