Politica | Koalition

Familienausflug ins Blaue

Schutz der traditionellen Familie, gegen die Frauenquote und ein Verbot von Gendern. Exklusiv: Die Forderungen der Freiheitlichen in den Koalitionsverhandlungen.
Freiheitliche
Foto: Seehauserfoto
  • Man kann reden mit wem man will. Alle die an einem der Arbeitstische der laufenden Koalitionsverhandlungen sitzen, sagen dasselbe: „Die Fratelli sind recht zahm, aber die Freiheitlichen legen so los als wären sie die Sieger der Landtagswahlen“. Ulli Mair, Roland Stauder, Pius Leitner und die Burschenschafter-Fraktion Florian von Ach und Otto Mahlknecht (erster Angehöriger und Sympathisant einer Burschenschaft und zweiter Anwalt der "Deutschen Burschenschaft") breiten in den Verhandlungen ein Weltbild aus, das manchem in der SVP bitter aufstößt. „Die Forderungen und Wertvorstellungen, die man teilweise vorbringt“, sagte ein Mitglied des SVP-Verhandlungsteams, „sind zum Davonlaufen“. 
    Dieses harte Urteil wird verständlich, wenn man sich anschaut, was die Südtiroler Blauen, ernsthaft am Koalitionstisch vorgelegt haben. SALTO wurde der blaue Forderungskatalog zugespielt, der deutlich macht, welches rechtskonservative Weltbild damit in der neuen Landesregierung Einzug hält.

  • Bekenntnis zur traditionellen Familie

    Es sind vor allem drei Bereiche in denen Ulli Mair & Co. der ideologischen Handschrift ihrer Mutterpartei im Vaterland folgen: Familie, Frauenquote und Gender.
    Zur Familie heißt es in dem von den Freiheitlichen vorgebrachten Forderungskatalog:

    „Die Landesregierung bekennt sich zur traditionellen Familie bestehend aus Mutter, Vater und Kindern. Die traditionelle Familie wird gegenüber davon abweichenden Modellen im Sinne der Verfassung besonders gefördert. Die Familie und das christlich-abendländische Werteverständnis sind die Säulen unserer Gesellschaft. Intakte Familien sind das Fundament einer starken Gesellschaft. Die Ehe zwischen Mann und Frau darf nicht durch andere Formen des Zusammenlebens geschwächt werden. 
    Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft verdient den besonderen Schutz durch Staat, Land und Institutionen. Elternpaare oder Alleinerziehende tragen die Verantwortung für die Erziehung und Entwicklung ihrer Kinder, den Bildungsauftrag haben Staat und Land.“

     

    „Die Ehe zwischen Mann und Frau darf nicht durch andere Formen des Zusammenlebens geschwächt werden.“

  • Der blaue Forderungskatalog (Ausschnitt): Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Foto: SALTO
  • Gegen den Geschlechterkampf

    RAI-Südtirol: Freiheitliche wollen Gendern verbieten. Foto: Hannes Prousch

    Dass Ulli Mair und ihre Partei gegen die Frauenquote sind, dürfte keine Neuigkeit sein. Die freiheitliche Verhandlungsführerin tritt seit Jahren offen gegen eine geschlechterbezogene Quotenregelung auf. Im blauen Forderungskatalog wird dieser Punkt so zusammengefasst:

    „Gegen Geschlechterkampf. Männer und Frauen sollen einander ergänzen. Nicht das Geschlecht ist ausschlaggebend, sondern die Eignung, wer welche Funktionen oder welches Amt bekleidet. Gleiche Rechte und gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit und Leistung für Mann und Frau müssen eine Selbstverständlichkeit sein.“

     

    „Gendern an Schulen, in öffentlichen Ämtern und beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht gestattet.“

  • Besonders skurril wird es aber bei der Sprache. So steht im Forderungskatalog der Südtiroler Freiheitlichen auch ein Satz, der deutlich macht welche autoritäre Staats- bzw. Landesauffassung die Südtiroler Freiheitlichen vertreten.

    Gendern an Schulen, in öffentlichen Ämtern und beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist nicht gestattet.“

    Man kann die Verwendung der gendergerechten Sprache durchaus kritisch sehen. Die Tatsache, dass eine Partei aber ernsthaft ein Verbot fordert, muss jeden Demokraten und jede Demokratin aber zumindest nachdenklich stimmen.
    In der Südtiroler Schule und am Sitz von RAI Südtirol am Bozner Mazziniplatz wird man sich für die nächsten fünf Jahren auf jeden Fall warm anziehen müssen.

  • Blaue Soziallehre

    Designierte Landesrätin Ulli Mair: Konzept gegen den "Sozialtourismus". Foto: Seehauserfoto

    Auch zum Thema „Soziales“ haben die Südtiroler Freiheitlichen einen langen Forderungskatalog vorgelegt. Darin wird ein allgemeiner Grundsatz vorangestellt:

    fordern v o r fördern und Hilfe zur Selbsthilfe“.

    Im blauen Forderungskatalog sind dabei folgende Punkte enthalten:

    • Die Aufstockung der Mindestrenten durch Mittel aus dem Landeshaushalt auf insgesamt 1.000 Euro pro Monat;
    • Ausbau der Zuständigkeiten für Zusatzkollektivverträge;
    • Stufenweise Abschaffung des regionalen IRPEF-Zuschlages;
    • Senkung der Benzin- und Dieselpreise.
  • Ein eigenes Kapitel ist dabei auch der „Integration von Zuwanderern, zumal aus kulturfremden Ländern“ gewidmet.
    Die Freiheitlichen wollen auch hier zwei Grundprinzipien festschreiben:

    • Gutscheinsystem statt Beitragssystem
    • Herkunftsprinzip bei Sozialleistungen.

     

    In dem vorgelegten Forderungskatalog heißt es dazu:

    „Gerade in diesem Bereich sind soziale Maßnahmen so auszurichten, dass sie der Integration nützen, Parallelgesellschaften verhindern und keinen „Sozialtourismus“ fördern. Gutscheinsystem statt Beitragssystem für Sozialleistungen. Für Personen mit ungeklärtem Aufenthaltsstatus werden grundsätzlich Sachleistungen statt Geldleistungen gegeben. Die erforderliche Ansässigkeitsdauer für Sozialleistungen ist auf das höchstzulässige Maß festzulegen. Herkunftsprinzip bei Sozialleistungen. Sozialleistungen des Landes sollen an Nicht-EU-Ausländer ausschließlich nach dem Herkunftsprinzip (nach der Höhe der Sozialleistungen im Herkunftsland) ausbezahlt werden, sofern nicht grundsätzlich das Gutscheinsystem zur Anwendung kommt.“

  • Sozialer Wohnbau: Ansässigkeitspflicht für Ausländer verdoppeln. Foto: SALTO
  • Das blaue Konzept des „Sozialtourismus“ findet auch Einzug in den Forderungskatalog zum sozialen Wohnbau. Dort fordern Ulli Mair & Co. eine Änderung der Ansässigkeitspflicht.

    „Der Staat schreibt derzeit eine zehnjährige Ansässigkeitspflicht als Voraussetzung für die Zuweisung einer Sozialwohnung vor, in Südtirol reichen hingegen fünf Jahre. Eine Anpassung der Ansässigkeitshürde ist notwendig, nicht zuletzt auch deshalb, um kein Magnet für „Sozialtourismus“ zu sein.“

    Nach Informationen von SALTO ist es den Verhandlern der SVP gelungen, einige dieser Forderungen abzuschwächen. 
    Man darf aber gespannt sein, was am Ende davon wirklich in der Präambel und im eigentlichen Koalitionsprogramm stehen wird.