Società | Migration

"Der Zaun"

Der Südtiroler Dietmar Telser, Redakteur bei der Koblenzer Rhein-Zeitung, hat das Thema Flucht in einer Multimedia-Reportage von den Außengrenzen Europas dokumentiert.

2014: was wird von diesem Jahr übrigbleiben, was waren kurzfristige Jahresthemen, was nehmen wir mit ins kommende 2015er Jahr oder darüberhinaus? Das Thema Flucht, Migration und Vertreibung hat 2014 einen neuen Negativrekord erreicht, noch nie gab es soviele Hilfesuchende die aus Afrika, dem Nahen Osten oder Asien nach Europa wollten und noch nie gab es so viele, die dabei ihr Leben verloren. Allein im ersten Halbjahr 2014 suchten 230.000 Menschen um Asyl in Europa an und laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen dabei 3.000 allein im Mittelmeer um. 

Der Gerichtsmediziner Francesco Coco geht an Bord, beugt sich über die Toten und verschwindet dann hinter einem Sichtschutz. An Land werden die Sargdeckel verschraubt. Und wieder wird gewartet. Das Banner mit dem Schiffsnamen an der Gangway muss neu drapiert werden, damit es auch in den Abendnachrichten zu sehen ist. Italien will, dass die Welt sieht, was seine Marine in diesem Sommer leistet. Dann erst werden die Leichen in Särgen von Bord geholt.

Der Südtiroler Journalist Dietmar Telser, der als Politikredakteur bei der Rhein-Zeitung arbeitet, hat sich mit dem Fotografen Benjamin Stöß auf den Weg gemacht und ist an die Brennpunkte der Flüchtlingsproblematik gefahren, nach Melilla in Spanien, dem Stadtviertel Aksaray in Istanbul, Augusta auf Sizilien, nach Tunesien, Griechenland und Bulgarien. Von dort haben die beiden Reporter Geschichten mitgebracht, die im Nachrichtenalltag untergehen, sie haben Interviews geführt, die Geschichten notiert, fotografiert und gefilmt.

Tchirpanliev, 57 Jahre alt, hemdsärmelig und jovial, einer der nie zu lange nachdenkt, bevor er spricht, leitet seit Oktober 2013 die staatliche Flüchtlingsagentur Bulgariens. Flüchtlinge, die die EU-Außengrenze überwunden haben, werden in der Regel mit seiner Behörde konfrontiert: Registrierung, Unterkünfte, Asylanträge – für all das ist sein Amt zuständig. Seine Behörde ist oft die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der EU. Und sie ist, so finden viele, kein besonders ehrenwertes Aushängeschild für Europa.

Daraus entstand die Multimediareportage "Der Zaun", eine mit Text, Bild, Audio und Video aufwändig konstruierte Geschichte über den dramatischen Flüchtlingsalltag, der sich an den Außengrenzen der "Festung Europa" abspielt. Drei Monate lang waren Telser und Stöß unterwegs, haben ihre Reportage mit Daten und Fakten unterlegt, über Infografiken trockene Statistiken veranschaulicht. 360-Grad-Geschichten um Vorder- und Hintergründe zu einem Thema, das uns alle vor die Herausforderungen stellt, wie wir mit dem Flüchtlingsthema umgehen.