Abeds Teilung
Er spricht Englisch, aber weil er es in seinen eigenen Augen nicht gut genug spricht, ziert er sich, und verlangt jemand, der für ihn übersetzt, oder scheitert an meinem zu bruchstückhaften Arabisch.
Abed arbeitet in einer Kulturstiftung in Ramallah und nachmittags als stellvertretender Chefredakteur bei der Tageszeitung al-Ayam. Er stottert leicht, und bringt uns zum Lachen, indem er so tut, als ob er grantig und verdrossen sei, dabei braucht es nur einen interessanten Gedanken, der ihm zugeworfen wird, damit er vom Enthusiasmus gepackt wird.
Abed kommt aus Gaza. Er hat Angst, dass jemand aus seiner Familie, die noch sämtlich in Gaza lebt, in den Abendnachrichten auftaucht. Seine Familie konnte Abed in den letzen 23 Jahren nur dreimal besuchen; er sagt, er habe sich irgendwann entschieden, entweder in Gaza zu bleiben, ohne Arbeit, ohne Chancen, oder nach Ramallah zu kommen.
Selbst für die drei Besuche, die möglich waren, brauchte es stets besondere Umstände: Einmal starb Abeds Bruder, und er bekam er eine Ausnahmegenehmigung; einmal, kurz vor der zweiten Intifada im Jahr 2000, zeigten sich die Israelis kulant und ließen ihn durch.
Seit 2007 gibt es überhaupt keine Möglichkeit mehr, auf ‚normalem’ Weg eine Einreisegenehmigung zu ergattern. 2007 war der von den US unterstützten Versuch, die demokratisch gewählte Hamasregierung abzusetzen, gescheitert, die Hamas hatte die Macht in Gaza behalten, aber war von der Fatah aus dem Westjordanland gedrängt worden, alle Verbindungen zwischen dem Westjordanland und Gaza gekappt, während die israelische Armee ihre Blockade Gazas begann. Abed nennt das „die Teilung“, politisch, sozial, ökonomisch, jedenfalls für ihn ein Grund mehr, von seiner Familie getrennt zu sein.
Dem Fest des Fastenbrechens am Ende des Ramadans, das am 28. Juli gefeiert wird, sieht Abed mit wenig Vorfreude entgegen. Für ihn wird es bloß ein weiterer Anlass sein, seine Verwandten zu vermissen.