Politica | Volksbefragung

Der Schönheitsfehler

Der Fahrplan für die Volksbefragung zum Flughafen-Ausbau ist so wie von LH Kompatscher angekündigt nicht fahrbar. Dafür fehlt die gesetzliche Grundlage.

“Eine heiße Kartoffel”, so nennt Stephan Lausch den Flugplatz in Bozen. Anfang Juni hatte der Landtag einstimmig beschlossen, die Meinung der Südtiroler Bevölkerung über den Ausbau des Flughafens einholen zu wollen. Vor einigen Tagen kündigte dann Landeshauptmann Arno Kompatscher den Fahrplan bis zur Volksbefragung an. Im Herbst die Vorstellung des Konzeptes, dann ein Gesetzentwurf samt Businessplan, der vom Landtag abgesegnet wird und anschließend die Volksbefragung. Innerhalb Oktober sollen die ersten drei Phasen abgeschlossen sein und der Termin für die beratende Volksabstimmung stehen. Diese hat keinen verbindlichen Charakter, das heißt, das Volk wird zwar um seine Meinung gebeten, doch schlussendlich entscheidet die Politik, was mit dem Flughafen passieren wird. “Es ist für mich klar, dass sich die Landesregierung an das Ergebnis halten wird”, versprach Arno Kompatscher noch im Juni.


Ein kleiner Schönheitsfehler

Die Sache hört sich ganz gut an. Doch scheint der Landeshauptmann bei der Festlegung der Marschroute für den Ausbau des Flughafens ein kleines Detail übersehen zu haben. Denn so wie von ihm angekündigt ist der Fahrplan unfahrbar. Aus dem einfachen Grund, dass dieser Ablauf vom derzeit gültigen Gesetz nicht vorgesehen ist. Ein Blick auf das Landesgesetz vom 18. November 2005 in Sachen “Volksbegehren und Volksabstimmung” verrät, warum. Art. 16 regelt die “fakultative beratende Volksbefragung” und damit auch jene zum Flugplatz Bozen. Absatz 1) besagt: “Der Landtag kann mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder die Anberaumung einer beratenden Volksbefragung zu einem Gesetzentwurf beschließen, bevor er endgültig verabschiedet wird”.

“Das aus dem Jahr 2005 stammende Gesetz zur Direkten Demokratie sieht also kein von der Landesregierung oder vom Landtag anwendbares direktdemokratisches Instrument vor, mit dem ein bereits vom Landtag verabschiedetes Gesetz zur Volksabstimmung gebracht werden kann”, bringen es die Kritiker des von Kompatscher angekündigten Vorgehens in Sachen Flughafen-Befragung auf den Punkt. Dazu gehört neben dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz auch Stephan Lausch. “Der Iter Gesetzentwurf – Genehmigung durch den Landtag – Volksbefragung ist vom Gesetz nicht vorgesehen”, bestätigt der Koordinator der Initiative für mehr Demokratie auf Nachfrage von salto.bz. “Der Landtag müsste vor der Beschlussfassung entscheiden, ob das Volk befragt werden soll oder nicht. Ist das Gesetz einmal genehmigt, kann die Politik keine Volksbefragung mehr veranlassen.” Die einzige Möglichkeit wäre dann, ein abschaffendes Referendum zum bereits vom Landtag beschlossenen Gesetz abzuhalten. Doch das entspricht nicht dem, was der Landeshauptmann angekündigt hat.

Ein Politiker mit mehr Courage würde sich an den Volksentscheid von 2009 halten. (Stephan Lausch)

“Ich rate der Politik ganz einfach, sich an das geltende Gesetz zu halten”, sagt Lausch. “Wobei ich mich schon frage, wie berechtigt es ist, eine beratende Volksabstimmung anzuberaumen, nachdem die regierende Partei jeher dagegen argumentiert.” Die Initiative für mehr Demokratie bemängelt seit Langem schon, dass unter anderem bereits vom Landtag verabschiedete Gesetze nicht zur Abstimmung gebracht werden können. Auch im Dachverband für Natur- und Umweltschutz sieht man es ähnlich: “Dies ist nur eine der vielen Unzulänglichkeiten des aktuellen Gesetzes zur Direkten Demokratie, welches dringend neu zu schreiben ist”, so liest man am Freitag in einer Aussendung.


Wie will der Landeshauptmamn sein Versprechen halten?

Ein weiterer zutage geförderter Punkt betrifft die nicht verbindliche Natur der Volksbefragung. “Landeshauptmann Kompatscher hat zwar bereits mehrfach erklärt, dass man sich an die Entscheidung des Volkes halten wolle, egal wie diese ausfällt. Wie der Landeshauptmann allerdings den Landtag dazu verpflichten will, sich auch daran zu halten, ist mehr als unklar”, fragen sich die Kritiker. “Wenn der Landeshauptmann sagt, dass er sich an die Meinung des Volkes halten will, ist das seine Sache. Er kann aber dem Landtag nicht vorschreiben, wie er sich bei der Abstimmung zu verhalten hat”, gibt Stephan Lausch zu bedenken. Denn der Landtag ist in seiner Entscheidung souverän. Und wenn er nach der Abhaltung der Volksbefragung schließlich als Gesetzgeber über das Gesetz entscheiden wird, ist er dabei nicht an das Ergebnis gebunden. Daher die Bedenken: “Der Landtag kann theoretisch bei einem Nein des Volkes den Gesetzentwurf zum Flugplatzausbau trotzdem genehmigen und umgekehrt sich natürlich auch dagegen aussprechen, selbst wenn das Volk dafür sein sollte.”

Diese ungeklärten Punkte sind auf jeden Fall schnellstmöglich und unmissverständlich im Detail klarzustellen, bevor mit der Präsentation des Konzeptes das gesamte Verfahren überhaupt eingeleitet wird. (Dachverband für Natur- und Umweltschutz)

Lausch erinnert an jenen Tag im Februar dieses Jahres, an dem Arno Kompatscher den Goldenen Lugenbeitl verliehen bekam. Für das gebrochene Versprechen, das Volk über das neue Konzept des Flughafens Bozen abstimmen lassen zu wollen, so die Argumentation des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz damals. “Das will der Landeshauptmann natürlich nicht auf sich sitzen lassen”, meint Lausch. “Doch ein Politiker mit mehr Courage würde sich an den Volksentscheid von 2009 halten.” 90 Prozent der Abstimmenden hatten sich damals gegen eine Finanzierung des Flughafens durch öffentliche Gelder ausgesprochen – ein für Lausch “klares und eindeutiges Ergebnis”. Die Abstimmung scheiterte damals jedoch an dem nicht erreichten Beteiligungsquorum. 7.000 Stimmen fehlten für einen gültiges Ergebnis. “Eine ernsthafte Politik hätte den Flughafen trotzdem geschlossen”, ist Lausch der Meinung. “Doch hier wirken starke wirtschaftliche Kreise auf den Landeshauptmann ein, der sich nun die Rückendeckung der Bevölkerung sichern will.” Bleibt zu hoffen, dass sich dabei niemand die Finger verbrennt, an der “heißen Kartoffel” Flughafen.