Economia | Ein Apfelbauer erzählt

"Es ist ein schlimmer Schaden"

Markus Mair ist Apfelbauer in Tisens. Acht mal hat der Hagel in den letzten Jahren zugeschlagen. "Die Versicherungen schenken einem nichts."

Herr Mair, Sie sind Apfelbauer in Tisens, wie schaut es bei Ihnen aus, nach dem Hagelschlag gestern (23. Juni)?
Traurig, traurig. Was nicht unter dem Hagelnetz war, ist alles zerschlagen. Gegen die Naturkräfte kann man nichts tun. Um vier Uhr nachmittag ging es mit dem Schauer gestern los, eine halbe Stunde später war alles vorbei.

Wie kann man sich das zerschlagene Obst vorstellen?
Das ist jetzt schwer zu sagen. Die Bäume sind noch alle nass. Wir müssen warten bis es aufklart und warm wird. Dann sehen wir mehr.

Ein Mehr an Arbeit bringt der Hagel unweigerlich.
Wir sind gerade im Feld dabei die Äpfel mit der Hand auszusortieren. Das würden wir sowieso machen. Unter dem Netz ändert sich nichts an unserer Arbeit. Außerhalb vom Netz aber müssen wir uns natürlich entscheiden. Ob wir kleine Äpfel wegtun, welche angeschlagenen Äpfel wir wegtun. Schäden gibt es aber überall. Auch unter dem Netz. Streuschäden nennt man die, wenn es unter das Netz trotzdem reinschauert.

Schäden gibt es aber überall. Auch unter dem Netz. Streuschäden nennt man die, wenn es unter das Netz trotzdem reinschauert.

Das passiert?
Ja. Wenn der Hagel so schwer wird und die Menge der Körner zunehmen. Wenn es so heftig schauert wie gestern, dann kommen die Körner an gewissen Stellen durch. Das Netz wird dann gebogen.

In Tisens sind große Schäden zu verzeichnen, zwischen 50 und 60 Prozent bis hin zu Totalausfällen. Dann hatten sie also nochmal Glück?
Es gibt einige Wenige, die weigern sich Netze zu montieren. Auch aus ästhetischen Gründen. Die trifft es natürlich sehr stark in so einem Fall. Eine Hagelnetzanlage in Tisens ist ja zusammengebrochen. Weil die Hagelmenge so hoch war. Wenn bei so einer Hagelnetzanlage zwei Betonsäulen durchbrechen, dann ist das ein Dominoeffekt. Die nächsten brechen ab, da kann man gar nichts mehr machen. Außer zuschauen.

Ihre Anbaufläche ist wie groß?
Sechs Hektar. Die Hälfte davon ist ohne, die Hälfte seit 2003 mit Hagelnetz geschützt. Immer wieder hab ich nachgerüstet. In den letzten zehn Jahren kann man sagen, waren wir acht mal vom Hagel betroffen. Das Tisener Mittelgebirge trifft es immer wieder sehr hart.

In den letzten zehn Jahren kann man sagen, waren wir acht mal vom Hagel betroffen. Das Tisener Mittelgebirge trifft es immer wieder sehr hart.

Ein schlimmerer Schaden heuer als andere Jahre?
Ja, das kann man schon sagen.

Südtirols Äpfel sind in aller Welt unterwegs. Begeisterte Zugreifer gibt es ebenso wie kritische Nachfrager. Totgespritzte Äpfel, teurer im als außerhalb des Landes?  Nein, sagt  Südtirol für Feinschmecker: "Südtirol ist die erste Region in Europa, die den integrierten Obstanbau eingeführt hat. Diese umweltschonende Anbaumethode hat sich mittlerweise in ganz Europa durchgesetzt. Darüber hinaus ist Südtirol auch der größte Produzent von biologisch angebauten Äpfeln in Europa."

Sie hoffen auf die Hagelversicherung?
Die Bedingungen der Versicherung werden immer schlechter und strenger. Geschenkt kriegt man da sicher nichts. Im Gegenteil, wir werden gedrückt wo es nur geht. Versichert sind ja nur die Flächen, die außer dem Netz liegen. Obwohl ja oft auch Schäden unter den Netzen an den Randreihen zu beanstanden sind.

Und mit welcher Versicherungssumme können Sie nach diesem Hagel rechnen?
Noch weiß man da gar nichts. Heute oder morgen (25. Juni) melden wir bei der Versicherung, dass es geschauert hat. Die Schätzung der Versicherung wird dann erst 14 Tage vor der Ernte gemacht. Denn bis dahin könnte es ja noch einige Male schauern. Aber gerecht ist das sicherlich nicht, was wir von der Versicherung kriegen.

Aber gerecht ist das sicherlich nicht, was wir von der Versicherung kriegen.

Warum nicht?
Der Marktwert wird in keinster Weise erreicht. Das zum einen. Außerdem kostet die Versicherung ja auch etwas. Es gibt verschiedene Modelle: ich zahle weniger in die Versicherung ein, hab aber 10 Prozent Selbstbeteiligung. Wenn es viel schauert geht die Selbstbeteiligung zurück, wenn es wenig schauert, dann steigt die Selbstbeteiligung. Auch wenn ich einen kompletten Ernteausfall habe, also von 100 Prozent, dann zahlt die Versicherung das nicht. 91 bis 92 Prozent sind maximal drin. 100 Prozent werden nur dann ausgezahlt, wenn der Baum kaputt ist.

Wenn die Schätzung erfolgt, was passiert dann?
Das wird alles vor Ort durchgerechnet. Die unterschiedlichen Sorten, wir haben sechs verschiedene, werden unterschiedlich bewertet. Eine Sorte ist z. B. 40 cent Wert, eine vielleicht 30 Cent. Dann weiß ich nach der Schätzung: für die Sorte die 40 Cent Wert ist, krieg ich 50 Prozent von der Versicherung ausgezahlt. Also 20 Cent. Und dann machen wir Bauern uns halt schon die Rechnung.

60 Millionen Apfelbäume zieren Südtirol. Produziert werden jährlich rund 1 Mio. Tonnen Äpfel. Jeder zehnte Apfel in Europa stammt aus Südtirol. Im Bio-Bereich ist Südtirol mit 40% der Ernte sogar der wichtigste Bio-Apfel-Lieferant der Europäischen Union. Die Südtiroler Obstwirtschaft ist sehr klein strukturiert. 8.000 Familienbetriebe bewirtschaften jeweils ca. 2,5 ha Anbaufläche.  Mehr lesen Sie hier.

Das heißt?
Man muss auch schauen was einem die Versicherung bringt. Wenn der Schätzwert fest steht, dann schauen wir bei der Ernte genau, was wir vielleicht doch noch als Tafelobst verkaufen können. Die Ernte geht dann viel langsamer, denn unser Ziel ist es ja schöne, essbare Äpfel zu verkaufen. Und nicht nur Industrieobst. Wir müssen dann mehrmals aussortieren.

Wenn der Schätzwert fest steht, dann schauen wir bei der Ernte genau, was wir vielleicht doch noch als Tafelobst verkaufen können. Die Ernte geht dann viel langsamer, denn unser Ziel ist es ja schöne, essbare Äpfel zu verkaufen. Und nicht nur Industrieobst.

Wie viel wird für das Industrieobst gerechnet?
Vier, fünf Cent bekommen wir für das Kilo. 40 bis 45 cent kostet das Tafelobst. Das wissen wir aber genau erst dann, wenn die Obstgenossenschaft uns ein Jahr später die Abrechnung macht. Wobei man sagen muss: Auch die Konsumenten sind nicht ganz unschuldig. Hagel hin oder her: Aber nicht jeder Fleck beeinträchtigt den Geschmack. Trotzdem muss das Obst fast makellos sein, damit wir Bauern es als Tafelobst verkaufen können. Da hat sich viel verändert in den letzten Jahren, die Latte wird immer höher gelegt.

Auch die Konsumenten sind nicht ganz unschuldig. Hagel hin oder her: Aber nicht jeder Fleck beeinträchtigt den Geschmack. Trotzdem muss das Obst fast makellos sein, damit wir Bauern es als Tafelobst verkaufen können. Da hat sich viel verändert in den letzten Jahren, die Latte wird immer höher gelegt.

Viel Überlegungen also, die berücksichtigt werden müssen. Nichts darf dem Zufall überlassen werden.
Ja, einerseits schon. Andererseits liefert uns das Wetter komplett aus. Mein Ziel ist es deshalb auch, bald die ganzen Apfelbäume unter das Netz zu bringen. Wir sind hier in Tisens dem Hagel einfach oft ausgesetzt. Und mit der Versicherung bin ich schon lange nicht mehr zufrieden.

Was stört Sie?
Bei der Schätzung vor Ort verstehen die Versicherungsbeamten oft nicht, dass bestimmte Äpfel nicht mehr gut verkauft werden können. Wenn ein Apfel einen  kleinen Einschlag hat dann sagen sie: Das geht schon. Wir aber wissen genau: der Markt kauft uns das Obst so nicht mehr ab. Da landet man schnell in der zweiten oder dritten Qualitätsklasse.

Wie "mono" ist Südtirol? Monokultur in Politik und Landwirtschaft, mehr lesen Sie hier.

Gibt es Subventionen für die Errichtung von Hagelnetzen?
Gar nicht. Das zahlen wir aus unserer eigenen Tasche. Eine Hagelnetzanlage aufzustellen ist eine Investition. Die sich jeder gut überlegt. Aber wenn man das ganze Jahr arbeitet und fünf Minuten Hagel machen einem alles kaputt, dann tut das schon weh. Und noch etwas möchte ich sagen: Oft schimpfen die Leute über die Bauern. Aber dass wir das ganze Jahr mit diesem Risiko leben, nicht zu wissen, was wir von unserer Arbeit retten können. Das sehen viele nicht.