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Heute ist Welt-Alzheimertag

Die Diagnose bedeutet für die Angehörigen große Veränderung. Das Institut für Allgemeinmedizin klärt über Vorbeugung und den Umgang mit der Krankheit auf.
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Foto: David Griffiths / Unsplash
Hetue, am 21. September, ist der Welt-Alzheimertag. Seit 1994 wird an diesem Tag auf die Situation von Menschen mit Demenz aufmerksam gemacht. Derzeit gibt es in Südtirol schätzungsweise mehr als 13.000 Menschen mit Demenzerkrankungen. Demenz stellt eine große Herausforderung für Angehörige von Patient*innen, aber auch für die Gesellschaft dar. Barbara Plagg, Wissenschaftlerin am Institut für Allgemeinmedizin der Claudiana, sagt: „Es gibt zwar keine Strategie, mit der wir ausschließen könnten, an Demenz zu erkranken, aber es gibt einige präventive Möglichkeiten, unser Gehirn möglichst lange möglichst fit zu halten.“
 

Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz

 
Im Alltag werden die Begriffe ,Alzheimer’ und ,Demenz’ von vielen Menschen oftmals als Synonyme verwendet. Tatsächlich ist Demenz ein Überbegriff, der viele unterschiedliche Erkrankungen zusammenfasst – eine davon die Alzheimer-Demenz. „Gedächtnisschwierigkeiten treten im Rahmen von sehr vielen unterschiedlichen Erkrankungen auf. Es gibt auch Gedächtnisstörungen, die keinen Krankheitswert haben, wenn man z.B. gestresst oder überfordert ist“, erklärt Plagg.
 
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Barbara Plagg: „Die Demenz verlangt uns ab, das Menschsein anhand neuer Maßstäbe zu bewerten und nur die jeweilige Situation und Interaktion zu leben.“ (Foto: Claudiana / Institut für Allgemeinmedizin)
 
Erste Ansprechperson bei einem Verdacht auf Demenz sei die eigene Hausärztin / der eigene Hausarzt. „Die Allgemeinmediziner*innen können ihre Patient*innen gegebenenfalls an Fachärztinnen und Fachärzte oder an spezifische Ambulanzen (memory clinics) verweisen.“
 

Demenz behandeln

 
Sogenannte Antidementiva können Erkrankungsverläufe verzögern, sind jedoch nicht in der Lage, die Abbauprozesse der Nervenzellen dauerhaft zu stoppen. „Antidementiva machen nicht abhängig, aber leider ist es auch so, dass sie nicht bei allen Patient*innen gleich gut wirken. Und manchmal ist es schwer, die Wirkung abzuschätzen, weil sich der Zustand trotz allem verschlechtert – aber eben ohne Medikamente noch schneller ginge“, sagt  Plagg.
 

Gene und Demenz

 
Nur die wenigsten Demenzen sind rein „genetisch“ vererbbare Formen, die meisten Formen werden von Umweltfaktoren „mitmoduliert“, so Plagg: „Viele von uns sind Träger*innen sogenannter ,Suszeptibilitätsgene’: Diese Gene erhöhen die individuelle Erkrankungswahrscheinlichkeit. Das bedeutet, dass das Erkrankungsrisiko zwar bei Träger*innen etwas erhöht ist, dies muss aber nicht zum Ausbruch der Erkrankung führen. Schützende Umweltfaktoren – etwa ein gesunder Lebensstil – wirken auf die Gene ein. Neben dem Alter sind ein geringes Bildungsniveau, wenig Bewegung, chronischer Stress oder (unbehandelter) Diabetes, Depression, Schädel-Hirn-Traumata, ungesunde Ernährung und Isolation Risikofaktoren für Demenz.“
 
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Die Pflege sozialer Kontakte: Isolation und Zurückgezogenheit tun unserem Kopf auf Dauer nicht gut. (Foto: Ekaterina Shakharova / Unsplash)
 

Vorbeugung

 
Es gebe zwar keine Strategie, mit der man ausschließen könne, an Demenz zu erkranken, aber es gebe präventive Möglichkeiten, das eigene Gehirn möglichst lange möglichst fit zu halten. Dazu zählen regelmäßige Bewegung, Nichtrauchen, eine gesunde Ernährung, Gehirntraining, das Behandeln von Bluthochdruck, Diabetes, hohem Cholesterin und Depressionen sowie die Pflege sozialer Kontakte.
 

Die „Welt“ von Demenzkranken

 
Demenz ist eine große Herausforderung für das gesamte Familiensystem: „Ein Mensch, den man immer schon kannte, wird durch die Demenz zu einem anderen Menschen. Eine Person mit Demenz zu begleiten, ist oft schlicht und einfach herzzerreißend. Sofern Unterstützung da ist, kann es aber gelingen, diese letzte Lebensphase mit all ihren Abgründen und Traurigkeiten gemeinsam gut zu meistern und immer wieder Augenblicke der Leichtigkeit, der Zuversicht und des Humors zu finden“, sagt Plagg. Das alles alleine zu bewältigen, sei nicht ohne: „Es kann unglaublich überfordernd sein, wenn sich eine Person so sehr verändert und wenn für diese Person alle unsere ,sozialen’ Richtwerte nicht mehr gelten – zum Beispiel, wenn die ansonsten immer so adrett gekleidete Lehrerin im Pyjama an der Kreuzung steht oder der ehemalige Professor zurück ,nach Hause’ möchte, obwohl er doch bereits in seiner Wohnung ist.“ Was nicht funktioniere, sei Menschen mit Demenz sachlich davon zu überzeugen, dass sie falsch liegen und ihnen unsere Welt zu erklären. Das Einzige, was dazu beitragen könne, eine Situation ein bisschen zu entlasten und in eine wertschätzende Interaktion zu treten, ist, sich auf die ,Welt’ der Person mit Demenz einzulassen.
 
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Umgang mit Demenzkranken: Eine wertschätzende Interaktion sei hilfreicher als urteilende Kommentare. (Foto: Matthias Zomer / Pexels)
 
„Die Demenz verlangt uns ab, das Menschsein anhand neuer Maßstäbe zu bewerten und nur die jeweilige Situation und Interaktion zu leben: Das, was war, ist weg. Und damit alles, was wir normalerweise als, Koordinatensystem’ im Umgang mit anderen haben. Das ist schwierig, das ist traurig, das macht oft mutlos“, sagt Plagg. „Aber es ermöglicht auch neue Sichtweisen auf das Menschsein, frei von Kategorien, wie z.B. beruflichen Zuordnungen und Beziehungsebenen. Demenz zwingt dich, auf tieferliegende, emotionale Anlagen auszuweichen, in denen das unmittelbare Gefühl des Moments mehr zählt als die Frage, wer dieser Mensch in der Summe seiner biographischen Eckpunkte ist“, so die Wissenschaftlerin, die über eine Begegnung mit einer Demenzpatientin am Klinikum München berichtet: „Wir hatten dort eine Patientin, die 40 Jahre lang glücklich verheiratet war und deren Mann sie regelmäßig besuchen kam. Nachdem er sich eines Tages liebevoll von ihr verabschiedet hatte, fragte sie mich: Wie heißt dieser Herr eigentlich, weil ich mag ihn sehr.‘ Das war zugleich wahnsinnig traurig, aber auch tröstlich – denn zog man die Krankheit und die Last der in ihrem Kopf verlorenen Vergangenheit ab, blieb das reine Gefühl der situativen Zuneigung und Liebe.“
 
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Herta Abram Gio, 09/21/2023 - 11:52

Mein Vater ist mit 62 Jahren, nach Jahren mit Alzheimer, verstorben.
Lange Zeit, vor der Diagnose Alzheimer, bemerkten wir ( -ich und meine Mutter) wie sehr er sich in seiner Persönlichkeit, Verhalten und körperlichen Beweglichkeit verändert....

Schlimm und unendlich traurig, für mich als Tochter, war auch zu erleben, wie die Krankheit, aus meinem liebevollen, starken Vater- "meinem sicheren Hafen", einen hilflosen, abhängigen, unselbstständigen Menschen gemacht hat.
Damals gab es noch kein (grosses) Unterstützungsnetz für Angehörige- nicht praktisch, nicht psychologisch.
Wenn ich zurückdenke, hätte uns das sehr geholfen - in allem.

Gio, 09/21/2023 - 11:52 Collegamento permanente