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Società | Eiertreter*in

Dogma

In einer Welt von Fake News und alternativen Fakten ist es gut, als Anker unerschütterliche Wahrheiten zu haben. Wir sind gesegnet, dann Südtirol hat einiges zu bieten.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
Marienstatue
Foto: Pixabay
  • Es gibt Tage da wünsche ich mir, ich hätte als Gitschele nie ministriert; wäre mein Kontakt mit der heiligen römisch-katholischen Kirche ein marginaler geblieben. Hätte unser Pfaff nie Gelegenheit gehabt, durch sein Wirken und Werken, mir jedwede Religion auszutreiben - mein Leben wäre heute glücklicher. Vermutlich hätte ich nie mit dem Glauben aufgehört und mit dem Denken angefangen. In einer - gefühlt - sich in Auflösung befindlichen Welt, könnte ich mich an ewig gültigen Wahrheiten festhalten. Wie dem Dogma der „Immerwährenden Jungfräulichkeit Marias“. Wäre es nicht tröstlich, an die Stelle der Wissenschaft den Glauben zu setzen, dass vor 2.000 Jahren eine In-vitro-Fertilisation technisch durchaus möglich war? Oder die „Unbefleckte Empfängnis“, ein Dogma, das nur allzu leicht mit ersterem verwechselt wird und von den zölibatären Kinderfickern erst 1854 dekretiert wurde. 
    Leider hat die Rechthaberei alter, weißer Männer auch ihre klitzekleinen Schattenseiten, wie die schätzungsweise zwischen 40.000 und 100.000 Menschen während der europäischen Hexenverfolgungen zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert auf dem Scheiterhaufen schmerzhaft erfahren mussten. Unnütz zu sagen, dass die meisten Frauen waren. Unser bußfertiger Bischof könnte ruhig mal den Klingelbeutel des Missionssonntags nehmen und als Wiedergutmachung der Sarnerhex, vulgo Pachlerzottl, ein Denkmal setzen. Vorzugsweise auf dem Platz des Pastoralzentrums. Mit den drei anorexen Figuren vor dem Eingang zur Wohnung des Bischofs weiß eh niemand etwas anzufangen.

    Sie haben recht: Ich denke zu viel! Ja, ja, tadeln Sie mich ruhig. Ich sollte mehr dem Glaubenssatz glauben, dass etwas wahr wird, wenn man es nur oft genug wiederholt: Die Erde ist eine Scheibe. Die Erde ist eine Scheibe. Die Schwurbler haben recht.

  • HGV

    Oder das Dogma der Tourismusindustrie: „Wir haben keinen Overtourism! Wir haben allenfalls einige Hotspots, aber der Rest des Landes - vor allem das Vinschgau - kann noch mehr Touristen vertragen.“ Ich habe mich ja lange gefragt, wer diesen Hirnfurz von hanebüchenem Unsinn wohl ersonnen hat? Mittlerweile habe ich eine Vermutung: Es war der joviale HGV-Presidentissimo himself (den wir - GaloppSeiJesusKrischtus - mit der Neuwahl bald los sind). Komisch, der scheint sich bei den Fahrten in die Weltlandeshauptstadt noch nie durch Kreisverkehr Latsch, Kastelbell, Tschars, Rabland, Töll oder Plörrebrauerei gestaut zu haben? Wenn sie den Manfred nach den drei wichtigsten Kriterien für einen gutlaufenden Hotelbetrieb fragen, kommt aus der Pistole geschossen immer die selbe Antwort: „Die Lage, die Lage, die Lage.“ Nun erfüllt das Wander- und Bikehotel Vinschgerhof des Presidentissimo - eingebaut in die Handwerkerzone von Vetzan - keines der oben genannten Merkmale. Ich meine, die Industriehalle der Speckselcher im Rücken, das Autohaus zur Rechten, die Baumschule zur Linken? Scharf kombiniert wird sich das in einer niedrigen Auslastung niederschlagen? So Pi mal Schnauze, alle Zimmer nur Juli/August und Weihnachten/Ostern belegt? Meine Verschwörungstheorie wäre deshalb: Dass Leugnen der Probleme mit dem Tourismus im Land erwächst aus den Existenzängsten, wie man die Kredite für den Sprung von 3-Sterne-S in die 4-Sterne-Kategorie bedienen soll? Befeuert von einem weiteren Kainsmal, das schwer auf der Vermarktbarkeit des Hotels lastet: Der Name des Heimatdorfs. Böse gesagt, hat sich nicht einmal der Tolomei zu einer wortwörtlichen Übersetzung durchringen können: „Piscia addosso“. Ich möchte den Vetzanern wärmstens eine Änderung des Dorfnamens ans Herz legen. „Prunzzui“ beispielsweise oder „Soachoni“. Ich schweife ab.

  • SBB

    Das ausgefinkelste Dogma wurde jedoch von niemand geringerem als der mächtigsten Lobbyklitsche im Land erfunden: Dem Südtiroler Bauernbund. Deren unumstößliche Lehraussage steht der Jungfrauengeburt in nichts nach. Weder an Komplexität, noch an Schamlosigkeit, wenn es darum geht, den gesunden Menschenverstand zu verhöhnen. Es ist eine Kausalkette und geht in etwa so: Die steuerbefreiten Südtiroler Bauern, werden mit Landes-, Staats- und EU-Geldern zugeschissen, damit sie auf ihren Höfen bleiben und unsere Kulturlandschaft pflegen. Denn sonst wächst Südtirol wie das Belluno zu und es kommen keine wohlstandsbringenden Touristen mehr. Wir werden alle verhungern. Punkt. Äh, Rufezeichen!

    Hat eine gewisse Logik. Die Antithese dazu wäre:

    • „Mittlerweile sind über 70% der Landwirtschaftsbetriebe in Südtirol auf einen Nebenerwerb angewiesen“, schreibt der Bauernbund auf seiner Homepage. Anders formuliert könnte man sagen, 70% der Bauern haben einen Job und der Steuerzahler bezuschusst ihr Hobby...
    • … und ihren Besitzstand, denn laut den Gewährungsakten des Landes haben das Amt für ländliches Bauwesen und das Amt für bäuerliches Eigentum 2024 ein Füllhorn von 34.563.827,27 Euro ausgekippt - über Menschen, denen nach ihrem Selbstverständnis Südtirol gehört: „Des isch mein Grund“. Allein der Fakt, dass wir ein Amt für ländliches Bauwesen und bäuerliches Eigentum haben ist eine Ohrfeige. Ist Ihnen schon mal untergekommen, dass wir ein „Amt für Habenichtse“ oder „Amt für WOBI-Mieter mit sechs Monaten Mietrückstand, denen irgendwann ihre vier Wände gehören sollten“ haben? Solange nur eine fünfköpfige Familie in einem 44 Quadratmeter großen Kellerloch hausen muss, sollte kein einziger Tram für einen neuen Stadel finanziert werden.
    • Frag die Piefke warum sie nach Südtirol kommen. Das Wort „Kulturlandschaft“ fällt da irgendwie nie. Alle reden immer nur von den tollen Bergen und dem tollen Essen und dem walschen Flair. Zugegeben das Wort „Kulturlandschaft“ ist auch schwierig zu greifen. Meint es die Tallagen, die unter den Hagelnetzen verschwunden sind? Oder die Hänge die von Hochspannungsleitungen, Zufahrts- und Forststraßen und Lifttrassen durchschnitten werden? Ah, ich hab’s. Die grünen Flecken an den Hängen, auf die wir voller Neid aus unseren Wohnbauzonen blicken und deren Talblick wir uns nie leisten werden können… Wenn schon der Kochhütten-Bauer aus Brixen für 44 Quadratmeter und ein bisschen Grün darum herum 370.000 Euro hingelegt hat. Mir hat es schon der „Bauernhaus Kauf-Leitfaden“ eines Südtiroler Immobilienhais vergellt: „Grundsätzlich kann jeder in Südtirol ein Bauernhaus, einen Bergbauernhof, Obst- und Wein-Hof oder einen landwirtschaftlichen Grund käuflich erwerben. Berufs-Landwirte genießen jedoch Vorteile, u.a. durch eine geringere Registergebühren beim Kauf, durch eine sehr geringe Besteuerung, Zugang zu günstigen Darlehen, etc.“
      Südtirol hat eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Auf der einen Seite der Otto-Normal-Südtiroler, auf der anderen der dauerjammernde, überprivelegierte Subventionsabgreifer, der uns als Dank, dass wir ihm über die Region die Rente finanzieren, mit seinem Gejaule zu Wolf und Bär endgültig den letzten Nerv gezogen hat.
    • Im Oktober 2018 kam Vaia, ein Jahr später der Schneedruck der Mittelmeertiefs “Detlef”, „Heiner“ und „Ingmar“ und danach gab der Borkenkäfer dem Südtiroler Wald den Rest. „Seit dem Jahr 2018 wurden in Südtirol rund 9,7 Millionen Vorratsfestmeter (Vfm) Holz geschlägert. Ca. 9 Millionen Vfm beziehen sich auf die Aufräumung des Schadholzes“, steht im Agrar- & Forstbericht 2024. Die Eurac schreibt dazu in ihrem Climate Change Monitoring South Tyrol: „Die hier angefallene Schadholzmenge entspricht beinahe dem dreifachen Jahreshiebsatz. Südtirol läuft also nicht Gefahr wie das Belluno zuzuwachsen. Südtirol sollte für einen wirkungsvollen Schutzwald dringend zuwachsen. Darum, runter mit den Bauern von ihren Höfen und rein in die Wohnbauzone - auf dass der Wald wachse und gedeihe.
    • Sollte Sie das bisherige nicht überzeugt haben: Nach dreieinhalb Stunden Stop-and-go durchs Pustertal; eine Auswahl an 387 AirBnB-Unterkünften im Großraum Meran, wenn man im Juni 2026 eine Woche Urlaub machen möchte; dem kollabierten Bozen an Regentagen, nach 10 Euro Parkgebühr auf der Zanseralm oder 14 Euro für ein Bier und ein Skiwasser auf der Kölner Hütte, hat es genug an Touristen. Da habe ich noch nicht einmal erwähnt, dass ich von diesem deutschen Volk, das Strich 47 durch die Dörfer schleicht einfach die Nase voll habe. Das Fass mit den Campern, die sich auf unseren Bergstraßen zu Tode fürchten, will ich erst gar nicht aufmachen.
      Wir brauchen nicht nur minus 3,1% an Ankünften gegenüber dem August des Vorjahres, wir brauchen mindestens einen zweistelligen Rückgang. Ok, das Optimum wäre dreistellig. Es wäre unverantwortlich, unser Land einer Branche zu opfern, die gerade mal 11% unserer Wertschöpfung generiert, mit Lohnsklavenjobs die zu 36% von ausländischen Saisonkräften erledigt werden.
  • Dogma 2025

    Moooment! Ich mache gerade einen Fehler. Ich versuche mit gesundem Menschenverstand etwas zu widerlegen, was wie die „Immerwährende Jungfräulichkeit Marias“ nur Hokuspokus ist, den uns der Darth Rinner und Konsorten „glauben“ machen wollen. In der Liga spiele ich schon lange mit. Hier das neue Südtiroler Dogma - und wiederholen Sie es bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit, bis es in Ihre Ganglien übergeht wie das „… empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria …“. Bereit?

    „Streicht den Bauern unser Steuergeld auf Null zusammen, damit wir endlich weniger Touristen auf den Straßen haben (vor allem im Vinschgau) und das Land wieder für uns!“ Rufezeichen.