Società | Obdachlosigkeit

Crowdfunding gestartet

Der Verein housing first bozen baut im Spätsommer sein Nachtquartier in der Rittnerstraße um. So soll würdevoller Wohnraum für langjährig Obdachlose geschaffen werden.
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Foto: Salto.bz
Das Nachtquartier dormizil wird ab dem Spätsommer 2023 umgebaut, um neun kleine Wohnungen für langjährig obdachlose Menschen zu schaffen. Außerdem sollen im Dachgeschoss des Hauses, das sich in der Rittnerstraße 25 in der Nähe des Zug- und Busbahnhofs von Bozen befindet, bis zu fünf Personen vorübergehend einen Notschlafplatz finden. Im Tiefparterre ist ein Dusch- und Waschraum vorgesehen. Das bereits seit langem geplante Projekt des Vereins „housing first bozen EO“ wird damit Wirklichkeit, die Baukosten betragen rund 1,3 Millionen Euro. Finanziert werden soll der Umbau gänzlich mit Spenden, gemeinsam mit der Raiffeisen Landesbank Südtirol AG wurde nun eine Crowdfunding-Kampagne gestartet.
Der 2020 gegründete Verein will Wohnungs- und Obdachlosigkeit in der Landeshauptstadt nachhaltig bekämpfen, neue Lösungsansätze nach Südtirol bringen und die Gesellschaft zu diesem herausfordernden Thema sensibilisieren. Es überrascht deshalb nicht, dass bei der Pressekonferenz zur Vorstellung des Bauvorhabens Flyer und inszenierte Schlafstätte in pinker Farbe gehalten sind – frech und hoffnungsfroh.
 
 

Das Nachtquartier

 
Bereits seit zwei Jahren bietet der Verein mit dem dormizil 25 Menschen ohne Dach über dem Kopf ein warmes Bett im kalten Winter. Das Haus wird heuer bis Ostern geöffnet sein, da ab dem Spätsommer Bauarbeiten anstehen, ist der Verein auf der Suche nach einer alternativen Räumlichkeit für den nächsten Winter.
Die mehr als 100 Freiwilligen des dormizil erleben täglich, dass Frauen und Männer an die Tür des Nachtquartiers klopfen und um einen vorübergehenden Schlafplatz bitten. Die Vereinsmitglieder Magdalena Amonn, Paul Tschigg, Christian Anderlan und Sigrid Bracchetti erklären, wer die Gäste des Hauses sind: „Da sind Frauen aus Osteuropa, die als Badante Dienst getan haben, deren Betreute plötzlich sterben und die Pflegepersonen sind von einem Tag auf den anderen ohne Schlafplatz. Da sind Männer, die aufgrund von Trennung oder Scheidung die gemeinsame Wohnung verlassen müssen und auf der Straße stehen.“ Aber auch der Verlust des Arbeitsplatzes, die Entlassung aus dem Krankenhaus oder dem Gefängnis, Gewaltsituationen, Flucht aus dem Herkunftsland oder Drogensucht können der Grund für Wohnungs- oder Obdachlosigkeit sein.
 
 
„Die Situationen sind vielfältig, der Bedarf nach Schutz, Sicherheit und einem warmen Bett ist in Bozen groß. Wenn Menschen auf der Straße landen und dort überleben müssen, wird es schwierig für sie, in die Mitte der Gesellschaft zurückzukommen. Umso wichtiger sind Übergangsschlafplätze“, teilt der Verein mit.
 

Housing First

 
Da es manche Menschen nicht schaffen, ihre Lebenssituation grundlegend zu ändern und daher obdachlos bleiben würden, geht das Konzept von Housing First einen neuen Weg: Am Anfang steht die eigene Wohnung, in der die Menschen bleiben können. Dort eingezogen, können sie ihre Probleme der Reihe nach angehen, beispielsweise Sucht oder psychische Erkrankungen. Der Vertrag gilt bedingungslos. Nun soll das Konzept von Housing First mit dem Umbau des Nachtquartiers auch in Bozen Fuß fassen.
Wenn die Menschen über ein Einkommen verfügen, wird ein kleiner Beitrag für die Wohnung eingefordert werden. „Haben sie eine Wohnung, können sie auch eine Wohnsitzerklärung abgeben und erhalten damit das Recht auf Sozialleistungen“, erklärt Paul Tschigg. „Unser Ziel ist es, sie in ein selbstständiges Leben zu begleiten und ihnen würdevoll zu begegnen.“ Die Notschlafplätze sind und bleiben kostenlos.
 

Mit gemeinsamen Kräften

 
Wie wichtig die Unterstützung für obdach- und wohnungslose Menschen ist, zeigt die diesjährige Bilanz des Nachtquartiers: „Die Freiwilligen unterstützen die Bewohner*innen auch bei der Arbeitssuche. Das hat dieses Jahr wirklich gut geklappt, die meisten von ihnen haben etwa in der Gastronomie oder im Handwerk eine Arbeit gefunden“, so Christian Anderlan.  
Unterstützt werden kann der Umbau des dormizil auch mit verschiedenen Spendenpaketen: Ein verbauter dormizil-Ziegel kostet 30 Euro, ein verbauter dormizil-Quadratmeter 1.500 Euro, eine von neun Wohnungseinrichtungen 12.000 Euro, eine Wohnung 95.000 Euro und eines von fünf Notschlafstätten samt dem dazugehörigen Umbau 25.000 Euro. Südtirols Bevölkerung ist ab sofort eingeladen, sich mit (auch kleinen) Spenden einzubringen, um bis Ostern das Ziel von 25.000 Euro zu erreichen und ein Notschlafbett im dormizil zu finanzieren. Am heutigen Aschermittwoch startet die Crowdfundig-Kampagne.
 

 
Im von Julia Inderst, Majda Brecelj und Moritz Holzinger gedrehten Film zur Kampagne sprechen Gäste und Freiwillige des dormizil. Die Crowdfunding-Plattform wird von Ethical Banking der Raiffeisenkasse Bozen betreut. „Es braucht die Sensibilität der Bevölkerung, dass Obdachlosigkeit jede und jeden treffen kann und dass viele Menschen beitragen, um Menschen in schwierigen Situationen ein Leben in Würde und Schutz zu ermöglichen“, erklärt der Leiter von Ethical Banking, Roland Furgler.
 
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Martin Ancient Gio, 02/23/2023 - 21:16

Eine schöne Initiative, meine Anerkennung dazu. Dass Raiffeisen mit an Bord ist, freut mich um so mehr, als dass man dort leider nur allzu oft vergisst, welche Werte genossenschaftliches Handeln tatsächlich hochhalten sollte.

Gio, 02/23/2023 - 21:16 Collegamento permanente