Gigis Endspurt

Paul Rösch hat es geschafft. Wenn auch mit einigen Bauchschmerzen. Seit Montag Nacht steht die neue Meraner Stadtregierung. Nun hat der neue Bürgermeister etwas Verschnaufpause, bevor es an die Verteilung der Kompetenzen geht. Sein Bozner Kollege muss hingegen noch schwitzen. Doch auch Luigi Spagnolli scheint sich auf der Zielgeraden zu befinden. Muss er ja, hat der Gemeindeausschuss doch bis zum 25. Juni zu stehen. “Ich glaube nicht, dass wir es schaffen…”, vertraut Spagnolli seinem Facebook-Tagebuch an. “… Ich glaube nicht, dass wir es schaffen, all den gegensätzlichen und sich überkreuzenden Erwartungen gerecht zu werden.” Doch zeigt er sich bereit, Kompromisse einzugehen: “La Politica, quella vera, quella che persegue l’interesse di tutti, pretende compromesso e responsabilità.” Nun gut. Wie aber schaut dieses Entgegenkommen aus?
Grüne Hintertür?
Ein Blick in das von Spagnolli ausgearbeitete Regierungsprogramm verrät: In zahlreichen Punkten hat er ursprünglich von den Grünen kommenden Forderungen aufgenommen. “Die Bügerinnen und Bürger müssen immer mehr in die Stadtplanung mit einbezogen werden”, heißt es etwa unter Punkt 2. Das soll unter anderem durch Partizipationsprozesse geschehen, die verhältnismäßig zur anstehenden Entscheidung durchgeführt werden sollen. So etwa im Falle der Überarbeitung des berühmt-berüchtigten Artikel 55 des Landes-Urbanistikgesetzes. “Fino a che tale rielaborazione non sarà realizzata non sarà avviato alcun procedimento amministrativo ai sensi dell’Art. 55 quinquies della LUP”, verspricht Spagnollis Programm. Gleichzeitig will man mit “jeglichem zulässigen Mittel” der unkontrollierten Zunahme von neuen Einkaufszentren und neuen, großen Detailhandeslflächen entgegen wirken. “A tale scopo saranno individuati […] nuovi strumenti di pianificazione per impedire il proliferare di centri commerciali nelle zone dove la liberalizzazione in essere li renderebbe possibili […].” Ganz im Gegenteil, soll die zukünftige Koalition in Bozen Initiativen wie Lebensmittelkooperativen, fairen und solidalen Handel, Zeitbanken und Sharing-Dienste unterstützen.
Neue, sprach- und kulturgruppenüberschreitende Projekte in Schule und Jugendarbeit; ein selbstverwaltetes Kulturzentrum für Musik und Events; Aufwertung der Peripherie, etwa durch Steueranreize; ein Arbeitstisch, über den bereits ausgelagerte Dienste neu vergeben werden sollen – um dadurch Vergabewettbewerbe zu vermeiden –; Verringerung des Privatverkehrs und mehr öffentliche Verkehrsmittel; mehr Grünflächen. Beim Durchlesen des elf Seiten langen Dokuments entsteht der Eindruck: Durch die Vordertür aus dem Stadtratssaal hinausgeschritten, kommt Cecilia Stefanelli durch die Hintertür wieder herein.
Doch auch auf die andere Seite scheint Spagnolli geblickt zu haben. In Zukunft will man die Präsenz der Sicherheitskräfte verstärken, die Zusammenarbeit mit Sozialarbeitern ausbauen und “gegebenenfalls” die Videoüberwachung potenzieren. Der Verwaltungsapparat soll effizienter gestaltet, die Kommissionen aufgewertet werden. Bürokratieabbau; neue Strategien für den Tourismus und die Weiterführung großer Projekte wie das Bahnhofsareal; Aufwertung der Gegend um den Siegesplatz und die Freiheitsstraße, gebenso jene um die Turin-, Mailand-, Dalmatien-, Palermo-Straße und den Matteotti-Platz. Alles in allem, ein Programm, mit denen Spagnolli viele anzusprechen versuchen scheint.
Bringen sie Benko ins Wanken?
Fast so weit wie mit seinen Plänen für die Stadt ist der Bürgermeister inzwischen auch mit seiner Regierungsmannschaft. Sieben Assessoren will Spagnolli beibehalten, kündigte er kürzlich an. Neben ihm selbst dürften Mauro Randi (PD), Klaus Ladinser, Judith Kofler Peintner (beide SVP), Luigi Gallo (A sinistra per Bolzano con Gallo), Claudia De Lorenzo (Lista per Spagnolli) sowie Luciano Giovanelli (Nuova Città con Duzzi) in die Stadtregierung einziehen. Um der Forderung des PD, neben dem Bürgermeister zwei Assessoren zu stellen, nachzukommen, könnte der Stadtrat in einem zweiten Moment um einen Posten erweitert werden. Dadurch könnte sich auch für den zweitmeistgewählten des PD, Sandro Repetto, ein Assessorat ausgehen.
Judith Kofler Peintner wurde am Montag vom Bozner SVP-Koordinierungsausschuss bestätigt. Im Vorfeld hatte es Polemiken um ihre Nominierung gegeben. Eine Vertreterin der Wirtschaft und keine Arbeitnehmerin soll den Assessoren-Posten übernehmen. Dieser Ansicht waren gar einige in der Bozner SVP. Kofler Peintner gewann schließlich die Abstimmung gegen Anna Pitarelli mit 15 zu 3 Stimmen. Mit Luciano Giovanelli hat sich Spagnolli im letzten Moment einen deklarierten Benko-Gegner mit ins Boot geholt. Überhaupt scheint die Pro-Benko-Front im Stadtrat zu schrumpfen. Mit Luigi Gallo und nun auch Giovanelli dürften zumindest zwei eiserne Gegner des Kaufhaus-Projekts einziehen.
Die Mitteilung über die Annullierung der Gemeinderatssitung. Laut Schreiben der Gemeinde hätte Spagnolli noch ein Jahr Zeit, die Stadtregierung zu bilden. Diese muss am am 25. Juni 2015 stehen.
Offener ist das Rennen um den Gemeinderatspräsidenten. Ob es wieder Guido Margheri wird oder doch das Zweigespann Claudio Della Ratta-Rudi Benedikter wird sich in den nächsten Tagen zeigen. Während die Gespräche weiter auf Hochtouren laufen, ist die für den heutigen Dienstag anberaumte Gemeinderatssitzung unterdessen abgesagt worden. Der Bürgermeister und seine Verhandler brauchen noch Zeit. Damit schließlich auch in Bozen weißer Rauch aus dem Rathaus aufsteigen kann.