Die Schraube am Boden
Jazz ist ein Planet, den wir nur selten besuchen. Dennoch haben uns gestern zwei Dinge auf das gestrige Konzert des österreichischen Trios Edi Nulz in der Dekadenz neugierig gemacht. Der österreichische Musikredakteur und Jazzkenner Andreas Felber hatte die Musik von Edi Nulz reizvollerweise mit „räudiger Kammerjazzpunk” umschrieben und Ausschnitte eines Konzertes, das Edi Nulz in Saalfelden 2016 zeigt, bestätigten das in der Tat.
Die Neugier war ausreichend geweckt, um kurzfristig fremdes Territorium zu betreten.
Mitunter unbändig und unerwartet energisch? Ja. Räudig und punkig? Nein, nicht wirklich.
Die Band spielte bereits, als wir eintrafen, und die Stücke die folgten, waren … Jazz. Mitunter unbändig und unerwartet energisch? Ja. Räudig und punkig? Nein, nicht wirklich. An dieser Stelle sei wiederholt: Jazz ist ein Genre in dem wir uns nicht auskennen, es fehlt das grundlegende Wissen, und die Band – und die anwesenden Jazzfans – mögen es uns nachsehen, dass demnach kein ernsthaftes Review folgen kann, sondern nur ein Blick von außen und von jemandem, der diesen Planeten eben nicht kennt.
Wir wollten demnach das Konzert auch schon verlassen, als Schlagzeuger Valentin Schuster den Titelsong ihres aktuellen Albums „Meganan” als einen ersten Höhepunkt ankündigt. Das wollten wir uns noch anhören, zumal es die Band auf ihrem „aktuellen Stand” zeigen sollte, wenngleich bereits gespielte Songs wie „Aku” und „Gruseldäne” ebenfalls aus diesem Release stammten.
Und in der Tat, „Meganan” war wuchtig, intensiv und die Elemente, die bislang nur in kleinen Dosen wahrnehmbar gewesen waren, kamen hier in geballter Ladung von der Bühne. Ein bluesiger Einstieg, eine Gitarre, die in den Klangfarben als Verweis auf die Sixties gelesen werden konnte und zunehmend heavy wurde.
Julian Adam Pajzs verwendete neben einer Steinbrecher-Gitarre, auch eine Danelectro und einen alten (gekippten) Fender-Verstärker, die er beide wohl nicht ganz zufällig gewählt hat.
Beide Stücke zeigten auch deutlich, dass Edi Nulz immer auch den Fleischwolf im Gepäck mit sich führen.
„Meganan” war ein mitreißendes Stück Musik und dieses Erlebnis sollte sich bei „Nase”, am Ende des offiziellen Teils des Konzertes, noch einmal wiederholen.
Beide Stücke zeigten auch deutlich, dass Edi Nulz – und so lesen wir im Nachhinein Felbers Umschreibung – immer auch den Fleischwolf im Gepäck mit sich führen, durch den sie Rock-, Rock’n’Roll- und andere Elemente drehen, um daraus am Ende ihre Interpretation von Jazz auf die Bühne und auf Platte zu bringen.
Zeremonienmeister des Abends war Schlagzeuger Valentin Schuster, der immer wieder durchaus spaßige Einführungen zu den Stücken lieferte und diese sympathischerweise als Lieder bezeichnete, was auch nicht falsch war, denn immer wieder tauchten zwischen den „jazzigen Freiheiten”, die sich die drei nahmen, kurze, einprägsame Melodien auf, die gerne Pajizs und/oder dem Bassklarinettisten Siegmar Brecher beigesteuert wurden.
Auffallend war übrigens die Lockerheit, mit der sich die Band zeigte, trotz mitunter komplexer Strukturen, und obwohl sie „Wer ist Agripina Colburn?” bzw. „The Return of Agripina Colburn” aus ihrem ersten Album – laut Pajizy – seit der Studioaufnahme nicht mehr gespielt hatten. „The Return of Agripina Colburn” war übrigens die Neubearbeitung des Stücks, die Valentin Schusters verstorbener Vater angefertig hat.
Dieses – bei aller Konzentration – „offene” Zusammenspiel ist etwas, das auf hiesigen Bühnen nicht ganz so oft zu sehen ist und eigentlich sehr wünschenswert wäre, weil es gerade auch für das Publikum Raum schafft, das Gehörte/Gesehene mit einer gewissen Entspanntheit wahrzunehmen.
Und dann war da noch die Minute irgendwann zwischen zwei Songs mitten im Konzert, in der Valentin Schuster auf dem Boden eine zum Schlagzeug gehörende Schraube fand „die vorher noch nicht da war“ und sich nicht erklären konnte, woher sie denn kommen mochte.
Das Drumset war offensichtlich intakt, und die Band spielte weiter als wäre nichts geschehen … so viel zur erfrischenden Gelassenheit und Risikobereitschaft der Jazzer.
Wir haben die Dekadenz nach der ersten Zugabe verlassen. „Stress 2022” war eine etwas wilde Jazznummer. Aber wir waren nicht umsonst nach Brixen gefahren, zumal sich Edi Nulz immer wieder und vor allem mit den erwähnten „Meganan” und „Nase” unserer Umlaufbahn genähert hatten.
Die abenteuerliche Seite in der Musik, in der Kunst, ist ja das eigentlich Schöne an der ganzen Sache.
Der Sound war zudem ausgezeichnet, das Publikum aufmerksam und die Atmosphäre im gut gefüllten Keller gut.
Bei aller anfänglichen Skepsis, ein Besuch fremder Gefilde ist nie wirklich umsonst und ganz generell, die abenteuerliche Seite in der Musik, in der Kunst, ist ja das eigentlich Schöne an der ganzen Sache.
BesucherInnen des gestrigen Konzertes können gerne in den Kommentaren die Eindrücke ergänzen.
Links:
Edi Nulz (Homepage): https://www.edi-nulz.com/
Edi Nulz (Bandcamp): https://edinulz.bandcamp.com/
Edi Nulz Live At Jazzfestival Saalfelden 2016 (Video): https://youtu.be/FkrWPVCn4AM