Società | Rai Südtirol

Der abgelehnte Film

Landeshauptmann Arno Kompatscher hält eine Laudation zum 75. Geburtstag von Leopold Steurer, aber RAI-Koordinator Markus Perwanger lehnt einen Film über den Historiker ab
Poldi Leopold Steurer
Foto: Salto.bz
Es war eine lange Meldung in den Nachrichten am Sonntag und auch ein Artikel auf der Nachrichtenseite von „RAI Südtirol“. Unter dem Titel „Glückwünsche für streitbaren Historiker“ steht dort zu lesen:
 
„Der umstrittene Historiker Leopold Steurer wurde im Bozner Filmclub mit einem Film gefeiert, im Publikum: Landeshauptmann Arno Kompatscher.
Zu seinem 75. Geburtstages ist der Historiker Leopold Steurer im Bozner Filmclub gefeiert worden. Dabei wurde ein Dokumentarfilm über den umstrittenen und mitunter angefeindeten Geschichtswissenschaftler aus Sterzing gezeigt. Im Film von Karl Prossliner kommen Historiker und Journalisten zu Wort - unter ihnen Hans Heiss, Martha Verdorfer, Carlo Romeo und Christoph Franceschini. Sie würdigen Steurer als begeisternden Lehrer, mutigen Historiker und als Brückenbauer zwischen den Sprachgruppen.
 
 
 
Im Publikum waren zahlreiche Gäste aus Wissenschaft, Schule und Politik. Landeshauptmann Arno Kompatscher, der von Steurer in Geschichte und Philosophie in der Oberschule unterrichtet wurde, gratulierte persönlich. Er sei dankbar dafür, mit Steurer einen streitbaren Historiker im Lande zu haben, der immer wieder den Mut gehabt habe, Tabus in Frage zu stellen, betonte Kompatscher. Steurer habe sich trotz Widerstands und Angriffen nicht verbiegen lassen. Es gehe nicht ums Recht haben, sondern darum, zu seinen Überzeugungen zu stehen. Eine offizielle Auszeichnung des Landes hat Leopold Steurer bisher allerdings noch nicht erhalten, wie Historiker-Kollege Günther Pallaver bei der Feier anmerkte.“
 
Es eine treffende Zusammenfassung der Überraschungsfeier, die am Samstag im Bozner Filmclub über die Bühne gegangen ist.
 

Perwangers Nein

 
Schaut man sich allerdings diese Meldung genauer an, so wird klar, dass am Bozner Mazziniplatz die linke Hand anscheinend nicht weiß, was die rechte tut. Auch weil Redaktion und Programmabteilung streng getrennt sind, scheinen der Schizophrenie innerhalb von RAI-Südtirol keine Grenzen gesetzt zu sein.
Im Bozner Filmclub wurde der Film von Karl Prossliner uraufgeführt. Der Meraner Filmemacher und Claus-Gatterer-Preisträger hat ein wunderschönes, sanftes filmisches Porträt über Leopold Steurer gezeichnet.
 
 
 
Es ist ein Film, der aber weit über die Person Steuers hinausgeht. Das Steurer-Porträt ist auch ein Film über die Vergangenheitsbewältigung in diesem Land. So werden historische Archivaufnahmen von Josef Rampold, Friedl Volgger und Reinhold Messner aus dem Jahr 1981 gezeigt. Damals gingen nach dem Messner-Sager „Die Optanten haben die Heimat verraten“ die Wogen in Südtirol hoch. Zu Wort kommt auch der Vater der Südtiroler Zeitgeschichte und Steurers Lehrmeister und Freund Claus Gatterer.
Karl Prossliner hat den Film mit Eigenmittel finanziert und produziert. Er wollte ihn - wie eigentlich üblich - RAI Südtirol zur Ausstrahlung überlassen. Doch Markus Perwanger hat den Film so wie er gemacht und am Samstag gezeigt wurde, abgelehnt.
Der Koordinator hat nach einer Sichtung - nach Informationen von Salto.bz - über ein Dutzend Änderungswünsche angebracht. Dabei geht es nicht nur um Formalitäten, sondern der Athesia-Bestseller-Autor (Luis Durnwalder: Momente meines Lebens) hat auch eine ganze Reihe inhaltlicher Änderungen gefordert. So hat Perwanger gewissen Interview-Partner im Film beanstandet und offen deren Entfernung gefordert. Unter anderem die Aussagen des Autors dieser Zeilen. Weil für Karl Prossliner diese Art der Zensur nicht in Frage kommt, soll der Film auf RAI Südtirol nicht gezeigt werden.
 
 
Dieser Fall ist nur die letzte Episode einer langen Ära ähnlicher Vorfälle. Markus Perwanger führt RAI Südtirol seit über einem Jahrzehnt eher nach persönlichen Befindlichkeiten und Animositäten als nach objektiv, nachvollziehbaren Kriterien. Dutzende Filmemacherinnen und Filmemacher müssen deshalb seit Jahren die Launen des Intendanten über sich ergehen lassen.
Dabei steht der Athesia-Mann einem öffentlich-rechtlichem Sender vor, der allein vom Land jährlich mit 20 Millionen Euro Steuergeldern finanziert wird. Ein Grundanliegen der Medienpolitik des Landes ist die Förderung des Pluralismus.
Doch bei Perwangers Zensur schauen Regierung und auch die Opposition seit Jahren einfach weg.