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The Day After

L'Eletta: wieso lassen sich die misogynen Brüder (Italiens) überhaupt darauf ein, eine Frau nicht nur in der Gruppe aufzunehmen, sondern sogar mit Macht auszustatten?
Giorgia Meloni in piazza Matteotti a Bolzano
Foto: Salto.bz

Gestern habe ich gewählt und wahrscheinlich war ich nicht die Einzige, die sich dabei die Nase zugehalten hat. Schon lange wähle ich nicht mehr aus Überzeugung, sondern das kleinere Übel. Trotzdem war dieser Wahlgang für mich besonders schwer. Allem Optimismus zum Trotz hatte ich das Gefühl, in einem fahrerlosen Auto mit 200 h/km auf eine schwarze Wand zuzusteuern. Dementsprechend geht es mir heute, denn nun ist es offiziell: Die Republik Italien hat vermutlich eine neue Ministerpräsidentin aus rechtsextremen Reihen, erstmals seit 1946 eine Frau, die erste nach 30 männlichen Staatschefs in insgesamt 48 Regierungskabinetten.
Praktisch handelt es sich um jene Frau, welche die gläserne Decke durchbrochen hat. Allerdings ist es eindeutig eine Frau, die dann die Leiter hinter sich hochzieht, wie Hadley Freeman in "The Guardian" über Margaret Thatcher schrieb. Meloni ist da in bester Gesellschaft mit Thatcher, Ghandi, Le Pen, Meir ... Nach patriarchalen Kriterien sind das alles starke Frauen, Alphafrauen als „beste Männer“ der Regierung.

Es stellt sich die Frage, wieso die misogynen Brüder (Italiens) sich überhaupt darauf einlassen, eine Frau nicht nur in der Gruppe aufzunehmen, sondern sogar mit Macht auszustatten. Weil genau diese Frau (l'Eletta nach Michela Murgia) der beste Wachhund für das Patriarchat darstellt. Sie sticht ihre Artgenossinnen durch die tadellose Anpassung an das patriarchale System aus. Sie nimmt als einzige unter vielen eine Rolle ein, die eigentlich einem Mann vorbehalten wäre und wird mit diesem Bewusstsein besser als jeder Mann das System verteidigen, weil sie dazu „auserkoren“ wurde. Die von ihr ausgeübte Macht ist eine Illusion, die sie schützen muss. Statt sie für einen Richtungswechsel einzusetzen, dient sie der Erhaltung des Status quo.

Eigentlich ist das ein systemischer Selbstschutzreflex, den sicher auch die eine oder andere Leserin kennt: Das Patriarchat garantiert Schutz, zumindest jenen, die sich anpassen. Hältst du dich an die Spielregeln, dann gehörst du zu uns, zu den Guten, und wir werden alles daran setzen dich zu schützen. Tanzt du aus der Reihe, dann bist du gegen uns und bedrohst das System. Was mit Frauen passiert, die sich eben nicht so positionieren und die sich nicht bevormunden lassen, wissen wir. Und dann gar mit Feministinnen, oh Schreck! Sie werden bestenfalls ausgelacht, eventuell auf ihren Körper reduziert ("die sind so, weil sie keiner hernimmt"), schlimmstenfalls umgebracht. Um wieviel leichter fällt das Leben da als einzige Frau in der Männergruppe: keine Konkurrenz, andere Kommunikation, andere Prioritäten, Schutz garantiert. Weit weg vom toxischen Narrativ der "ihr Frauen seid euch selbst die größten Feinde" in einer patriarchalen Welt, wo Frauen erstmal lernen müssen, Freundschaften zu pflegen und Allianzen mit anderen Frauen zu schmieden.

Ja, da haben wir nun eine Eletta/Auserkorene an der Spitze und, ganz ehrlich, ich sehe schwarz (in jeder Hinsicht). Wie viele Elette kennen wir aber auch sonst? In unserem Alltag? In unserem Umfeld? Wann waren wir selbst Elette, um uns in Sicherheit zu wägen? Und wann haben wir an das toxische Narrativ von oben geglaubt und es bedient? Das sind die Fragen, die am Day After zu meinem persönlichen Selbstschutz dienen und mit denen ich versuche, mit dieser Veränderung umzugehen, bei mir selbst zu beginnen und mich dabei von schwarzen Zukunftsvisionen abzulenken. Ich wünsche uns einen langen Atem!