„Dann kommt es zu Selbstjustiz“

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SALTO: Frau Foppa, wie war das Podiumsgespräch in Sexten mit Reinhold Messner und Experten?
Brigitte Foppa: Es war richtig schön, weil auf einer Sachebene diskutiert werden konnte. In der politischen Diskussion ist das Thema Wolf immer sehr verzerrt. Gestern haben wir die Wildökologie, die Praxis der Bauern und die politische Geschichte beleuchtet und es war ein Erkenntnisgewinn für mich.
Das ist überraschend – waren am Ende dann alle einer Meinung?
Grunsätzlich sind wir übereingekommen, dass man sachlich auf das Thema schauen und alle Aspekte miteinbeziehen muss. Dabei ist noch lange nicht alles dazu bekannt. Es braucht einen Kompromiss zwischen Biodiversität, Wildtieren und Landwirtschaft. Zum Teil hat bereits eine Polarisierung stattgefunden und wenn der Konflikt eskaliert, dann kommt es zu Selbstjustiz.
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Symposium zum Wolf in Europa
Am 19. August hat im Haus von Reinhold Messner am Helm ein Symposium zum Wolf in Europa stattgefunden. Messner hat als Podiumsgäste die Fraktionssprecherin der Grünen im Südtiroler Landtag, Brigitte Foppa, den politischen Berater im EU-Parlament Massimiliano Rizzo, Universitätsprofessor Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien und den Sextner Landwirt Oskar Summerer eingeladen.
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Wieso hat sich Ihre Fraktion bei der Verschärfung der Wolfsregelung im Südtiroler Landtag als einzige enthalten?
Das ist die historische Tradition der Grünen, einfach weil die Diskussion ganz oft populistisch verzerrt wurde. Als 2012 die ersten Wölfe nach Südtirol gekommen sind, hat die Grüne Fraktion gefordert, dass eine Arbeitsgruppe mit Experten zu dem Thema eingerichtet und ein Managementplan erarbeitet wird. In der Debatte hieß es dann, dass die Grünen den Wolf ansiedeln wollen und unsere Beschlussanträge wurden abgelehnt. Auch im Jahr 2021 erklärte der Landeshauptmann die Ablehnung damit, dass die Rechtsgrundlage dafür fehlt, obwohl zum Beispiel die Toskana einen Managmentplan eingeführt hatte. Erst als die ISPRA (nationale Schutzbehörde, Anm. d. Red.) 2023 vorgeschlagen hat, einen Managementplan einzuführen, ist dieser Vorschlag in ein Landesgesetz aufgenommen worden. Laut Klaus Hackländer von der BOKU Wien spielt sich der Ablauf der Diskussion in Südtirol genau gleich wie in anderen Ländern ab.
„Das Thema eskalierte jedes Mal vor den Wahlen.“
Wie beurteilen Sie die Bemühungen der Südtiroler Landesregierung beim Wolfsmanagement?
Heute sind fast alle Almen Weidenschutzgebiete und es wird sehr wenig Herdenschutz betrieben. Einzelne Exemplare dürfen entnommen werden, was ich persönlich richtig finde. Trotzdem reicht das nicht, um das Problem in den Griff zu bekommen. Denn viele Weidetiere sind dem Wolf noch immer schutzlos ausgeliefert, auch weil in gewissen Bereichen Herdenschutz nicht möglich ist.
Der Schutzstatus des Wolfes wurde nun auf EU-Ebene zurückgestuft – zu recht?
Der Wolf ist aktuell nicht mehr vor dem Aussterben bedroht, das ist Fakt. Für mich ist wichtig, dass die Selbstjustiz in Italien eingegrenzt werden muss. Italien hält sich zwar nach außen hin sehr streng an die EU-Richtlinien, gleichzeitig werden Wölfe dann aber häufig gewildert.
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Womöglich auch weil Dekrete für den Abschuss von Problemwölfen regelmäßig von Tierschutzorganisationen vor Gericht gestoppt werden…
Ich habe großen Respekt vor Tierschutzorganisationen, weil sie für wichtige Themen wie die unwürdigen Missstände in der Massentierhaltung, Tierexperimente für Kosmetika oder Pelzmäntel ein Bewusstsein geschaffen haben. Hier haben sie großartige Arbeit geleistet. Beim Thema Großraubwild machen sie aber Fehler und ihre Rekurse haben mehr geschadet als genützt.
Können Sie das erklären?
Die Wolfspopulation wird wahrscheinlich eingegrenzt werden müssen, um die Ausrottung durch Wilderei zu verhindern. Zudem bringt man sich als Tierschutzorganisation durch die Rekurse in eine Extremposition, die die eigene Arbeit für andere wichtige Themen unglaubwürdig macht.
„Der Herdenschutz muss aufgewertet und besser finanziert werden.“
Hat sich Ihre Position zum Wolf im Laufe Ihrer politischen Karriere geändert?
Ich habe mich in Vergangenheit mehr mit dem Bären befasst. Die Diskussion zum Bär ist weniger emotional wie beim Wolf. Ich habe versucht, zu erklären, dass es hier keine einfachen politischen Lösungen gibt. Das zu vermitteln, hat der Ruf nach einem wolffreien Südtirol der Volkspartei und der Rechtsparteien im Jahr 2017 nicht erleichtert, die SVP hat dazu sogar ein Plakat herausgebracht. Das Thema eskalierte jedes Mal vor den Wahlen. So wurden Erwartungen geschürt, die nie eingehalten werden können. Denn für die Ausrottung des Wolfes fehlt tatsächlich die Rechtsgrundlage auf EU-Ebene. Das ist für mich die Missetat in der ganzen Diskussion der letzten zehn Jahre und war Beginn dieser starken unseligen Polarisierung.
Wie beurteilen Sie den großen Widerstand des Bauernbunds bei der Förderung von Herdenschutz und Hirten?
Ich finde es schade, dass Südtirol so wenig auf Herdenschutz gesetzt hat. SALTO hat hier sehr gute Berichterstattung geboten und auch Meinungen von Hirtinnen und Hirten eingeholt. Diese interessanten Beispiele zeigen, dass Herdenschutz funktioniert. Herdenschutz geht nicht immer, das sagen alle, und es kommt vor, dass gerade kleine Tiere bei Zäunen hängen bleiben. Aber hätte Südtirol wie das Trentino mehr Herdenschutz gemacht, dann wären auch früher Abschüsse möglich gewesen.
Was bräuchte es dafür?
Der Herdenschutz muss aufgewertet und besser finanziert werden. Es ist mein großer Wunsch, dass man wieder experimentieren und ausprobieren kann, ohne vorher schon zu sagen, dass es nicht geht oder so sein muss. Herdenschutz ist auch für die Schafe und die Almwirtschaft das Beste, auch wenn sich diese alte Tradition nicht immer wirtschaftlich rechnet. Trotzdem muss man von der Voreingenommenheit wegkommen, das Experimentieren versuchen und das Mögliche möglich machen. Das ist der Auftrag für die nächste Phase beim Wolfsmanagement.
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Auch nicht, dass Foppa plötzlich gar Tierschutzorganisationen, die, nur weil sie rechtlich klagen, angeht und sie, siehe oben, gar als extrem positioniert u.a.m.
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Schön wär, wenn Reinhold Messners Symposium, endlich konstruktiven Austausch zum Wolf, einleitet.
Dass ein Erstarren im gegenseitigen Konfrontieren mit Positionen (Svp Bauern, Jäger, Naturschützer) oder "Ideologievorwürfe" nicht die Lösung sind, haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt: Die Probleme wurden mehr und größer, gegenseitiges Verstehen konnte nicht entstehen und damit keine gemeinsamen Wege hin zu zukunftsfähigen KoexistenzKonzepten!
Was gefehlt hat und immer noch fehlt, ist die Diskussion über die dahinter liegenden Werte. Haben heimische Arten ein Lebensrecht? Können wir unseren Mitmenschen zumuten, dass sie wegen unserem Handeln deutliche Veränderungen oder gar Erschwernisse in ihrem Leben hinnehmen? Wie sehr wiegt unsere Verantwortung für die Natur im Vergleich zum individuellen Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung?
Soll heißen: Politik, Wissenschaft, Jagdverband und Bauernbund haben auch einen Bildungsauftrag: Die Weiterentwicklung der Gesellschaft! Ein vielschichtiger Prozess, der viele Aspekte umfasst, z.B.: Demokratie als Lebensform, soziale- wirtschaftliche Veränderungen, ökologische Nachhaltigkeit, kulturellen Wandel....
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