Politica | Klimaschutz Italien

PNIEC:ein Fahrplan zur Klimaneutralität?

Italien hat den Entwurf seines Klimaplans PNIEC der Öffentlichkeit zur Konsultation vorgelegt. Wird die von der EU verlangte Senkung der CO2-Emissionen um -55% erreicht?
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Alle EU-Länder müssen laut EU-Klimagesetz von 2021 bis Juni 2024 einen verbindlichen Energie- und Klimaschutzplan verabschieden. Dieser Pflicht kommt Italien mit dem Entwurf seines Klimaplans vom Juni 2023 nach. Das über 400 Seiten starke Dokument PNIEC (Piano Nazionale Integrato per l’Energia e il Clima) entwirft ein Szenario für 2030 aufgrund der schon laufenden und geplanten politischen Maßnahmen zum Klimaschutz. Er soll nach der „Vernehmlassung“ (Stellungnahmen aller interessierten Verbände) binnen Juni 2024 verabschiedet werden. Laut Plan gehen die CO2-Emissionen zwar zurück, aber viel zu langsam. Der Gesamtenergieverbrauch steigt immer noch, der Anteil der Erneuerbaren Energie am Gesamtverbrauch lag 2021 erst bei 19%, ein erheblicher Rückstand.

Laut Einschätzung von Italy for Climate wird dieser Entwurf die EU-Vorgaben für Italien für 2030, nämlich -55% bei den CO2-Emissionen gegenüber 1990 nicht erreichen. Wenn nicht zusätzliche weitergehende Maßnahmen zum Klimaschutz eingeleitet werden, kommt Italien von einem Reduktionspfad in Richtung Klimaneutralität bis 2050 ab, denn gerade die nächsten Jahre sind entscheidend. Das I4C vermisst konsequente Schritte vor allem bei folgenden Punkten:

  • Die Ziele bei der Dekarbonisierung werden verfehlt. Laut PNIEC wird in Italien 2030 -40% weniger CO2 ausgestoßen (gegenüber 1990) an, was unter der EU-Vorgabe von -55% liegt.
  • Der Gesamtenergieverbrauch sinkt zu wenig.
  • Ein zu geringer Rückgang bei den Methan- und Lachgasemissionen. Zwar macht das CO2 aus fossiler Energie an die 80% der Gesamtemissionen aus, doch Industrie- und Landwirtschaft sorgen für hohe Emissionen anderer Art, die der PNIEC kaum bearbeitet.
  • Der Agrarsektor trägt zwar nur etwa 10% zu den Gesamtemissionen bei, darf aber nicht ausgespart bleiben, wie es im PNIEC geschieht. Zudem spielt er eine wichtige Rolle bei den Klimawandelanpassungsmaßnahmen.
  • Es fehlen zusätzliche und ehrgeizige Maßnahmen zur Dekarbonisierung, die zur Senkung um -55% bis 2030 führen würden. Es gibt zu viel „business as usual“.
  • Der PNIEC stellt zu stark auf die Interessen der Großunternehmen ab und vernachlässigt sowohl den Bedarf als auch das Potenzial der Klein- und Mittelbetriebe.
  • Unklar bleibt die Finanzierung der öffentlichen Maßnahmen, aber auch der privaten Umrüstung bei Heizung und PKW.

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co2-reduktion_bis_2030_-_szenarien_im_vergleich._quelle_i4c.png, von Italy for Climate

CO2-Reduktion bis 2030 - Szenarien im Vergleich. Quelle: Italy for Climate

Während Italien 2022 unverändert bei 418 Mio. t CO2eq erzeugte, sollten es bis 2030 nur mehr max. 250 Mio. t sein, um 2045 die 50 Mio. t zu erreichen. Laut PNIEC-Entwurf werden in Italien 2030 immer noch 100 MTEP verbrannt, während der Anteil der erneuerbaren Energieträger an der gesamten Stromproduktion erst bei 40,5% liegen wird. Zu wenig: der Energieverbrauch bei Gebäudeheizung, Fahrzeugantrieb und in der Industrie muss rascher vorangetrieben werden als bisher, ansonsten wird das Ziel verfehlt.

Beispiel Gebäudeheizung: 2021 lag die Elektrifizierung bei 26%, kaum mehr als 2011. Bis 2030 müsste der CO2-Ausstoß allein dieses Bereichs um -54% sinken, der Anteil der Erneuerbaren an der Heizungsenergie auf 56% steigen. Über 600.000 Wohnungen (2% Sanierungsrate des Bestands) müssen jährlich thermosaniert werden, also mehr als der Superbonus an jährlichen Sanierungen ausgelöst hat. Für die Wärmepumpen wird zusätzlich 20 TWh Strom benötigt.

Beim Bereich Verkehr ist seit 1990 nichts eingespart worden (das gilt auch für Südtirol), aber von 2021-2030 müssen die CO2-Emissionen um ein Drittel sinken, der Energieverbrauch um -20% sinken. Für 2030 geht der PNIEC von 6,6 Millionen zugelassenen E- und Hybridautos aus. Doch wie wird dieses Ziel erreicht? Heute dümpelt Italien bei jährlich 45.000 Zulassungen von E-Autos herum.

Interessant: am meisten CO2-Ausstoß reduziert hat 1990-2021 die Industrie, die ihre Prozesse schon zu 42% elektrifiziert hat, also mehr als jeder andere Bereich. Die Landwirtschaft und hier vor allem die Massentierhaltung ist für mehr als die Hälfte der Methanemissionen Italien verantwortlich, verbraucht nur 3% der Gesamtenergie, aber davon deckt sie nur 10% mit erneuerbarer Energie. So schlussfolgert I4C: auch die Agrarbetriebe müssen Energie sparen, den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 35% steigern und die Methanemissionen senken. Doch der PNIEC sieht gerade beim Methanausstoß keinen Handlungsbedarf.

Der Strom wird in Italien erst zu knapp 40% aus Erneuerbaren Energieträgern produziert. Die letzten Kohlekraftwerke sollen 2025 vom Netz gehen, doch Gas und Öl bleiben noch viele Jahre Hauptträger der Grundlast. Um die Klimaziele zu erreichen, müssen aber bis 2030 74% der Stromerzeugung aus Fotovoltaik, Wind und Biomasse stammen.

Italien hat zum einen Chancen und viel Potenzial in der Bewältigung des Klimawandels, ist zum anderen wie andere Mittelmeerländer von den Folgen der Erderhitzung stärker betroffen als der Norden (Waldbrände, Überschwemmungen, Dürren, Erosion, Extremereignisse). Gut aufgestellt ist Italien in der Umwelttechnologie, wo es Exportüberschüsse erzielt, und ist europaweit führend in der Kreislaufwirtschaft. Schlecht aufgestellt ist Italien aber bei den öffentlichen Finanzen. Umso mehr kommt es jetzt drauf an, nicht mehr Milliarden in höchst emissionsintensive Projekte zu stecken (Mega-Brücken, Autobahnen, Flughäfen), die Subventionen in fossile Energieträger herunterzufahren (2021 bei 18 Mrd. Euro), die Klimawandelanpassungsmaßnahmen auszubauen und die Flächenversiegelung zu stoppen. Um beim Klimaschutz auf Kurs zu kommen, muss sich Italien gewaltig ins Zeug legen. Mit anderen Worten: der PNIEC sollte der Fahrplan zur Klimaneutralität sein, aber wenn die Zwischenziele für 2030 verfehlt werden, riskiert das Land wie auch beim Bahnbetrieb den Anschluss zu verpassen.