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Fremde Baracken, neue Chance

Wie kann Integration durch neue Wohnmodelle gelingen? Mit dieser Frage haben sich 39 Architektur-Studenten am Beispiel Arbeiterhäuschen in Meran auseinandergesetzt.

Knapp ein Jahr ist vergangen, seit am Meraner Bahnhof die ersten Flüchtlinge eingezogen sind. Dort, direkt an den Bahngleisen, leben sie in alten Arbeiterhäuschen. 1880 wurden die so genannten Bahnhofsbaracken gemeinsam mit dem Bahnhof errichtet. 136 Jahre später beherbergen sie nicht nur Asylbewerber, sondern dienen dank der neuen Bewohner auch als Studienobjekt. 39 Studierende der Architekturfakultät Innsbruck haben sich mit temporären Verbleib der Flüchtlinge und ihren Unterkünften am Bahnhofsareal auseinandergesetzt. Und sich dabei die Frage gestellt: Notlösung oder Chance?

Anfang September 2015 fand ein Willkommensfest für die Flüchtlinge statt, die am Meraner Bahnhofsareal vorübergehend eine neue Bleibe gefunden haben.

“Die Aufgabe an die Studierenden war, sich darüber Gedanken zu machen, wie die Wohnsituation in den behelfsmäßigen Flüchtlingsunterkünften verbessert werden kann”, erklärt Elisabeth Schatzer. Die Bozner Architektin, die an der Universität Innsbruck lehrt, hat gemeinsam mit ihrem Kollegen Robert Veneri, ebenfalls Architekt aus Bozen, das Projekt und die 39 Studierenden betreut. Bereits im Frühjahr 2015 hatten Schatzer und Veneri mit dem Gedanken gespielt, das Thema Flucht mit ihren Bachelor-Absolventen zu behandeln. “Die denkwürdige Entwicklung der Flüchtlingsfrage betrachten wir als Aufforderung, unseren Beitrag zu liefern, uns dort einzubringen, wo unser Wissen und unsere Ideen gefordert sind”, begründen die beiden Architekten ihr Engagement.


Elisabeth Schatzer und Robert Veneri

Die Flüchtlingsunterkünfte in Meran haben sich dafür geradezu angeboten. “Die Lage am Bahnhof ist eine schöne Metapher für den Transitions-Zustand, in dem sich die Menschen und unsere Gesellschaft befinden”, beschreibt Veneri. Nach einer Exkursion in der Adventszeit 2015, bei der es eine kleine Weihnachtsfeier mit den Flüchtlingen gab, machten sich die 39 Studierenden daran, die Inputs, die sie erhalten hatten, in Entwürfen umzusetzen. Wie kann das (Zusammen-)Leben am Bahnhof besser funktionieren? Wie kann der Integrationsprozess durch neue Wohnlösungen gefördert werden? Wie können die Strukturen auch in Zukunft genutzt werden? Das waren die Fragen, die die Studierenden mitunter in ihren Arbeiten zu beantworten versuchten.

Ein Ort der Begegnung, des Austauschs, des Kennenlernens, für Musik, Kultur, Weiterbildung und Arbeit. Diese Vorstellungen und mehr finden sich in den Projekte der Studierenden wieder.

“Zunächst sollte jedoch jeder und jede eine eigene Flüchtlingsgeschichte erzählen”, eine Aufgabe, die von den Studierenden auf vielfältige Art und Weise gelöst worden sei, berichtet Elisabeth Schatzer. Da gibt es eine Griechin, die ihre eigene Migrationserfahrung erzählt; eine Südtirolerin mit Vorfahren, die im Zuge der Italienisierung nach Bozen gekommen sind; eine Studentin, deren Eltern als Gastarbeiter aus der Türkei ihr Glück in Europa versucht haben; eine Studentin mit rumänischen Wurzeln, die schon in Deutschland und Österreich gelebt hat und sich nirgendwo daheim fühlt; einen Studenten, dessen Großvater sich 1939 für die Option entschieden hat. “Im Zuge der vertieften Auseinandersetzung ist allen bewusst geworden, dass Migration ein Thema ist, das jeden irgendwie persönlich betrifft”, haben die beiden Bozner Uni-Professoren bemerkt.

Die bestehende Struktur umgestalten oder etwas komplett Neues schaffen – der Kreativität der Studierenden waren keine Grenzen gesetzt.

Ebenso persönlich sind die Arbeiten geworden, die die  Studierenden schließlich entworfen haben. “Es sind durchaus sehr interessante Projekte entstanden”, bestätigt Schatzer. Manche seien besonders stark geworden: “Man erkennt, dass es nicht nur um Wohnraum geht, sondern darum, ein Statement abzugeben.” Trotz der Tatsache, dass sich durch die Ankunft von Flüchtlingen eine schwierigen Situation für eine Stadt ergebe, die “eine Herausforderung für alle Beteiligten darstellt”, berge sie zugleich ein “wahnsinnig kreatives Potenzial”, so Schatzers Fazit.

Vorübergehende, mobile Strukturen, die anderswo anderweitig genutzt werden könen (wie diese Container) finden sich ebenso unter den Projekten wie fixe, temporäre Wohnlösungen für alle – Flüchtlinge, Studenten, Familien...

Das Ergebnis des Bachelor-Projekts, das unter dem Namen “Xenia” (griech. für “das Fremde”) lief, gibt es ab heute (Dienstag, 28. Juni) im Meraner Rathaus zu sehen. Um 18.15 Uhr wird eine Ausstellung der Projekte und Modellstudien eröffnet, die bis 9. Juli im 1. Stock des Rathauses zugänglich bleibt.