Gestern von morgen erzählen: Civil War

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Beim Ansehen von Alex Garlands Civil War fühlt man sich regelmäßig an das Genre der Zombie-Filme erinnert. Die Städte und kleineren Ortschaften sind verwaist, nur selten zeigen sich Menschen auf der Straße, und wenn, dann nur mit der Waffe im Anschlag. Autos sind liegengeblieben, brennen aus, daneben liegen Leichen gestapelt, andere sind an Bäumen aufgeknüpft. Wer über den aufgebrochenen Asphalt läuft, tritt zwangsläufig auf Patronenhülsen.
Zu viert fahren sie los und ihnen eröffnet sich ein Bild der sich tief im Bürgerkrieg befindenden USA.
Garland veröffentlichte 2024, nur wenige Monate vor der US-Wahl, diesen Film, der nichts mit Zombies zu tun hat, sondern ein fiktives Szenario darstellt. Darin herrscht in den USA ein Bürgerkrieg. Der Präsident führte rigoros eine dritte Amtszeit von Washington D.C. aus, und einen brutalen Krieg gegen die eigene Bevölkerung, die sogenannten „Western Forces“. Das Militär geht gegen die Aufständischen vor, und schon hier zeigen sich die besonderen Umstände, die in den USA herrschen. Denn dort hat so gut wieder jeder und jede eine Waffe zuhause. Die Menschen müssen sich nicht erst aufrüsten, um gegen den Staat zu kämpfen. Sie sind schon bereit. -
Garland legt seinen Film als Roadtrip an. Im Zentrum stehen die renommierte Kriegsfotografin Lee und ihr Presse-Kollege Joel. Sie wollen von New York City nach Washington D.C., um dort den verschanzten Präsidenten zu finden und zu interviewen. Unverhofft begleitet werden sie dabei von der jungen und angehenden Fotografin Jessie, die von Lee bei einem Selbstmordattentat gerettet wird. Außerdem auf der Rückbank: Der alte Sammy, eine Art Mentor für Lee. Zu viert fahren sie los und ihnen eröffnet sich ein Bild der sich tief im Bürgerkrieg befindenden USA. Überall haben sich kleinere Gruppierungen gebildet. Das eigene Territorium wird bis aufs Blut verteidigt. Wer eindringt, hat besser einen guten Grund dafür. Dabei spielen auch Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine Rolle. Lee und ihre Begleiter sehen die Brutalität ihrer Mitmenschen und der Film hält, genauso wie die Kriegsfotografin, mit der Kamera darauf. Leichenberge, zusammengeschlagene, noch lebende Menschen, Kopfschüsse, Willkür.
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Das Bizarre daran: Lee, wunderbar gespielt von Kirsten Dunst, hat schon Schlimmeres gesehen. Sie bleibt recht unberührt von dem Erlebten, denn jegliche Empathie wurde ihr bereits zerstört. Die langen Jahre als Kriegsfotografin haben dafür gesorgt, dass Lee kaum noch mit der Wimper zuckt, wenn vor ihr ein Mensch stirbt. Anders geht es da Jessie, die sich für den Beruf interessiert, die aber schockiert durch dieses neue Amerika läuft. Gleichzeitig hält auch sie brav die Kamera auf die Gewalt. Hier spielt der Film geschickt mit der Frage des Darstellbaren. Einerseits drängt sich die Wichtigkeit von Kriegsfotografie als Mittel zur Dokumentation jederzeit auf, andererseits stellt sich die Frage, wie weit darf sie gehen? Ist es in manchen Fällen noch Dokumentation, oder schon Pornographie? Wie Lee oder Jessie hält auch Regisseur Alex Garland die Kamera drauf. Das geht teils an die Grenzen von Moral, Ethik und des guten Geschmacks, andererseits gibt es im Krieg keinen Geschmack, und zu zeigen, was ist, ohne zu verdrängen, ist sicherlich der bessere Ansatz. Insgesamt inszeniert Garland seine Geschichte unaufgeregt, manchmal dokumentarisch. Er verwehrt eine Einordnung des Konflikt, bietet keine Hintergründe oder Erklärungen, sondern zeigt nur den Jetzt-Zustand. Leider beißt sich das mit den teils dämlichen Entscheidungen der Charaktere, die sich konträr zur realistischen Darstellung des Szenarios regelmäßig für den Darwin-Award empfehlen.
Am Ende bleibt die Frage, wie realistisch es ist, dass Civil War Wahrheit wird. Die USA sind gespalten und werden von einem Präsidenten angeführt, der bereits vor seiner zweiten Wahl in Aussicht gestellt hat, dass beim nächsten Mal kein Urnengang nötig sein wird. Trump schürt Hass und Hetze, er strapaziert die Geduld seiner Gegner im Land, teils auch die seiner Verbündeten. Es wird sich zeigen, wie lange die US-amerikanische Bevölkerung das mitmacht und tatenlos zusieht, wie ein Mann ihr Land demontiert. Wenn die Stimmung kippt, sind die Werkzeuge zur Durchsetzung der eigenen Freiheit nur einen Waffenschrank weit entfernt.
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