Am Boden geblieben
Ein wenig hätte man es ahnen können, war der Streik der Lufthansa-Piloten in den letzten Wochen doch Dauerthema in den deutschen Zeitungen. Ahnen können, dass ein Flug über Frankfurt gerade jetzt das Risiko mit sich bringt, am Boden zu bleiben, den Anschlussflug zu verpassen oder im schlimmsten Fall den ganzen Flug gecancelt zu kriegen. So sind auch wir tatsächlich, wie 160.000 andere Passagiere in den Sog des mittlerweile achten Lufthansa-Streiks in diesem Jahr geraten, auf unserer Rückreise von Edinburgh nach Innsbruck, via Frankfurt.
Zwei Tage vor der Abreise in Schottland langte ein SMS ein, das die Annullierung des Flugs und damit den beginnenden Ausstand der Lufthansa-Piloten für 35 Stunden von Montag, 20. bis Dienstag 21. Oktober ankündigte, ausgerufen von der Gewerkschaft Vereinigung Cockpit VC. Laut Medienberichten waren 1.450 Flüge betroffen, 90.000 SMS und Emails wurden verschickt, und wie gesagt 160.000 Passagiere zwischen den Drehkreuzen Frankfurt und München auf andere Flüge umgebucht, beraten, verpflegt, in Hotels gebracht oder mit der Bahn befördert.
Ein enormer wirtschaftlicher und moralischer Schaden, klagen die Lufthansa-Vorstände: Ein Streiktag koste die Fluggesellschaft zwischen 15 und 20 Millionen Euro, berichtete der ARD. Doch was wollen die Piloten, worum geht es in diesem Streik? Dem bin ich als Selbst-Betroffene dann nachgegangen, schließlich hat man in den Warteschleifen zwischen dem einen und anderen neu gebuchten und dann doch wieder nicht zustandegekommenen Flug Zeit, auch wenn die Muße etwas zu schwinden begann.
Lufthansa und Cockpit-Gewerkschaft streiten um die künftigen Übergangsrenten für 5400 Piloten und Co-Piloten der Gesellschaften Lufthansa, Lufthansa-Cargo und Germanwings. Die bisherigen Regeln wurden zum Jahresende 2013 gekündigt, daraufhin legten die Piloten ihre Arbeit nieder und sind bereit, dies auch weiterhin zu tun, wenn die Fluggesellschaft darauf beharrt, dass die Piloten künftig mit 60 statt wie bisher mit 55 Jahren in den bezahlten Vorruhestand gehen sollen.
Mit dieser Privilegien-Nummer haben die Piloten so ziemlich alle gegen sich aufgebracht: Die deutsche Wirtschaft und Politik beklagt einen “katastrophalen volkswirtschaftlichen Schaden”, die Reisebüros und –agenturen stöhnen über die Mehrarbeit durch Umbuchungen und Stornierungen, sogar die eigenen leitenden Lufthansa-Angestellten distanzierten sich von den Piloten-Forderungen, und die Passagiere können leider nichts anderes machen, als die Situation hinzunehmen. So wie wir: Anstatt nach Frankfurt wurden wir mit der KLM nach Amsterdam verfrachtet, mit der begründeten Hoffnung, dass die Austrian Airlines den Weiterflug nach Innsbruck – über Wien - ohne weiteres durchführen würde, denn die sind vom Streik ja nicht betroffen. Doch was ein Streik nicht schafft, das schafft das schlechte Wetter: Wegen Sturm wurde der Anschlussflug nach Wien am selben Tag gestrichen, man bot uns ein Hotel in Flughafennähe an und steckte uns auch gleich eine Visitenkarte zu, mit Anschrift und Nummer, wo wir unser Recht auf Schadenersatz geltend machen können.
Das wäre dann das zweite Mal in diesem Jahr, dass ich bei einer Fluggesellschaft auf Ticketersatz klage, beim ersten Mal bin ich wegen der gängigen Praxis der Überbuchung am Boden geblieben. Klingt jetzt nach Vielfliegerei, ist aber nicht so, gerade zweimal geflogen in einem Jahr und beide Male Pech gehabt.
Den Lufthansa-Piloten geht es im Grunde aber gar nicht um die Frühpension, erfährt man, der Sache nachgehend. Sie streiken, weil sie gegen die Spar- und Umbaupläne von Lufthansa-Chef Carsten Spohr sind, der mehr Billigflüge auf den Lufthansa-Strecken einführen will, damit, so die Befürchtung, würden die Tarifbedingungen insgesamt gesenkt. Der Billigflug-Branche somit Tür und Tor geöffnet. Ist die nicht längst schon da?