Politica | Pandemie und Krieg

Kriegsrhetorik aus der Parteizentrale

Karl Zeller verteidigt die Entscheidungen der Landesregierung mit fragwürdiger Kriegsrhetorik.
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Kriegsbild
Foto: (c) pixabay

Gestern hat die Neue Südtiroler Tageszeitung ein Interview mit dem SVP-Schwergewicht und Verfassungsexperten Karl Zeller veröffentlicht. Herr Zeller verteidigt darin die harte Gangart der Landesregierung mit Aussagen wie „Einen Krieg – die Pandemie ist ein Krieg –, kann man nicht gewinnen, wenn man keine Opfer bringt“ oder „In einem Krieg ist es schwierig, auf die Verfassungsrechte zu pochen“.

Nun ja, Zeller ist Jahrgang `61 und hat glücklicherweise noch nie einen Krieg erlebt. Unsere Veteranen aus dem 2. Weltkrieg mögen ihm diesen Ausrutscher verzeihen. Trotzdem erlebe ich solche Aussagen als neuerlichen Tiefpunkt in der Kommunikationsstrategie und dem Demokratieverständnis der SVP. Kriege fordern bekanntlich eine enorme Anzahl an Todesopfern, Verwundeten und traumatisierten Menschen quer durch die gesamte Bevölkerung. Von den Kindern bis zu den Ältesten. Die Infrastruktur eines Landes wird üblicherweise zerstört und die menschenverachtenden Gräueltaten wollen wir uns gar nicht vorstellen. Zu welchen weiteren Schäden ein Krieg normalerweise führt, möchte ich gar nicht weiter ausführen.

Auch die Corona-Pandemie verursacht Opfer und Schäden, das Ausmaß in Südtirol ist allerdings keinesfalls mit einem Kriegszustand zu vergleichen. Die Kriegsrhetorik dient hier wohl eher als Mittel, die Kritik aus der Bevölkerung abzuschwächen und die Berufung auf die Grundrechte zu verhindern. Grundrechte, welche in der Konsequenz des letzten Krieges eingeführt wurden, mit dem Ziel eine so schreckliche Zeit nicht mehr erleben zu müssen. Rechte, die wie Herr Zeller besser weiß als ich, in der juristischen Hierarchie ganz oben stehen. Unsere Gesetzgebung baut auf dieser Hierarchie auf und sämtliche weitere Gesetze oder Verordnungen dürfen der Verfassung nicht widersprechen. Das gerade der Südtiroler Verfassungsexperte mit Leichtfertigkeit diese elementaren Grundsäulen unserer Gesellschaft in Frage stellt, halte ich für besonders beachtlich.

Dieser hinkende Kriegsvergleich ist meiner Meinung nach ähnlich gefährlich wie die mediale Panikmache. Die zweifelsohne bestehende Virus-Gefahr wird dadurch überhöht und die Bevölkerung verängstigt und eingeschüchtert. Dass zu viel Angst ein schlechter Ratgeber ist, wissen wir aus der Verhaltensforschung schon längst. Angstreaktionen sind naturbedingt nicht vernünftig, die dadurch getroffenen Entscheidungen meist nicht differenziert oder durchdacht. In einer Krisenzeit wäre es allerdings unbedingt notwendig mit Vernunft, Verhältnismäßigkeit und Weitblick zu agieren. Im letzten Frühjahr ist eine nachvollziehbare allgemeine Schockstarre eingetreten, ein Jahr haben wir nun unsere Freiheit eingeschränkt und uns vorwiegend an die Regeln der Politik gehalten. Nun gibt es mit der Impfung ein effizientes Mittel gegen das Virus und wir können damit die Risikogruppen schützen. Es wäre an der Zeit zu fragen, wann und wie wir wieder zu einer Normalität zurückkehren können. Die SVP-Kriegsrhetorik ist hierbei hinderlich und soll vermutlich dazu dienen, die Verordnungen des Landeshauptmannes nicht zu hinterfragen und die politische Debatte zu ersticken.