Cultura | Salto Afternoon
Rebellen der Euregio

Foto: Privat
Soll heißen: Beim gestrigen Kulturdonnerstag der Euregio im Außenbereich des Waag Café in Bozen stand eine Band auf der Bühne, die harmoniert und Freundescharakter hat, nicht nur weil man sich vor und nach dem Konzert schwitzige Arme über die Schulter legt. Man findet gut zueinander, vom ersten bei John Williams entlehnten Versatzstück fürs Saxophon (Lorenzo Sighel), zu welchem sich der E-Bass (Marco Stagni) und die Drums (Max Plattner) herantasten, man gibt dem gesetzten Klang-Zitat eine triumphale Intonation und steigert sich in der Intensität, so dass es bis die Musiker ihre Lautstärke gefunden haben, nahe an den Boxen recht laut wird.
Die restlos reservierten Sitze der Bar auf denen auch ein leicht verspäteter Landeshauptmann Platz findet bieten leider nicht allen Platz. Im zweiten Song gleich ein Instrumentenwechsel zum für den Abend vorherrschenden, gezupften Kontrabass und am Schlagzeug zu Jazzbesen für die Eigenkomposition „Neuschnee“. Man beginnt gemächlich und schaukelt dich hoch, zuerst abermals im Saxophon, welches an diesem Abend vielfach die Führungsrolle einnahm und mehr Richtung Band als zum Publikum spielte. Kurz erreicht es eine Tonsprache die man als Kreischend bezeichnen kann, dann lässt man den Ohren genug Zeit zur Erholung und öffnet einen Raum für Schlagzeug und Bass Dialoge und Solopassagen, die sich ausdehnen, aber nicht bis zur Redundanz und geht fließend in ein Stück über, das die Band mit Luftanführungszeichen als ihre Version von „Jazz“ bezeichnet. Diese Version ist energiegeladen und vom spontanen Vorpreschen einzelner Instrumente geprägt, bei dem die Kollegen mithalten können und wollen.
Man gliedert die eigene Instrumentenstimme wieder in die gemeinschaftliche Bandarbeit ein und, nach zwei Fakeout-Endings für den Song lässt man den Landeshauptmann Arno Kompatscher für ein paar Worte das Konzert unterbrechen. Es folgt eine weitere Eigenkomposition „Igor’s Dance“, von Max Plattner als Lorenzo Sighels Song vorgestellt als: „A song about a person called Igor, who likes to dance, apparently“. Man nimmt sich nicht zu ernst, auch wenn man soeben ein Stück mit beeindruckenden Tempi-Wechseln im Intro und einer stöhnend-ächzenden Saxophon-Stimme abgeliefert hat, bei der die Atemkontrolle von Sighel auf den Punkt war. Den Witzeleien gliedert sich noch ein kurzer Hinweis auf das eigene Album an, bei dem man auf das vegetarier-freundliche Wendecover hinweist, bei dem tote Fische mit Bahnschienen getauscht werden können.
Musikalisch geht’s mit dem Mantra der Free-Jazzmusiker weiter, das, wie könnte es anders sein, „Let’s see“ lautet. Hier ist es auch wieder das Saxophon, welches ausbricht, aber anders als zuvor aus einem getriebenen, temporeichen Bass und Drummhintergrund, mit fast schmalzigen, deeskalierenden Noten. Das letzte Stück des kurzen, aber dichten Konzertprogramms sieht wieder den E-Bass im Zentrum, dank Effekt-Pedalen mit hellem, klarem Klang und im Akkorde-Spiel mehr in einer Gitarrenrolle, mit italienischer Spoken-Word-Performance aus dem Wiedergabegerät on Top für ein Stück, welches eher in Richtung Post oder Stadion Rock geht. Die Stimme aus dem „Uncanny Valley“ (unheimliches Tal, ein Begriff aus der Robotik, der den Menschen imitierendes meint, das uns nicht ganz täuschen kann) erzielt ihren Effekt und macht Platz für tiefe Abstürze aus der Melodie, die Lebens und Spielfreude abbildet. Ein paar weitere Täuschungsmanöver später ist das Stück wirklich zu Ende. Der erste von dem es stehende Ovationen gibt war der Landeshauptmann, dessen Füße während des Konzerts nicht still hielten. Seine Freude am Konzert war spürbar echt. Eine Rap-Zugabe vom Saxophonisten auf Italienisch gab’s auch noch, aber den emotionalen Höhepunkt hatte man da schon überschritten. Eine starke Performance, die gern auch länger und besser bestuhlt - oder, wenn es dafür Raum zum Tanzen gäbe, ohne Stühle - hätte sein können.
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