"Politik muss anders funktionieren"
Frau Brugger, schaut man sich Ihre Kommentare der vergangenen Tage und Wochen in den sozialen Medien an, könnte der Eindruck entstehen, dass Sie sehr unzufrieden sind mit Ihrer Partei, dem PD?
Cornelia Brugger: Ja, das stimmt. Weil sich vieles nicht bewahrheitet hat. Nichts von dem, was anlässlich der Landtagswahlen vor zwei Jahren angekündigt wurde, wurde in die Tat umgesetzt.
Dafür hatte man Sie aber angeworben?
Genau, vor den Landtagswahlen hat man mich sensibilisiert und schließlich für die Partei gewonnen. Mit dem Konzept, das mir vorgestellt wurde, hatte ich eine große Freude, ich habe mich sehr gut damit identifizieren können. Insbesondere mit der Idee, sich mit dem deutschsprachigen Wähler auseinanderzusetzen, also eine interethnische Partei zu werden. In dieses Konzept habe ich übrigens sehr gut hineingepasst. Angesichts meiner persönlichen und beruflichen Umstände.
Und Sie haben einen respektablen Erfolg eingefahren.
Als erste deutschsprachige Kandidatin habe ich 2.600 Stimmen bekommen. Wenn man bedenkt, dass Roberto Bizzo 2008 mit 1.800 Stimmen in den Landtag gewählt worden war, dann war meines ein sehr tolles Ergebnis.
Da kommen natürlich diese verbitterten Gedanken auf, dass ich eine bloße Stimmenfängerin war. Das schmerzt.
Nach den Wahlen dann die Ernüchterung?
Wie die Wahlen vorbei waren, ist dieses Projekt, das in der Wahlkampagne drin war, gestorben. In den zwei Jahren hat sich dann einiges getan, aber leider Gottes nur parteiintern. Man hat alles fallen lassen, man hat sich den eigenen Regeln und dem eigenen Unmut, den eigenen Streitereien gewidmet. Die überhaupt nichts gebracht haben.
Bis auf Schlagzeilen in den Medien des Landes?
Tja, Schlagzeilen haben wir immer nur mit den internen Geschichten gemacht, nie mit politischen Ideen. Für mich wird die Sache langsam unverständlich. Es fehlt die Priorität, es geht nicht mehr um das Eigentliche, worum sich eine Partei kümmern müsste.
Sondern?
Nur mehr um persönliche Interessen und ein Machtgehabe. Was nicht in Ordnung ist. Wenn ich etwas wirklich angehen will, müssen alle eingebunden werden. Und nicht nur immer der Teil, der mir gut zu Gesicht steht. Das ist etwas, was mir wirklich sehr Leid tut – dass die zwei Strömungen, die es immer schon in dieser Partei gegeben hat, noch nicht überwunden worden sind.
Letzthin schaute es effektiv danach aus…
Ja, es hieß, es gebe eine Annäherung zwischen Bizzo und Tommasini. Da habe ich mir gedacht: Endlich! Und dann plant Tommasini wieder alleine mit einer Kleingruppe die Organisation für eine zukünftige Leopoldina. Eine Gruppe, wo ich mich – wie viele sicher –gerne einbringen würde, wozu ich aber ganz einfach nicht eingeladen wurde. Und jetzt sind die Bizziani wieder verärgert und sagen, wir müssen jetzt auch etwas organisieren. So kommen wir ja nirgends hin. Diese dauernde Diskussion schreckt immer mehr Menschen ab. So finden wir das Vertrauen des Wählers ganz bestimmt nicht und die Partei wird auch immer nur im Kleinen bleiben, so wie sie ist. Vielleicht will man das ja aber auch, dass die Partei nicht wächst, dann ist sie leichter zu handhaben – ich weiß es nicht.
Wir können uns von den Jungen ordentlich etwas abschauen, wir müssen nur den Mut haben, ihnen Verantwortung zu übergeben.
Haben Sie diese Dinge angesprochen?
Ständig. Aber weil ich meine kritische Stimme erhebe, werde ich inzwischen total ausgeschlossen. Eine unglaubliche Sache. Eigentlich müsste gerade die Demokratische Partei, wie der Name schon sagt, eine hohe Diskussionsfreude haben und auch eine höhere Frustrationstoleranz als viele andere. Aber die scheinen wir überhaupt nicht zu haben. Kritiken muss man einfach auch annehmen, vor allem wenn sie konstruktiv sind.
Eine konkrete konstruktive Kritik Ihrerseits?
Für mich war nach den Gemeinderatswahlen, die für den PD bei Gott nicht gut gelaufen sind, klar: Ich bin gerne bereit, Konsequenzen zu ziehen. Erwartete mir aber, dass die Parteisekretärin mitzieht. Was ist dann allerdings passiert? Die Sekretärin sagt: Nein, nein, ich schmeiß euch jetzt alle aus dem Sekretariat raus und stelle mir ein neues zusammen. Diejenige, die eigentlich ihren Kopf hätte hinhalten müssen, hat ihn heute noch oben.
Sie sind enttäuscht von Liliana Di Fede?
Als sie zur Sekretärin gewählt wurde, hatte sie meine vollste Unterstützung, ich war von ihr überzeugt. Aber die Sachen, die wir gemeinsam geplant hatten, sind allesamt nicht eingetroffen. Und sie kann jetzt erzählen, was sie will, um zu erklären, warum die Wahlen in Leifers für sie nicht gut gelaufen sind – das interessiert keinen Menschen. Fakt ist, dass sie nicht mehr Bürgermeisterin ist. Fakt ist, dass wir in Meran auf den falschen Kandidaten gesetzt und die SVP mit unterstützt haben, obwohl die SVP in Leifers den PD nicht unterstützt hat. Fakt ist, dass wir in Bozen diese furchtbare Situation hatten, die sich ewig lang hinausgezogen hat, und auch diese Schlacht nicht für uns gewinnen konnten.
Wir müssen uns ehrlich öffnen. Denn geöffnet hat sich bisher keine Partei in Südtirol, nicht einmal die Grünen.
Der falsche Kopf an der Spitze der Partei – führt er den PD in eine falsche Richtung?
Ich frage mich schon: Wo ist das Projekt? Wo ist die Aussprache im PD geblieben? Die SVP hat das mittlerweile sehr wohl begriffen und sagt, in Bozen werden wir eine gemischtsprachige Gruppe aufstellen. Aber es ist leider Gottes bereits mehrmals passiert, dass der PD Ideen lanciert, von anderen überholt wird und schlussendlich hinterherhinkt. Wir haben dringend einen Austausch nötig: Wo sind die dringenden Themen?
Welche sind das für Sie?
Große Themen wie Arbeit, Beschäftigungspolitik, Innovation, die Wirtschaftlichkeit Südtirols, Schule. Wo und wann haben wir uns zum Beispiel positioniert, was den Flughafen anbelangt? Das ist unglaublich. Wir bleiben überall außen vor. Von daher rührt auch die Politikverdrossenheit, die viele Menschen verspüren. Sie sehen, es passiert nicht so viel, das, was passiert, gefällt ihnen nicht. Wie eben der Flughafen.
Sie sagen, die Bevölkerung will keinen Flughafen?
Wir kommen bei dem Thema ja nicht weiter. Es hat ja schon ein Referendum gegeben, bei dem sich die Menschen ganz klar dagegen ausgesprochen haben. Und jetzt macht man noch eines. Für mich ein verzweifelter Versuch. Eigentlich sollte man dazu stehen, dass man Scheiße gebaut hat und endlich einmal die Verantwortung für die in den Sand gesetzten Millionen übernehmen, und es lassen. Das sind Strukturen, die ganz ganz stark gefestigt und schwer aufzubrechen sind. Aber die Zeit trägt das ihre dazu bei. Das merkt man auch – die Leute haben einfach keine Lust mehr. Und der PD fällt da auch hinein.
Ihre Partei hört zu wenig auf die Menschen?
Man muss sich schon mal hinsetzen und schauen, wo der Schuh drückt. Denn, wenn mein Schuh drückt, drückt er wahrscheinlich bei vielen anderen deutschsprachigen PD-Wählern ebenso. Die sich wahrscheinlich zwei Mal überlegen, ob sie die Partei ein weiteres Mal wählen. Wahrscheinlich nicht.
Wenn sich nichts ändert, ist der PD eine Partei, die zum Sterben verurteilt ist.
Nun versucht der PD ja durch verschiedene Aktionen, wieder Anschluss an seine Basis zu finden.
Wir sind mittlerweile so weit gesunken, dass das für mich alles sehr halbherzig passiert. Hier werden kosmetische Verbesserungen vorgenommen. Die Partei hätte längst schon ein klares Signal setzen müssen. Solange dem PD aber immer noch dieselbe Person vorsteht, obwohl die Partei nicht funktioniert, gibt es keine grundlegende Veränderung. Ich spreche dem, was sich gerade abspielt, nichts ab. Die Leute draußen vermissen aber eine ehrliche Auseinandersetzung in der Partei. Wir haben uns nie gefragt, was ist schief gelaufen und warum, und welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Und tun es auch jetzt wieder nicht. Aber ich kann nicht einfach so tun, als wäre nichts. Und einfach hie und da versuchen, ein Blümchen zum Erblühen zu bringen, wenn darunter die Erde fehlt. So kann kein Rosenstrauch wachsen, da kommt vielleicht ein erbärmliches Röschen raus.
Da sah die Welt noch anders aus: Cornelia Brugger mit Liliana Di Fede im Februar 2014. Foto: senonoraquando.eu
Sie wollen sich als Gärtnerin versuchen?
Ich habe immer versucht, mich einzubringen, auch als gewählte Gemeinderätin in Bruneck. Ich bin von jungen, motivierten, engagierten Menschen unterstützt worden, die aus reinem Frust die Partei verlassen haben. Das ist einfach extrem traurig und gleichzeitig eine weitere Niederlage der Sekretärin, die trotz allem noch immer dort sitzt, wo sie war. Was, wie gesagt, unglaublich ist. Aber ich will das Thema schon gar nicht mehr anrühren.
Warum nicht?
Es stehen die Gemeinderatswahlen in Bozen bevor und niemand will die Sache mehr anfassen. Die Sekretärin müsste aber einfach selber sagen, Leute, ich habe das Mandat, das ihr mir gegeben habt, nicht erfüllt und deswegen gebe ich es gerne ab und mache den Weg frei, damit man hier auch endlich arbeiten kann. Aber das passiert nicht. Es gibt dann irgendwelche Treffen und irgendwelche über Facebook hinausgelassene Umfragen, während sich andere Parteien in Bozen schon längst unter das Volk gemischt haben und einfach ganz konkret ihre Sachen umsetzen. Wir haben ja noch nicht einmal entschieden, wo die Reise hingehen soll, was wir politisch erreichen, welche Struktur wir uns geben sollen, und welches Verhältnis wir zur SVP haben wollen. Geschweige denn von den ganzen konkreten Anliegen. Aber ich bin nie auf die ganze Situation angesprochen worden.
Es ist bereits mehrmals passiert, dass der PD Ideen lanciert, von anderen überholt wird und schlussendlich hinterherhinkt.
Sie sind beleidigt?
Nein, es geht mir auch nicht darum, eine Rolle zu spielen, sondern darum, dass ich mit großer Überzeugung eingestiegen bin. Wenn ich denke, welche Positionen ich alle hätte einnehmen sollen: Vize-Sekretärin, Pressesprecherin für die deutschsprachigen Medien, ganz abgesehen von meinem beruflichen Hintergrund als Gewerkschafterin und der Erfahrung in der Peripherie. Das, was ich kann, hätte ich immer gerne zur Verfügung gestellt, aber man hat es offensichtlich nicht gebraucht. Ich bin zwar dankbar, weil ich in den letzten zweieinhalb Jahren wirklich viel gelernt habe. Aber Politik muss anders funktionieren.
Wie genau?
Jene Parteien, die noch in alten Strukturen verhaftet sind, haben heute die größten Probleme. Diese alte Machart Politik zu machen, funktioniert aber nicht mehr. Man muss das alles viel transparenter gestalten, sich kleinere Ziele setzen und eigene Streitigkeiten einfach mal zurückstellen. Und wenn ich nicht angehört werde, kommen natürlich diese verbitterten Gedanken auf, dass ich eine bloße Stimmenfängerin war. Das schmerzt.
So sehr, dass Sie keine Zukunft mehr für sich im PD sehen?
Es ist so: Erstens habe ich einen ganz kleinen Auftrag im Gemeinderat Bruneck, den ich aber sehr sehr ernst nehme. Viele Menschen haben mir ihr Vertrauen geschenkt. Und ich will den Auftrag auch erfüllen. Natürlich denke ich mir, was soll ich noch hier? Ich sage ganz ehrlich, ich schaue mir das jetzt noch ein Weilchen an und werde auch wie bisher im PD-Landesvorstand meine Meinung einbringen. Die Gemeinderatswahlen in Bozen sind eine Herausforderung, aber gleichzeitig eine Chance für die Partei, sich neu und besser zu positionieren. Falls ich aber irgendwann gar keine Perspektiven mehr sehe, dann werde ich effektiv gehen. Und wenn ich das tue, dann tue ich das wohl überlegt und hoch erhobenen Kopfes.
So schnell folgen Sie den Jungen also nicht nach?
Diese Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Ich hoffe nach wie vor, dass eine gewisse Dialektik entsteht – mein Glas ist immer halb voll und nicht halb leer. Aber ich werde mich nicht mit meiner Kritik zurückhalten. Mit den Jungs, die im Sommer die Partei verlassen haben, pflege ich immer noch guten Kontakt. Die sind bereit, also so richtig bereit. Ich bin überzeugt, dass wir uns von ihnen ordentlich etwas abschauen können, wir müssen nur den Mut haben, ihnen Verantwortung zu übertragen. Damit wir es dann gemeinsam schaffen.
Es geht nur mehr um persönliche Interessen und ein Machtgehabe.
Gemeinsam, Alt und Jung. Auch Deutsch- und Italienischsprachig? Ist im PD noch Platz für die alte Vision einer interethnischen Partei?
Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich glaube, dass in jeder Partei, vor allem einer Partei, die eine linke Ausrichtung hat, dieser Platz gegeben sein muss. Diese Frage sollte sich gar nicht stellen, denn das gehört zu unseren Grundsätzen und unserer Ethik. Aber es muss anders angesetzt werden. Wir brauchen uns nicht vormachen, dass wir alle gleich sind. Was aber in keinster Weise heißen soll, dass wir nicht kompatibel sind. Das ist eine riesengroße Bereicherung, und eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.
Und wie?
Die Partei muss sich ehrlich öffnen. Denn das hat sich bisher keine Partei in Südtirol, nicht einmal die Grünen. Die sind auch verdeutscht. Ich bin der Meinung, dass das möglich ist. Vor allem, wenn wir von den Jungen lernen. Wenn keine wirkliche Öffnung stattfindet, ist der PD eine Partei, die zum Sterben verurteilt ist.