Buch oder Rose?
„Das ist so verdammt anstrengend. Wie viel einfacher wäre es, eine Seite zu wählen. Mit Robert hat das nicht geklappt. Vielleicht wäre es bei der Gegenmannschaft leichter. Den Thor-Steinar-Pulli überziehen und Europa für eine Scheißidee halten. Plötzlich wäre alles logisch, alles ergäbe einen Sinn. Gote wäre nur noch ein Nachbar und die Afd eine Partei mit einem alternativen Konzept. »Frei.Wild« macht eigentlich gar keine schlechte Musik. [...]“ Diese urheber(in!)rechtlich der Schriftstellerin Juli Zeh entlehnte Textstelle, lässt sich auf Seite 296 ihres 2021 bei Luchterhand erschienenen Romans Über Menschen nachlesen und natürlich in einen viel größeren und zwischen den Zeilen versteckten Kontext einpflegen. Leider ist das nicht Aufgabe dieser Kolumne.
Ich verzeihe Frau Zeh ihren literarisch freien und wilden Ausflug ins musikalische Grauzonen-Schlumpfenland Südtirol, aber nur: weil ich gerade ein weiteres (vor 10 Jahren verfasstes) Buch von ihr durchkämpfe, immer wieder, Abend für Abend. Jetzt bestimme ich, ich, ich! nennt es sich. Und Dunja Schnabel hat es bebildert.
Aus gegebenem Anlass möchte ich beide Bücher dem Sänger von Frei.Wild ans Deutschrock-)Herz legen, ihm, der vor kurzem sein Solo-Projekt unter dem Titel Kontrollierte Anarchie für Weihnachten (sic!) angekündigt hat. Vor über einem Jahrzehnt johlte er mit seinen drei strammen Frei.Wild-Mannen im Song Im Land der Vollidioten noch den stumpfen Schlumpf-Satz: Wir sind keine Neo-Nazis und keine Anarchisten. Wir sind einfach gleich wie ihr.
Krass, was? Wie der Burger-Schlumpf nun den Begriff Anarchie erneut beschmutzt? Da singt er mal so, dann mal anders, aber immer im Stil vom Trenker Luis: zuerst schauen woher grade der Wind weht, dann sich medial knorrig dagegenstellen und am rechten Ufer des Geldflusses entlang kraulen (Schwimmtechnik). Passend zum Welttag, ein weiterer Buchtipp (nicht nur für Burger):
Im dicken Buch Anarchie! von Horst Stowasser (1951-2009) geht es natürlich auch um Katalonien. Dort gab es nicht nur Mitte der 1930er Jahre großen anarchistischen Widerstand gegen das faschistische Spanien, sondern bereits Jahre vorher eine dem Anarchismus zugewandte, anarchosyndikalistische Bewegung, bestens organisiert und ausgestattet mit viel sozialem Gedanken- und Liedgut.
Den linken Widerstand (gegen Madrid) gibt es in Katalonien heute noch, auch (und vor allem) am 23. April, dem Tag von Sant Jordi (Nationalheiliger), an welchem sich die Leute in den Städten und am Lande mit einer Rose oder einem Buch beschenken. Ein feiner Brauch.
Rapper(innen) haben es hingegen schwer in Barcelona und in Katalonien. Aber auch in Kaltern. Dort rappt nämlich seit hörbar wenigen Monaten der falsche Katalan, Anderlan. Er schwurbelt vollkommenen Schlumpfsinn in die Gegend und verbreitet sein peinliches Ego über den Slogan tamisch ober liab. Seine Bildungsschwäche spiegelt sich freilich auch dann, wenn er wie andere Südtiroler von ganz rechts außen, die Fahne Kataloniens schwingen. Das mögen nämlich viele Katalanen und Katalaninnen gar nicht.
Wie könnte nun aber ein aufrechter Südtiroler Katalan, der schon bei der Frage zu den Kärntner-Slowenen nicht genau weiß, für welche Rechte er einstehen soll, seine freie Zeit besser nutzen? Vielleicht mit einem Buch? Am Sant Jordi-Tag?
Für Neo-Anar(s)chisten und (Anar)Schie-Lehrer hab ich – weil Feiertag ist – noch ein wirthuelles Geschenk als Zugabe: Trara! Noch ein Buch! Es wurde von einem Anarchisten vor über 100 Jahren geschrieben, Jahrzehnte später wurde der Verfasser Franz Jung ins Bozner Durchgangslager gesteckt. Erschreckend sein Leben und seine Erinnerungen an Bozen.
Und weil Sant Jordi ist, und neben dem Lesen auch gesungen und mit ein paar cervesa (kat.) gefeiert werden soll: ein Lied, passend zum Tag des Urheberrechts und zum Tag des deutschen(!) Bieres.