Der Herbst des Patriarchen
Zahlreiche europäische Regierungschefs trauten letzthin ihren Augen nicht. Missbilligend betrachteten sie die Fotos, die Silvio Berlusconi und Wladimir Putin in bestem Einvernehmen auf der annektierten Halbinsel Krim zeigten. Freilich verursacht der Cavaliere nicht nur im Ausland verständnisloses Kopfschütteln. Selbst viele seiner Parteifreunde reagieren mit Unverständnis auf seine politischen Vorgaben. Die Weisung, im Senat gegen Matteo Renzis Senatsreform zu stimmen, wurde von vielen Forza Italia-Parlamentariern mit Kopfschütteln quittiert. Denn in der Kammer hatte die Partei dieselbe Verfassungsreform gutgeheissen.
Am Dienstag zogen die Senatoren Domenico Auricchio und Francesco Amoruso die Konsequenzen und kehrten der Partei den Rücken. Beide übersielten in die neue Fraktion des langjährigen Berlusconi-Statthalters Denis Verdini, der als Drahtzieher jetzt seiner früheren Partei das Wasser abgräbt: "Forza Italia ? Das sind jetzt wir." Fraktionschef Paolo Romani regierte mit einem Wutanfall , prangerte eine "oscura campagna acquisti" an und forderte eine Stellungsnahme des Staatspräsidenten. "Diese Geschichte wird nicht ohne Folgen bleiben", erregte sich Romani im Senat.
Damit sollte er Recht behalten, allerdings nicht in dem von ihm gewünschten Sinne. Am Mittwoch kündigten gleich sieben weitere Parlamentarier ihren Wechsel zu Verdinis Alleanza liberal-popolare an. Weitere kauern bereits in den Startlöchern. "E' il mercato delle vacche", empörte sich Romani, versuchte jedoch gleichzeitig, eine Zustimmung seiner Fraktion zur Senatsreform zu erreichen. Doch Berlusconi, der in Renzi ein "genio del male" sieht, legte sich quer. Die für Donnerstag angesetzte Sitzung der Partei musste der Cavaliere absagen.
Forza Italia hat seit den Wahlen 49 ihrer 92 Senatoren verloren und läuft Gefahr, zu einer Kleinpartei zu schrumpfen. Ihre Umfragwerte haben einen Tiefpunkt erreicht und nähern sich der 10-Prozent-Marke . Berlusconi hat längst resigniert. Seine geplante Tournee durch 100 Provinzen hat er abgesagt. In Rom lässt sich der alternde Parteigründer nur selten blicken.
Um so aktiver zeigt sich sein langjähriger Statthalter Denis Verdini, der einen guten Draht zu Renzi hat und Reformen unterstützt, die ihm sinnvoll erscheinen. Der vermeintliche Stimmenkauf erhitzt auch bei der Fünfsterne-Bewegung die Gemüter.
Alessandro Di Battista, ein Meister der Verschwörungstheorien, der überall "trame oscure" wittert, hat sich zu einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft entschlossen: "Stiamo assistendo al piú ampio processo di trasmigrazione di questa legislatura. E' lecito avere il sospetto che non si tratti di casi di coscienza. Stiamo parlando di un personaggio come Verdini, pluri-inquisito per fatti gravi."
Silvio Berlusconi, der in Neapel selbst wegen Stimmenkaufs vor Gericht steht, vermag das Ganze nicht aufzuregen: "Se ne vanno per interessi personali."