Politica | Verkehr

„Dann wird halt enteignet!“

Droht uns in zwei Jahren ein Verkehrs-Gau, weil ein widerspenstiger Bürgermeister seinen Kopf durchsetzen will? Anscheinend. Das Land Tirol will nun die Reißleine ziehen.
luegbruecke
Foto: Bild: Wikimedia
Der Streit um die Lueg-Brücke zwischen der Gemeinde Gries am Brenner auf der einen Seite und dem Land Tirol sowie der Asfinag auf der anderen Seite spitzt sich offenbar zu. Während Karl Mühlsteiger, Bürgermeister der Gemeinde Gries, Mitte Februar, wie bei der Pressekonferenz in Trins angekündigt, Einspruch gegen den Bau der neuen Lueg-Brücke eingelegt hat, erwägt das Land Tirol mittlerweile ein Enteignungsverfahren gegen die Gemeinde einzuleiten. Wie es aus zuverlässiger Quelle heißt, gibt der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle der Gemeinde Gries noch 14 Tage, um ihre Position zu überdenken und mit der Asfinag (Autobahnen- und Schnellstrassen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft) zu einer Einigung zu kommen.
 
 
Wir kämpfen bis zum Schluss gegen Monsterbrücke und für die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung!
 
 
Mühlsteiger begründete den Einspruch seiner Gemeinde gegen die Pläne zum Neubau mit dem Argument, dass man nicht anders handeln konnte. Die Unterlagen der Asfinag seien so schlecht aufbereitet gewesen und hätten unglaublich viele offene Fragen enthalten. Man sei regelrecht gezwungen gewesen, einen Einspruch einzulegen. „Alles andere wäre gegenüber der Gemeinde und der Bevölkerung verantwortungslos gewesen. Die Kommunikation und Information seitens der Asfinag uns gegenüber wurde in den vergangenen Jahren immer schlechter, weshalb diese mangelhaft aufbereiteten Unterlagen für uns auch keine Überraschung sind“, erklärte Mühlsteiger in seiner Presseaussendung und polterte pathetisch: „Wir kämpfen bis zum Schluss gegen Monsterbrücke und für die Gesundheit und Lebensqualität der Bevölkerung!“
 
 
 
 
Seit seiner Wahl im Jahr 2016 wehrt sich Mühlsteiger mit Händen und Füßen gegen den Neubau der Brücke und fordert vehement eine Tunnellösung, was wiederum von der Asfinag abgelehnt wird, einerseits wegen der Kosten, andererseits würde diese Lösung mehrere Jahre an Planung und Umsetzung in Anspruch nehmen. Mittlerweile ist auch aus den Reihen der Transitgegner zu hören, dass Mühlsteiger offenbar „politisch Amok“ laufe. Bezeichnend dafür ist auch ein 26 Punkte umfassender Forderungskatalog, den Bürgermeister Mühlsteiger Landeshauptmann Mattle und den Verantwortlichen der Asfinag übergeben hat. Man braucht das Dokument noch nicht einmal bis zum Ende durchzulesen, um zur Erkenntnis zu gelangen, dass es  – so formuliert – weder vom Land noch von der Asfinag akzeptiert werden kann. Neben einer Untertunnelung im gesamten Abschnitt der A13 zwischen Schönberg und Brenner, wo es sinnvoll und technisch möglich ist, sowie Einhausungen, wo eine Untertunnelung nicht realisiert werden kann, und weitreichende finanzielle Kompensationen für beispielsweise einen Sportplatz, zwei neue Trinkwasserhochtürme und eines dringend benötigten Blaulichtzentrums, fordert Mühlsteiger auch das Vergabe- und Bestimmungsrecht, sollten Geldwechselfilialen entlang der A13 auf dem Grieser Gemeindegebiet errichtet werden. Zudem fordert der Bürgermeister die Einführung eines Slot-Systems und/oder einer Transitbörse ab spätestens Jänner 2025.
 
 
Befindet sich Karl Mühlsteiger auf einem Kreuzzug gegen die böse Asfinag, das Land und die Opposition im eigenen Gemeinderat?
 
 
Doch wozu das Ganze? Befindet sich Karl Mühlsteiger auf einem Kreuzzug gegen die böse Asfinag, das Land und die Opposition im eigenen Gemeinderat? Wird für diese kommunalpolitischen Grabenkämpfe ein Verkehrschaos sondergleichen riskiert? Das nicht nur weitreichende Folgen für das nördliche Wipptal hat, sondern auch für Bayern und Südtirol?
 
 

Die „böse“ Opposition

 
„Wir haben einen guten Kontakt zur Asfinag und im Rahmen von Verhandlungen haben wir weitreichende Zusagen erhalten“, erklärt Hans Cammerlander, Gemeinderat vom Team Kugler. Jener Partei, der Mühlsteiger in seiner Presseaussendung vorwirft, mit der Asfinag unter einer Decke zu stecken. Laut Cammerlander habe man von der Autobahn-Betreibergesellschaft unter anderem die Zusage für Lärmschutzwände im bewohnten Gebiet erhalten, weiters finanzielle Unterstützung für die regionale Entwicklung und die Umgestaltung des derzeitigen Bauweges von Gries bis zum Brennersee in einen Radweg. Diese Zusagen würden jedoch hinfällig, sollte es tatsächlich zu einem Enteignungsverfahren kommen. Damit würde die Gemeinde Gries nämlich jedes Mitspracherecht an den Bauvorhaben verlieren.
 
 
 
 
Für den Gemeindepolitiker vom Team Kugler ist klar, dass Alt-Landeshauptmann Günther Platter dem ganzen Treiben viel zu lange zugeschaut hat, eine Riesenschwäche an den Tag legte und es nicht schaffte, sich gegen Mühlsteiger durchzusetzen. Spät, aber doch habe nun das Land erkannt, dass die Brückenvariante forciert werden müsse. Mühlsteigers Forderungskatalog hingegen sei dermaßen illusorisch und unrealistisch, dass man damit garantiert zu keinem positiven Verhandlungsergebnis kommen könne. Mühlsteigers unbedingter Wille nach einer Tunnellösung könnten mittlerweile viele nicht mehr nachvollziehen, berichtet Cammerlander und betont: „Für uns als Opposition ist seit Jahren klar, dass zwei Kilometer Tunnelstrecke weder unsere Transitprobleme, noch die Verkehrsprobleme lösen werden. Als Gemeinde steuern wir geradewegs auf ein riesiges Chaos zu.“ Um dieses Chaos nicht vollends aus dem Ruder laufen zu lassen, ist in Matrei bereits ein Kreisverkehr in Planung. Das Szenario für das Verkehrsmanagement bei einspuriger Befahrbarkeit der Lueg-Brücke sieht nämlich vor, den Pkw-Verkehr von der Autobahn abzuleiten – dieser wird dann über die Bundesstraße von Matrei, Steinach und Gries bis zum Brenner führen – und den Transitverkehr auf der Autobahn zu halten. Im Extremfall könnte dieses Szenario bereits im kommenden Jahr Realität werden.
 
 
Dann haben wir in der Hochsaison nicht mehr 8.000 Pkw auf unserer Bundesstraße, sondern 30.000 oder sogar 40.000.
 
 
„Dann haben wir in der Hochsaison nicht mehr 8.000 Pkw auf unserer Bundesstraße, sondern 30.000 oder sogar 40.000“, erklärt Cammerlander. Die Folge wäre ein Zusammenbruch des Werkverkehrs im Tal mit erheblichen negativen Auswirkungen auf die Gewerbetreibenden und die Pendler. Große Befürchtungen habe man auch hinsichtlich des Nachtfahrverbots, das auf Druck aus Brüssel aufgehoben werden könnte. „Die Transit-Lobby wird Alarm schreien, sobald die Lueg-Brücke für einen Tag gesperrt wird, und die Frächter dementsprechende Einbußen erleiden. Dann wird sich Brüssel zuschalten sowie Wien und die Ereignisse werden eine unvorhersehbare Eigendynamik entwickeln – dann wird es allerdings zu spät sein“, befürchtet der Gemeindepolitiker. Laut Cammerlander seien die Entscheidungen des Grieser Bürgermeisters auch nicht rechtens, denn seiner Ansicht nach müsste der gesamte Gemeinderat über solche weitreichenden Entscheidungen befinden. Auch wenn die „Offene Gemeindeliste Bürgermeister Karl Mühlsteiger“ mit sieben Mandaten über die Mehrheit im 13-köpfigen Gemeinderat verfügt, entspreche Mühlsteigers Verhalten nicht der Gesetzgebung. Dennoch kann der Grieser Bürgermeister damit jede seiner Forderungen im Gemeinderat durchbringen.
„Wenn sich die Gemeindeverwaltung vor vier Jahren entschieden hätte, die neue Trasse zu bauen, dann wäre sie mittlerweile fertig und der Verkehr würde bereits auf der neuen Brücke verlaufen. Aber seit vier Jahren wird diskutiert und man sieht das Chaos nicht, das auf die Gemeinde zukommen wird“, so Cammerlander, der erklärt, dass Mühlsteiger die Gemeinde mit seinem Forderungskatalog mittlerweile in eine fragwürdige Situation manövriert habe, aus der es keinen Ausweg gebe. „Es liegt nun an der Landespolitik, die richtige Entscheidung zu treffen“, erklärt der Gemeindepolitiker vom Team Kugler.