Società | Maskenaffäre
Nordkoreanische Verhältnisse
Foto: upi
Der Mediziner traut seinen Augen immer noch nicht. „Ich habe mir gedacht, das muss ein Fehler sein“, sagt der Mann, der seit Jahrzehnten im Südtiroler Sanitätsbetrieb arbeitet. Ungläubig schaut er auf das Schreiben vor sich.
Dort heißt es: „Nachdem Sie mit dem Thema der persönlichen Schutzausrüstung und der diesbezüglichen Beschaffung in dieser Krisenzeit nicht konfrontiert waren, kann ich Sie auch nicht ermächtigen, in der Arbeitszeit an der Anhörung teilzunehmen.“
Unterzeichnet: „Mit freundlichen Grüßen, Florian Zerzer, Generaldirektor - Südtiroler Sanitätsbetrieb“.
Dass der Arzt an einen Fehler denkt, liegt auch an seiner Funktion. Er ist als leitender Notfallmediziner in einem Südtiroler Krankenhaus tätig und in die Bezirks- und Landesgremien eingebunden. Seit Monaten gehört der Umgang mit der persönlichen Schutzausrüstung zu seinem täglichen Alltag. „Ich kann mich nur mehr wundern“, sagt er zu Salto.bz.
Der Arzt ist nicht der Einzige, der empört ist. Denn die Nichtermächtigung wurde vor zwei Tagen zeitgleich mehreren Dutzend Bediensteten des Südtiroler Sanitätsbetriebes zugestellt.
Das Schreiben ist ein Skandal im Skandal.
Es ist ein amtlicher Maulkorb und der klare Versuch der Spitze des Südtiroler Sanitätsbetriebes die eigenen Mitarbeiter von der Anhörung vor einem institutionellen Untersuchungsausschuss abspenstig zu machen. „Ich sehe das als klare Einschüchterung“, sagt ein anderer Sanitätsbediensteter, der ebenfalls diese Mail bekommen hat.
„Ich sehe das als klare Einschüchterung“Ein Bediensteter
Der Schachzug von Florian Zerzer erinnert notgedrungen an die Vorgangsweisen in totalitären Systemen. Vor allem wenn man die Vorgeschichte kennt.
Die Einladung
Der Hahnenkampf in und um den Maskenuntersuchungsausschuss des Landtages ist hinlänglich bekannt. Vor zwei Wochen konnten sich Opposition und Mehrheit auf eine gemeinsame Vorgangsweise einigen.
In der Sitzung vom 10. Juli 2020 wurde von den Kommissionsmitgliedern beschlossen, alle Personen, die zur Anhörung vor dem Ausschuss eingeplant werden sollen, anzuschreiben und diese zu ersuchen, ihre Bereitschaft an der Anhörung teilzunehmen, dem Ausschuss mitzuteilen.
Einige Tage später verschickte Kommissionspräsident Franz Ploner ein Schreiben an alle jene, die auf der längst genehmigten Anhörungsliste stehen, mit der Bitte bis zum 27. Juli 2020 dem Sekretariat des Ausschusses ihre Entscheidung mitzuteilen.
In dem Schreiben heißt es:
„Sollten wir bis zum 27. Juli von Ihnen keine Rückmeldung bekommen, dann gehen wir davon aus, dass Sie zur Anhörung vor dem Untersuchungsausschusses erscheinen werden und wir die Terminplanung vornehmen können. Den Anhörungstermin werden wir Ihnen frühzeitig mitteilen.
Abschließend möchte ich mich bei Ihnen im Namen aller Kommissionsmitglieder recht herzlich für Ihre Bereitschaft zur Anhörung bedanken! Es ist keinesfalls selbstverständlich, unter diesen "besonderen" Umständen neben den alltäglichen Belastungen zur Anhörung vor dem UA zu erscheinen. Dafür gebührt Ihnen unser großer Dank!“
Die Liste
Am 17. Juli trudelte bei Kommissionspräsident Franz Ploner ein Schreiben von Florian Zerzer ein, das gleichzeitig auch zur Kenntnis an den Gesundheitslandesrat Thomas Widmann geht.
Der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes:
„Sehr geehrter Herr Vorsitzender des Untersuchungsausschusses Dr. Ploner,
so wie der Unterfertigte haben auch andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Südtiroler Sanitätsbetriebes das Informationsschreiben zur Anhörung im Untersuchungsausschuss erhalten, mit dem Ersuchen dem Untersuchungsausschuss mitzuteilen, ob sie bereit sind, an der Anhörung teilzunehmen.
Damit die Betriebsdirektion des Südtiroler Sanitätsbetriebes den angeschriebenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entsprechende Informationen (z.B. ob die Teilnahme an der Anhörung innerhalb oder außerhalb der Arbeitszeit erfolgt, ob dies als Außendienst bewertet wird, usw.) zukommen lassen kann, ersuche ich Sie uns eine entsprechende Liste zu übermitteln, wer vonseiten des Untersuchungsausschusses von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Südtiroler Sanitätsbetriebes das genannte Schreiben erhalten hat.
Auf Ihr Entgegenkommen bauend, verbleibe ich mit freundlichen Grüßen
Der Generaldirektor Dr. Florian Zerzer“.
Kurze Zeit später übermittelt das Ausschusssekretariat Zerzer die vollständige Liste der anzuhörenden Sanitätsmitarbeiter und – mitarbeiterinnen. Nach Informationen von Salto.bz sollen darauf über 40 Namen stehen.
Der Maulkorb
Fast alle, die auf dieser Liste stehen, erhielten am späten Nachmittag des 21. Juli 2020 dann eine Mail von Florian Zerzer.
In dem Schreiben heißt es:
„Sie haben ein Informationsschreiben zur Anhörung in der sogenannten „Maskenaffäre“ vom Präsidenten des Untersuchungsausschusses des Landtages, Dr. Franz Ploner, erhalten.
Darin werden Sie aufgefordert bis zum 27.07.2020 mitzuteilen, ob Sie daran teilnehmen werden oder nicht.
Dazu möchte ich Ihnen folgende Informationen geben:
- Der Untersuchungsausschuss ist ein Kontrollinstitut des Landtages.
- Der Untersuchungsausschuss des Landtages ist ein politisches Gremium, kein juridisches und somit geht es hier in erster Linie um Klärungen und Zielsetzungen, die einzelne Parteien festlegen.
- Die Teilnahme ist fakultativ und nicht obligatorisch.
- Der Untersuchungsausschuss macht eine politische Bewertung, ob die Regierung ihrer Verantwortung gerecht geworden ist.
Nachdem Sie mit dem Thema der persönlichen Schutzausrüstung und der diesbezüglichen Beschaffung in dieser Krisenzeit nicht konfrontiert waren, kann ich Sie auch nicht ermächtigen, in der Arbeitszeit an der Anhörung teilzunehmen.
Mit freundlichen Grüßen
Florian Zerzer.“
Was die Sache noch brisanter macht, es handelt sich nicht um ein persönliches Schreiben, sondern um eine Rundmail.
Das geht eindeutig aus der unpersönlichen Anrede hervor. Dort heißt es: „Sehr geehrte Direktorinnen und Direktoren, geschätzte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“.
Demnach dürfte diese Nicht-Ermächtigung auch an die vorgeladenen Abteilungs- und Verwaltungsdirektoren/Innen gegangen sein.
Urlaub für Anhörung
Der Sinn dieses Schreibens ist mehr als klar.
Wer damit vor den Untersuchungsausschuss des Landtages aussagen will, muss Urlaub oder Zeitausgleich beantragen. Es ist ein klares Hindernis für alle jene, die ihrer Bürgerpflicht nachkommen wollen.
Dass der Maulkorb dabei ganz ungeniert ausgerechnet von Florian Zerzer verteilt wird, ist nur mehr das I-Tüpfelchen in diesem Schmierentheater.
Formalrechtlich müssen öffentliche Angestellte ihre Vorgesetzten um Erlaubnis fragen, vor einem Untersuchungsausschuss des Landtages auszusagen. Das Gesetz spricht hier eindeutig vom direkten Vorgesetzten. Dieser ist etwa für einen Mitarbeiter in Meran die dortige Betriebsdirektion.
Doch Florian Zerzer sieht das anscheinend anders.
Obwohl der Generaldirektor von den Untersuchungen des Landtages direkt betroffen ist und Florian Zerzer in Sachen Schutzmaterialien in das Ermittlungsregister der Bozner Staatsanwaltschaft eingetragen ist, maßt sich der Sanitätsgeneral an, persönlich die Ermächtigungen zu verweigern.
Dabei hat anscheinend Zerzer auch nach eigenem Gutdünken entschieden, wen er zur Aussage zulassen will und wen nicht. Denn Einigen aus der Liste wurde – nach gesicherten Informationen von Salto.bz – sehr wohl von Zerzer die Erlaubnis erteilt vor dem Untersuchungsausschuss aufzutreten.
Ermächtigung kommt von Macht. Diese Vorgänge zeigen exemplarisch, wie man Macht missbrauchen kann.
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In risposta a Vor Ihnen würde di Manfred Klotz
Wenn Sie jetzt schon
Wenn Sie jetzt schon Haarspalterei betreiben wollen, beachten Sie bitte, dass ich nicht geschrieben (und auch nicht gemeint) habe, dass Zerzer Ihrer Meinung nach entscheiden soll, wer aussagen *soll*. Sie leiten aber von Zerzers Entscheidung, den einen die Aussage während der Arbeitszeit zu gestatten und den anderen nicht, ab, dass die einen sachdienliche Informationen zu bieten hätten und die anderen nicht. Wenn Sie schon diesen Schluss gezogen haben: Warum sollten denn diese Leute überhaupt aussagen?
Der eigentliche Skandal ist ja (meiner Meinung nach, im Unterschied zur offenbar vorherrschenden Meinung hier) wennschon *nicht*, dass Zerzer einigen Mitarbeiterinnen die Teilnahme am U-Ausschuss während der Arbeitszeit untersagt hat, sondern dass er sie einigen erlaubt und anderen untersagt hat. Wenn er gesagt hätte, dass *niemand* während der Arbeitszeit aussagen darf, wäre das nach meinem Dafürhalten deutlich unproblematischer gewesen.
Mit der Hierarchie in der
Mit der Hierarchie in der Personalverwaltung kenne ich mich zuwenig aus, aber das ist natürlich schon ein Argument und eine weitere Faser des Stricks um Zerzers Hals.
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