Società | Wohnungen für Geschiedene

„Da bist du erledigt“

Das Land will zusätzliche Wohnungen für Trennungsopfer zur Verfügung stellen. Viel zu wenig, sagt Magnus Lechner, einer der Betroffenen. Er selbst hat mehrere Monate im Auto gelebt.
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Foto: Helmut Gross

Sein Fall ist schon fünf Jahre her. Trotzdem klingt Magnus Lechner immer noch verbittert, wenn er über seinen Rausschmiss aus dem gemeinsamen Haus spricht. Nach 28 Ehejahren und drei Kindern stand er auf der Straße, seine Habe in einigen Plastiktüten verstaut. Sein Fall hatte 2008 Schlagzeilen gemacht, weil die Männerinitiative versucht hatte, die Zwangsräumung zu verhindern, mit der Begründung, dass Lechner die Obdachlosigkeit drohte. Zunächst wurde Aufschub gewährt, aber irgendwann stand der Gerichtsvollzieher samt Carabinieri vor der Tür und der damals 50 jährige Krankenpfleger musste weichen.

Da er niemanden hatte, bei dem er unterkommen konnte (die Eltern waren bereits verstorben), zog er zunächst ins Bozner Kolpinghaus. Dort zahlte er 300 Euro fürs Zimmer. Insgesamt 750 Euro zahlte er als Unterhalt für seine drei Kinder. Danach blieben ihm noch 300 – 400 Euro zum Leben übrig, sagt er. Unter dem strengen Regime des Kolpinghauses - „die Fragen dich wie einen Internatsschüler, wo abends du hingehst und wann du wieder heim kommst“ - hielt er es allerdings nur einen Monat aus. Über die zweieinhalb Monate danach, in denen er in seinem Auto gelebt hat, verliert er nur wenig Worte. „Da musst du alleine durch“, sagt er, „da hilft dir keiner.“

Seine „Rettung“ kam in Form eines Personalzimmers im Krankenhaus. Dort wohnt er seit 2008 auf acht(!) Quadratmetern. Mehrfach habe er beim Wobi angefragt, aber es sei ihm keine Berechtigung für eine Sozialwohnung zuerkannt worden. Angeblich, weil sein Einkommen zu hoch sei. Vor kurzem habe er schließlich in seiner Heimatgemeinde Eppan um Aufnahme in eine Wohnbaugenossenschaft angesucht. Ebenfalls vergeblich. Er habe zu wenig Geld hieß es dort.

Die Wohnungen für Getrennte und Geschiedene findet Lechner grundsätzlich eine gute Idee, aber es seien viel zu wenig. Für eine wirkliche Lösung des Problems brächte es einen funktionierenden Wohnungsmarkt in Südtirol. "Mit ausreichend Wohnungen zu bezahlbaren Preisen." Außerdem brauche es eine Mediation für Trennungspaare und keine Rechtsverdreher. Außerdem sollte der Besitz zwischen den Eheleuten aufgeteilt werden, sodass jeder ein Leben und ein Auskommen habe. Von einem echten gemeinsamen Sorge- und Umgangsrecht für die Kinder ganz zuschweigen.

Tagträume eines, der sich vom Leben gebeutelt und von der Justiz ungerecht behandelt erlebt. Noch heute zahlt er für eines seiner Kinder Unterhalt, obwohl alle drei schon weit über 20 sind. Kontakt hat er heute weder zu seiner Ex-Frau noch zu seinen Kindern. Diese hätten seine Kontaktversuche so lange ignoriert, bis er aufgegeben habe. Die Trennung habe ihn damals mitten aus dem Leben gerissen, sagt er. „Das prägt dich, macht dich fertig und wirft dich immer wieder zurück“, gibt Lechner, der sich heute in der Männerinitiative engagiert, unumwunden zu. Bis heute hat er weder eine eigene Wohnung gefunden, noch scheint er in seinem neuen Leben angekommen zu sein.

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Sylvia Rier Ven, 06/21/2013 - 16:22

Mehrere zusammen, statt jeder für sich allein? Inklusive positiver Neben- und Allround-Effekte? Aber grundsätzlich bin ich der festesten Überzeugung: Männer müssen ihre Frauen arbeiten lassen und zuhause und mit den Kindern 50/50 machen, Frauen müssen arbeiten wollen und ihre Männer zuhause und mit den Kindern 50/50 machen lassen. Und was die Kinder angeht, zitiere ich gern den klugen Sager eines mir unbekannten jungen Mannes, den ich zufällig mithören durfte, als da wäre: Da müssen beide das eigene Ich einfach mal zurück- und die Kinder in den Vordergrund stellen." Dann klappt das auch, dann können sich u. U. (wie im Fall des oben zitierten Mannes) auch Ex-Mann und Ex-Frau ein Haus teilen und die Kinder von Mama's nach Papa's Etage pendeln.

Ven, 06/21/2013 - 16:22 Collegamento permanente
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Michael Bockhorni Lun, 06/24/2013 - 07:18

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also für Menschen in Wohnungsnot finde ich (Zwang)WGs suboptimal, auch ein getrenntes Leben auf zwei Ebenen finde ich nicht wirklich die Lösung. Da muß ich schon Magnus Lechner Recht geben. Es braucht einen leistbaren Wohnungsmarkt und ein funktionierendes Sozialsystem für die Lebensrisken aktueller gesellschaftlicher Lebens- und Arbeitsformen.

Lun, 06/24/2013 - 07:18 Collegamento permanente
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Sylvia Rier Lun, 06/24/2013 - 08:49

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Das verstehe ich jetzt nicht, deine Vorbehalten gegen eine WG. Wenn ich die Nachricht richtig verstanden habe, dann sind die paar Wohnungen, die vom Land für Härtefälle zur Verfügung gestellt werden, a) jedenfalls (auch) eine Not- bzw. Übergangslösung und b) viel zu wenige. Da wüsste ich jetzt nicht mehr, warum nicht beide Probleme per Wohngemeinschaft gelöst werden sollten, wobei ja eine solche den Betroffenen ja gleichzeitig auch "moralische" Stütze sein könnte insofern, als die Bewohner sich austauschen, gegenseitig aushelfen usw. usf. könnten. Lieber früher als später will ja sowieso jeder wieder zurück ins "richtige" Leben, zu welchem Zeitpunkt dann evtl. erst "funktionierende Wohnungsmarkt und Sozialsystem" auf den Plan treten. Wobei vor allem in Sachen Sozialsystem ich ein paar Vorbehalte habe: Nicht alles kann und darf m. E. über das Sozialsystem "aufgefangen" werden. Zum Beispiel bin ich mir absolut sicher, dass ich persönlich, wäre ich in Magnus' Situation (gewesen), mich nach einem Zweit- und evtl. Drittjob (abends, Wochenenden) umgetan hätte - getrennte Männer können das (im Gegensatz zu getrennten Frauen, für die wird's schon schwieriger), weil die Kinder meist bei der Mutter bleiben. Dieser ist m. E. ein "Makel" an der Geschichte des Magnus Lechner, aber ich sage das mit sehr viel Vorsicht, weil ich ja seine genaue Situation nicht kenne. Das "getrennte Wohnen auf zwei Ebenen" sollte hingegen lediglich zum Ausdruck bringen, was alles möglich sein kann und wie viele Probleme getrennte Paare nicht hätten, wenn wir lernten, uns auch ein Scheitern zu zu gestehen, ohne alleweil die ultimativ zerstörerische "Schuldfrage" zu stellen, im Sinne der Kinder, aber nicht nur. Ich finde übrigens, der alte Satz "drum prüfe, wer sich ewig bindet" bekommt in unseren Tagen eine ganz neue Bedeutung, denn: Als Paar kann man sich trennen, Eltern bleibt man.

Lun, 06/24/2013 - 08:49 Collegamento permanente
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Michael Bockhorni Ven, 06/28/2013 - 15:10

In risposta a di Sylvia Rier

also die kommen von persönlichen Erfahrungen mit WG und in sozialen Einrichtungen. Wenn Menschen in Lebenskrisen mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und Gewohnheiten zwangsweise ein Zimmer bzw. Küche und/oder Bad teilen müssen, gibt das meist zusätzliche Probleme und Konflikte. Gegenseitige Hilfe kann auch stattfinden, wenn jeder sein Zimmer mit Kochnische und Dusch hat uns es einen gemeinsamen Raum gibt, wo man sich treffen und austauschen kann. Warum soll sich Mann (oder auch Frau) wegen einer Trennung nach einem Zweit- oder Drittjob umschauen müssen (und der angesichts der Wirtschaftskrise immer seltener zu finden sein wird)? Warum müssen die Kinder meist bei der Mutter bleiben, es gibt inzwischen viele funktionierende, positive Beispiele bei denen die Kinder abwechselnd bei Vater und Mutter sind. Was die "Prüfungsfrage" betrifft, stimme ich Dir absolut zu.

Ven, 06/28/2013 - 15:10 Collegamento permanente
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Michael Bockhorni Lun, 06/24/2013 - 07:13

wenn ich mir die ökonomische Realität (Unterhalt, Wohnungszuweisung, ...) von Trennungen in Südtirol vor Augen führe, dann weiß ich nicht, was ich mir zur gesellschaftlichen Reife einer europäischen Spitzenregion denken soll. Warum ist es verpönt in diesem "heiligen" Land über finanzielle Probleme im Leben (bei Trennungen, Arbeitslosigkeit, etc.) zu sprechen und muß allein durch? Warum hat jemand der mit 6-700 € durchkommen muß, keinen Anspruch auf eine Sozialwohnung?

Lun, 06/24/2013 - 07:13 Collegamento permanente