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Blick ins barbarische Bozen

Die Südtiroler Landeshauptstadt und ihre"Barbaren" im Zentrum einer Reportage von Autor und Blogger Wolf Bukowski auf Internazionale.

Bolzano e Barbarie”, so der Titel einer Reportage, die am Samstag, 20. Februar auf der Webseite von Internazionale erschienen ist. Verfasser des Beitrags ist Wolf Bukowski, Autor und Gast-Blogger von Wu Ming, einem italienischen Schriftstellerkollektiv. Es geht um Bozen, seine Geschichte und Gegenwart, um Italianisierung und Zivilisierung, damals wie heute.  

(…) i monumenti all’italianità di Bolzano, presto, saranno due. Il primo, il Monumento alla Vittoria (Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua, legibus, artibus). Il secondo, in posizione topograficamente opposta rispetto al centro cittadino, l’Eataly del Kaufhaus, perla dell’ostrica benkiana e veicolo dell’italianità gastronomica (…)

Bukowski lässt den Chronisten Mario Bassi erzählen, der 1928 für einen Besuch in Bozen weilt: Am 12. Juli jenes Jahres findet die Eröffnung des Siegesdenkmals statt. Anlässlich dieses Ereignisses äußert Bassi seine Überlegungen zur Inschrift, die das Monument trägt:

Sul fastigio della fronte del tempio la Vittoria alata, scolpita dal Dazzi, tende l’arco verso il confine delle Alpi e sotto è la scritta: ‘Hic patriae fines siste signa. Hinc ceteros excoluimus lingua, legibus, artibus’ [Qui abbiamo posto il confine della patria. Da qui educammo gli altri nella lingua, le leggi, le arti]. Forse meglio che ‘Ceteros’ [altri] avremmo voluto leggere ‘Barbaros’, che sarebbe stato tanto più latino, anzi più romano. Ma si è voluto essere cortesi, con quelli di là. Anche questa cortesia italiana è antica e nuova.
(Mario Bassi)

Von diesen Zeilen aus jener Zeit ausgehend, stellt sich der Autor 88 Jahre später die Frage: Gibt es sie immer noch, “die Barbaren”? Und wenn ja, wer sind sie? Damals, so viel steht für Bukowski fest, “'i barbari', [erano] gli austriaci, naturalmente. E per logica conseguenza barbari [erano] anche quelli rimasti di qua dal confine, i cittadini italiani di lingua tedesca”. Und heute? “Sono, come sempre, quelli ridotti a barbaro dallo sguardo di chi pretende di essere più civilizzato di loro”, die Antwort, die er sich selbst gibt. Auch in Bozen ist Bukowski auf dieses Phänomen gestoßen: Er berichtet von den Kontrollen der trilateralen Patrouillen in den Zügen im Frühjahr 2015. Personen, die nach außen hin den Anschein machten, (illegale) Migranten zu sein, wurden häufig allein aufgrund ihrer Hautfarbe kontrolliert. “Italia, Austria e Germania, che fanno parte da più di mezzo secolo del Consiglio d’Europa, praticano quindi il racial profiling, ma ciò non è neppure oggetto di dibattito politico”, so die Beobachtung Bukowskis.

Von den Bahngleisen des Bozner Bahnhofs wandert der Autor enige Schritte weiter in den Bahnhofspark, und wird ein zweites Mal fündig: “Luogo di ritrovo di altri barbari, questo modesto parco pubblico è al centro di ogni discorso antidegrado, qui a Bolzano”. “Degrado”, ein Wort, das aus dem politischem und medialen Diskurs auch in Bozen nicht mehr wegzudenken ist, wie Bukowski anhand mehrerer Beispiele zeigt. In diesem anscheinend hoffnungslosen Zustand erscheint René Benko mit seinem Kaufhaus wie der Retter aus der (gefühlten) Not.

Alla denuncia e agli articoli di giornale non seguono risposte ma l’appello a Benko.

Der österreichische Investor verspricht nicht nur mehr Einkaufsvergnügen, sondern, Aufschwung für ein ganzes Viertel, Lebensqualität, sprich, ein “neues Bozen – sicher und schön” (aus der Broschüre “Aufschwung für Bozen” vom Jänner 2016) gleich mit. Die Stadt wird dem Kapital überlassen, so die Interpretation von Bukowski, die Politik hat es auch mit der Abstimmung am 23. Juli 2015 nicht geschafft, die Herrschaft über die Stadt wieder an sich zu reißen. Bukowski schildert, welche Folgen die damals vom Gemeinderat beschlossene Versenkung des ‘Benko-Projekts’ hatte. Die Nacherzählung reicht bis zum heutigen Tag, wo Kommissär Michele Penta am Zug ist. Und Bozen ein weiteres “Bauwerk der italianità” bekommen könnte: die Eataly-Filiale – “perla dell’ostrica benkiana e veicolo dell’italianità gastronomica” –, die im Kaufhausprojekt vorgesehen ist.

Tutto bene, dunque? L’italianità si è fatta morbida, flessuosa, seducente? Non aspira più alla crudele educazione dei barbari? Tutt’altro: ogni narrazione nazionale, anche la più apparentemente innocua, ha bisogno dei suoi barbari. E di barbari di questa nuova italianità ne abbiamo incontrato un buon campionario, a Bolzano.