Überraschungssieger Hofer
Zum ersten Mal in der Geschichte der Republik Österreich wird ein Bundespräsident kein Mitglied von ÖVP oder SPÖ oder jedenfalls ein diesen nahe stehender Politiker sein: In die Stichwahl für das Bundespräsidentenamt am 22. Mai kommen der Freiheitliche Norbert Hofer und (aller Voraussicht nach) der von den Grünen unterstützte Alexander van der Bellen. Mit mehr als 35 Prozent hat der freiheitliche Kandidat Hofer die erste Runden der Bundespräsidentenwahl heute (24. April) klar für sich entschieden. Mit deutlichem Abstand landete van der Bellen, bis zuletzt Favorit in den Wahlprognosen, auf Platz zwei, knapp vor der unabhängigen Kandidatin Irmgard Griss. Regelrecht abgewatscht wurden die Kandidaten der beiden Regierungsparteien ÖVP und SPÖ. Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 68 Prozent.
Laut den Hochrechnungen vom Abend liegt Hofers Stimmenanteil bei 35,4 Prozent, auf van der Bellen entfiielen rund 21 Prozent, auf Griss etwa 19 Prozent. Weit abgeschlagen landeten der ÖVP-Kandidat Andreas Khol und der SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer mit jeweils um die elf Prozent auf Platz vier und fünf. Das Schlusslicht bildet Richard Lugner mit etwas mehr als zwei Prozent.
Hofer kommentierte seinen Triumph mit der Feststellung, er sei "dankbar und voller Demut". Er wolle versuchen, eine Bundespräsident "für alle" Österreicher zu sein, was jedoch nicht bedeute, dass er seine Grundsätze über Bord zu werfen bereit sei, betonte der Freiheitliche, der sich erst nach langem Zögern zu einer Kandidatur entschlossen hatte.
SPÖ und ÖVP seien wohl in Schockstarre verfallen, meinten Beobachter am Abend, als die Wahlschlappe für die große Koalition nicht mehr zu leugnen war. Zwar waren die Wahlprognosen für die beiden Parteien nicht rosig, dass die Niederlage aber so vernichtend sein würde, hätten sich Khol und Hundstorfer wohl nicht gedacht. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) meinte: "Das Wahlergebnis ist eine Warnung an die Regierung: Wir haben viel zu tun." Der ÖVP-Veteran Andreas Khol sagte, er habe bis zum Schluss "gekämpft wie ein Löwe". Khol legte am Abend alle Parteiämter zurück.
Die große Frage unter Journalisten lautet nun: Ist Hofer in der Stichwahl noch zu schlagen? Van der Bellen rechnet sich trotz des großen Abstandes zum Erstgereihten Chancen auf einen Sieg aus. "Ich kann diese Wahl gewinnen", erklärte er und kündigte einen intensiven Wahlkampf mit Blick auf Runde zwei an. Die Karten würden nun "neu gemischt". Und auch der stellvertretende Bundessprecher der Grünen, Werner Kogler, gab sich kämpferisch: "Zu Tode gefürchtet ist auch schon gestorben."