Das Cello, das nach heute klingt
Lukas Lauermann ist Cellist und als solcher in vielen Projekten, Bands und musikalischen Situationen aktiv. Der Blick auf die ihm gewidmete Wikipedia-Seite beeindruckt nicht nur durch die Länge der Liste an Veröffentlichungen an denen er beteiligt war, sondern auch und vor allem durch die Diversität. Wir kennen ihn von den Donauwellenreitern, einer Band, die sich mit intelligenter Musik irgendwo zwischen Minimal, Neo-Klassik und Worldmusic ihren Platz gesucht hat (und die es – seit kurzem – leider nicht mehr gibt).
Lauermann schreibt und produziert auch seine eigene Musik. Erst im Herbst letzten Jahres ist mit „Interploitation” sein bislang drittes Solo-Album über Col Legno Music erschienen, ein Album das konzeptuell in der Corona-Zeit entstanden ist. Lauermann hat sich in dieser Zeit intensiv mit diversen Effektgeräten auseinandersetzt und diese mit der Musik aus seinem Cello in Verbindung gesetzt. Stücke aus diesem Album und aus den beiden Alben davor – „I N” (2020) und „How I Remember Now I Remember How” (2017) – waren Teil seines Auftritts im Museion in Bozen, am letzten Freitag, 24. März 2023.
Der Kontext war reizvoll, denn Lauermann war Teil des LineUps von „Strategies of Glitches“, einer Veranstaltung innerhalb der Reihe „Occupy Museion”, die DJ-Sets und neue elektronische Musik präsentierte. Wie gut das funktionierte, war gleich zu Beginn zu bemerken, als Lauermann mit seinem Live-Set auf Marco Russo folgte. Russo, der die KünstlerInnen für diesen Abend gebucht hatte, hatte auch den (anfangs sehr einsamen) Job übernommen, als Erster ein verhaltenes, aber stilistisch abwechslungsreiches Techno-Set zu spielen, während im Museion selbst noch die Präsentation der neuen Ausstellung lief.
Russo's Intro war atmosphärisch und passend, ebenso der lange, rechteckige und blau ausgeleuchtete Saal im Untergeschoss und die von Lauermann gespielte Musik absolut kein Bruch irgendwelcher Art. Der Klang war raumfüllend, angenehm laut, warm und nie abgehoben oder „weit weg”. Das mag daran liegen, dass es Lauermann nicht um das reine Experimentieren ging, sondern um Musik. So konnte man im Laufe der nachfolgenden knappen Stunde gar einige „stilistische“ Wendungen mitverfolgen, aber alles blieb konsistent, nachvollziehbar, einnehmend und wirkte stets als zusammenhängendes Ganzes.
Es gab Momente, an denen das Klangbild klassischer Kammermusik durchschien, es gab Momente, die die großen akustischen Weiten aus der frühen Zeit des Synthesizers ins Gedächtnis riefen und manches Mal schimmerte fast sakraler Pathos auf. Die Effektgeräte spielten machmal eine große Rolle, manchmal eine weniger große. Es gab ein kurzes perkussives Stück und es gab minimalistische Passagen. Und es gab immer wieder sein Cello zu hören, das einfach Teil des Ganzen war.
Es ist schwer die Musik von Lukas Lauermann wirklich zufriedenstellend zu umschreiben, aber das ist letztlich zweitrangig. Sein Konzert war – kurz gesagt – sehr schön: Neue, so (von uns) noch nicht gehörte Musik in einem angemessenen Setting, bei dem spürbar war, dass eine ersthafte Auseinandersetzung mit der Musik von heute stattfindet.
Noch zwei Worte zum Setting selbst. Wer sich während des Konzertes von Lukas Lauermann im hinteren Teil des Saales aufhielt, wurde von den Geräuschen etwas abgelenkt, die von der Bar hereindrangen, aber wenige Schritte nach vorn haben das „Problem” gleich behoben, ein „Problem“ das bei einem DJ-Set natürlich keine Rolle spielt und letztlich auch uns nicht gestört hat. Es ist das einzige Detail, an dem man vielleicht feilen könnte. Ansonsten ist die Location perfekt und das Museion bleibt dabei, derlei Angebote ins Programm zu nehmen.
Live ist das einzig Wahre.
Der auf das Konzerte folgende Small-Talk auf der Treppe mit Bekannten, mit Bekannten von Bekannten und mit Lukas Lauermann selbst, hat unseren Abend perfekt abgerundet. Neue Musik live zu erleben und gleich danach frei zu reflektieren, ist eine ideale Situation. Live ist das einzig Wahre, wir wussten das bereits, aber eine Bestätigung hin und wieder ist sehr willkommen.