Società | Gebärdensprache

„Kommunikation ist ein Menschenrecht“

Heute ist der internationale Tag der Gebärdensprachen. Gebärdensprach-Trainerin Veronika Wellenzohn Kiebacher erzählt, warum dieser Tag so wichtig ist und wo es immer noch an Bewusstsein fehlt.
Veronika Wellenzohn Kiebacher Portrait
Foto: privat
  • SALTO: Frau Wellenzohn Kiebacher, welche Bedeutung hat der Tag der Gebärdensprachen für Sie?

    Veronika Wellenzohn Kiebacher: Der Tag der Gebärdensprache ist wichtig, weil er auf unsere Sprache und Kultur aufmerksam macht. Viele wissen nicht, dass Gebärdensprache eine vollwertige Sprache ist. Dieser Tag gibt uns die Möglichkeit, sichtbar zu werden und für Barrierefreiheit einzutreten.

    Sie sind Teil der Initiativgruppe BimoLi. Welche Ziele verfolgen Sie?

    Mit BimoLi möchten wir erreichen, dass gehörlose Menschen gleichberechtigt am Leben teilnehmen können. Unsere Ziele sind mehr Bewusstsein für Gebärdensprache, mehr Barrierefreiheit in Bildung, Medien, Kultur und Politik. Besonders wichtig ist, dass gehörlose Kinder von klein auf Zugang zur Gebärdensprache haben.

  • Zur Person

    Veronika Wellenzohn ist Gebärdensprache-Trainerin und selbst gehörlos. Sie hat als Kind im Internat für gehörlose Kinder in Mils in Tirol gelebt. Heute leitet sie in der Urania in Meran Kurse für die Österreichische Gebärdensprache (ÖGS) und ist Teil der Initiative BimoLi. 

  • Die Gebärdensprache wurde 2021 in Italien (LIS) und 2023 in Südtirol (ÖGS) offiziell anerkannt. Hat das für Sie den Alltag erleichtert?

    Beide Anerkennungen sind wichtige symbolische Schritte. Im Alltag hat sich aber noch wenig verändert. Gesetze sind ein Anfang, aber sie müssen auch umgesetzt werden – in Schulen, in Ämtern, bei Veranstaltungen. Da fehlt noch sehr viel.

    Wie hat sich die Situation der Gehörlosen in Südtirol im letzten Jahrhundert insgesamt verändert? 

    Früher gab es keine Dolmetscher und kaum Verständnis für unsere Bedürfnisse. Heute gibt es bessere Angebote und mehr Offenheit. Trotzdem bleiben Missverständnisse, weil viele glauben, Hörgeräte oder Implantate würden alle Probleme lösen. Wichtig ist mehr Sensibilisierung – besonders in Behörden, Schulen, Medien und auch in Altersheimen.

    Sie geben demnächst wieder Kurse für Gebärdensprache. Welche Erfahrungen mit Lernenden haben Sie besonders bewegt? Was sind die größten Herausforderungen?

    Besonders bewegt mich, wenn Lernende erkennen, dass Gebärdensprache nicht „Gestik“ ist, sondern eine eigene Sprache mit Grammatik und Kultur. Manche sagen, sie hätten durch den Kurs einen neuen Blick auf Inklusion bekommen. Die größte Herausforderung ist oft, dass Menschen Geduld und Zeit brauchen, um eine neue Sprache zu lernen.

  • Der internationale Tag der Gebärdensprachen

    Die Vereinten Nationen erklärten den 23. September im Jahr 2017 zum internationalen Tag der Gebärdensprachen. Weltweit existieren mehr als 300 verschiedene Gebärdensprachen. Der Tag soll das Bewusstsein für die Rechte gehörloser Menschen auf ihre eigene Sprache und kulturelle Identität schärfen.  

    2006 wurde die UN-Behindertenrechtskonvention verabschiedet, welche Inklusion und unter anderem auch das Recht auf Barrierefreiheit in der Kommunikation für Menschen mit Behinderung garantieren soll. Sie wurde von mehr als 180 Staaten unterzeichnet.

  • Wie steht es heute um die barrierefreie Kommunikation in Südtirol?

    Es gibt Fortschritte, zum Beispiel bei Veranstaltungen oder in Medien. Ein gutes Beispiel ist die Erlebnisausstellung Hands Up, die auch in Bozen und Meran gezeigt wird – diesmal in ÖGS. Dort werden die Besucherinnen und Besucher durch Kopfhörer selbst für eine Stunde gehörlos und begeben sich auf einen Rundgang. Solche Projekte machen Gebärdensprache sichtbar und schaffen Bewusstsein.

    Derzeit gibt es nur wenige Dolmetscherinnen, und trotzdem fehlen sie oft genau dort, wo man sie dringend braucht. Informationen sind häufig nicht visuell zugänglich. Besonders in Ämtern, im Alltag oder bei Arztbesuchen stoßen wir immer wieder auf Hürden. Barrierefreie Kommunikation ist ein Menschenrecht.