Sonnenbrille
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Società | fritto misto

Corona Daddys

Der eine tobt, der andere kuschelt, der dritte will uns verstehen: Meet the Landesregierungs own Corona Daddys.

Ich war immer der Meinung, ich hätte nur einen Vater, aber in letzter Zeit musste ich feststellen: Nein, es sind wohl derer mehrere. Und so ging es wohl nicht nur mir, sondern allen, die sich seit Anbeginn der Corona-Krise plötzlich in der Rolle des aufmüpfigen und ahnungslosen Kindes wiederfanden, ständig ermahnt und diszipliniert von wechselnden Herren. Dass dieser pädagogische Eifer zur Erziehung bei den meisten von uns nötig ist, geschenkt: Wir fahren trotz nationalen Notstands sorglos nach Innsbruck zum Shoppen, treffen uns unmaskiert und distanzlos zum Aperitivo und mosern rum, weil die Muckibude noch nicht offen ist und wir um unsere gestählten Körper fürchten (während viele Südtiroler Gemeinden immer noch keine Anstalten machen, die Kinderspielplätze zu öffnen, aber chi se ne frega).
Jedenfalls, konzentrieren wir uns auf die drei main Daddys und stellen uns vor, sie laden uns in ihr Büro, nachdem wir unfolgsame Fratzen in Innsbruck widerrechtlich Shoppingluft geschnuppert haben. Wer rügt wie, welche Strafpredigt wirkt am meisten und wie viel kindischer können wir uns noch verhalten?

 
 
Fall 1: Papa Thommy, rage in a cage

 

Papa Thommy ist im Grunde ein relaxter Daddy, baut der Sprößling (in dem Fall du, der undisziplinierte Bürger) aber Mist, kann er pronto auf 180 sein, wie verräterisches Augenfunkeln in so mancher Pressekonferenz bereits ankündigte. Papa Thommy ruft uns also in sein Arbeitszimmer, wir wissen eh schon, was los ist, und haben unsere Strategie, die da heißt: aussitzen. Also betrachten wir scheinbar verlegen unsere Schuhe, wohl wissend, dass ihn direkter Augenkontakt nur noch mehr auf die Palme bringt und lassen den Sturm vorüberziehen, der mit „Jo sog amol, wos hon i do gheart?!“ beginnt, sich mit „und donn fohrsch du do gonz seelenruhig Innsbruck aussi?!“ steigert und in „JO ZUWOS TIAN MIR DES OLLS WENN ES DECHT LEI AN ENK DENKTS?!“ gipfelt. Haareraufen und ein zorngerötetes Gesicht sind inkludiert, ebenso erregtes Auf- und Abgehen hinter dem Schreibtisch sowie mehrfaches energisches auf den letzteren hauen, sodass die sich dort befindliche goldene Statuette eines Mountain Bikers, auf der lässig ein chirurgischer Mundschutz abgelegt wurde, bedenklich in die Höhe hüpft.

 

Gleichmütig erträgst du, frecher Bürger, diesen Tsunami der Entrüstung, schweigst und zuckst höchstens hin und wieder entschuldigend mit den Schultern, weil du weißt, dass Rettung naht: Wie so oft in Form des Handys, das schrill und alarmierend klingelt, und Papa Thommy schneller als jede noch so aufrichtige Entschuldigung von dir jemals vermögen würde, wieder auf den Boden zurück holt: „Jo hallo?“, wird die soeben noch vom Zorn verzerrte Stimme sogleich wieder freundlich-jovial, dann eine Spur kühler: „Jo Florian, wos gibt’s?“, und du weißt, es ist vorbei, als es mit „Salto schun wieder?“, „des terf decht net wohr sein!“ und „du kimsch iatz zu mir, ober zaggi“ weitergeht. Als Papa Thommy das Telefongespräch beendet, merkst du, dass sein Ärger wie ein furioser Schmetterling längst schon auf einer anderen Blume gelandet ist, um dort zu wüten, und als er gedankenverloren: „Wo wormer grod?“ fragt, und du dich unschuldig nach den Schutzanzügen aus China erkundigst, hast du den Sieg in der Tasche. Es gibt eine wegwerfende Handbewegung, „Du, redmer des a onderes Mol, gell“, eine geistesabwesendes Kopftätscheln, ein „brav bleiben!“ und du weißt, du kannst jetzt gehen, das war’s.
Fazit: Kurz, aber heftig. Läuterung des Missetäters: gering.

 

Fall 2: Du, Philipp, Kollegendaddy

 

Die Predigt von Du, Philipp, dem Kollegendaddy, ist da schon einen Tick anstrengender, weil sie mit dem „Ich bin so enttäuscht“-Prinzip operiert und wahres Bedauern sehen will, während Papa Thommy einfach seinen Furor loswerden muss. Außerdem spielt da die digitale Welt mit hinein und macht die eigentlich private Standpauke zu einem Multimedia-Event, das natürlich auf Facebook livegestreamt wird, wie dir angesichts der auf dich gerichteten Kamera bewusst wird, sobald du dich vis-à-vis von Du, Philipp niedergelassen hast. Es wird anstrengend, das wird dir klar, als Du, Philipp, noch bevor er das erste Wort spricht, ein Täfelchen mit drei roten Rufezeichen in die Kamera hält. Mit Schrecken realisierst du: Es wird ein fleischgewordener Facebook-Post, und du bist, ob du willst oder nicht, ein Teil davon. „Ich bin sehr enttäuscht“, beginnt denn auch wie zu erwarten die Litanei, untermalt von Kummerfalten und Hundeblick. Auch du versuchst den Hundeblick, aber nein, es ist noch zu früh, er stößt auf Irritation. Man darf nicht auf „like“ drücken, noch bevor das Spektakel seinen Gang genommen hat,  denn es folgt einer sorgsam durchdachten Dramaturgie. Da ist zunächst eine Introspektion auf das eigene Seelenleben („enttäuscht“, „fassungslos“, „unverständlich“), dann softer Tadel mit passiv-aggressivem Touch („hätte ich mir gerade von DIR nicht gedacht“), gefolgt von bedeutungsschwangerer Pause.

 

Jetzt darfst du Hundeblick, und er wird dankend angenommen, denn jetzt kommt der belehrende Part, und der soll ja nicht zu paternalistisch daherkommen, sondern freundschaftlich-beratend: Man will die Beziehung auf Augenhöhe ja nicht nachhaltig schädigen. Dazu rezitiert Du, Philipp mit wohlklingender Stimme und mantramäßiger Intonation Sprüchlein, die aus dem Poesiealbum von Covid-19 stammen könnten, und deutet gleichzeitig auf die gerahmten Versionen derselben, die an den Wänden seines Arbeitszimmers hängen, wie dir jetzt erst auffällt: „Die Wende ist geschafft: Jetzt liegt es an uns! Philipp Achammer!“ spricht er zum Beispiel bewegt, oder: „Damit Zuversicht und Mut nicht umsonst sind! Philipp Achammer!“, beinah ehrfurchtsvoll, oder auch: „Verantwortung: Für sich selbst, aber auch für die anderen. Philipp Achammer!“, und jetzt hast du ihn. „Wow, wie fallen einem solch weise Sachen ein?“ fragst du so schleimig, dass dir beinahe dein Handy aus der Hand glitscht, denn du musst das Streaming natürlich zeitgleich mitverfolgen um Herzchen zu schicken, und Du, Philipp lächelt verlegen und ein bisschen stolz und sagt: „Ich habe ein tolles Team. Das macht stundenlange Brainstormings und unterlegt das Ganze dann mit atmosphärischen Bergbildern und blutrotem Hintergrund, und schon haben wir ein Meisterwerk.“ „Gänsehaut“, raunst du, und Du, Philipp nickt ergriffen: „Ja, Gänsehaut.“ Dann schweigt ihr bewegt ca. zehn Minuten lang. Du, Philipp schlägt dir dann vor, dass du ihm, falls du welche hast, gerne zehn Fragen stellen kannst, die er ab 18 Uhr live auf Facebook beantworten wird, aber du lehnst dankend ab. Abschließend klopft er dir wohlwollend auf die Schulter, schüttelt die lästige Rolle des Disziplinators ab und will wissen, was du denn eigentlich gekauft hast in Innsbruck. Du sagst „ein cooles game für die Playstation“, und er: „Wow, zocken wir doch eine Runde“, weil er jetzt bonding braucht, und innerlich seufzend willigst du ein, weil es immer noch besser ist als schon wieder Hausarrest.  
Fazit: emotional fordernd. Läuterung des Missetäters: mittel.

 

Fall 3: Vater Arno, no nonsense

 

Als dich Vater Arno in sein Arbeitszimmer ruft, da bereust du eh schon aus tiefstem Herzen diesen blöden Shopping Trip nach Innsbruck, weil du weißt, jetzt wird’s richtig anstrengend, und scheiße, das war’s vermutlich wirklich nicht wert. Du setzt dich also in in diesen asketisch eingerichteten Raum, irgendwo flattert eine seltsame Tiroler Fahne herum, und lässt dich mal aus zusammengekniffenen Augen streng mustern. Vater Arno wirkt ruhig, die Beine überschlagen, Arme verschränkt, lässig nach hinten gelehnt, aber innerlich brodelt er, das verrät das zuckende Fiaßl. Mindestens fünf Minuten lang sagt er gar nichts und schaut nur mit schmalem Mund, und du erinnerst dich an vergangene Standpauken und verdammt, das wird dauern, den Filmabend heute kannst du streichen. Nein, das war es echt nicht wert. Das jetzt schon zuzugeben nützt dir aber gar nichts, denn Vater Arno will dich grillen, er will dich schön langsam von jeder Seite her durchkochen, bis der letzte Saft des Ungehorsams aus dir verzischt ist auf dem steten aber beherrschten Feuer seines Unmuts. Wenn er zumindest brüllen würde, aber nein: Irgendwann lehnt er sich nach vorne und sagt: „Bitte erklär’s mir, ich will es verstehen“, ruhig, aber mit drohendem Unterton, und du bist geliefert, weil da gibt es ja nichts zu verstehen, außer dass du einfach total bescheuert warst.

 

Also zuckst du verlegen mit den Schultern und ihr schweigt nochmal fünf Minuten lang, und dann legt er los, ruhig, beherrscht und unerbittlich wie ein Vorschlaghammer und rollt den gesamten Corona-Verlauf in Südtirol wieder auf: die Schließung der Skigebiete, das RKI, die Kritik der Bevölkerung, die Situation auf den Intensivstationen, die Verhandlungen mit Rom, die Kritik der Bevölkerung, die Pressekonferenzen, seine Corona-Frisur und gemeine Tweets darauf, der Lockdown und seine Folgen, die Kritik der Bevölkerung, der Besuch von Boccia, die Sache mit den Schutzmasken, die Kritik der Bevölkerung und und und. „Meinst du, das hat mir Spaß gemacht?“ Und du schüttelst nur leise den Kopf und schaust verstohlen auf die Uhr und jetzt sitzt du schon seit einer Stunde hier und vielleicht war’s das ja auch schon, aber nein, jetzt macht er den PC an und dreht den Bildschirm zu dir, und jetzt musst du mit ihm Infektionskurven studieren, eine nach der anderen, weil er will, DASS DU ES VERSTEHST, und als wäre das nicht schon schlimm genug, öffnet sich unvermutet die Schranktür und Professor Gänsbacher steigt heraus und sagt: „Horch, Biabl: Entweder du killst das Virus, oder das Virus killt dich! Das schauen wir uns jetzt an!“, und du siehst mit Schrecken, dass er einen Schlafsack unter dem Arm trägt, das wird eine lange Nacht, und die Mama ruft zum Essen, und du weißt es gibt leckere Knödel, aber Vater Arno ruft zurück: „Nein, wir brauchen da noch länger!“, und in einem Anflug der totalen Verzweiflung willst du wenigstens dem Gänsi entkommen und fragst ihn frech, wieso er eigentlich nicht in der Expertenkommission des Landes ist, aber er sagt bloß streng: „Das tut jetzt nichts zur Sache! Perfection is the enemy of the good!“ , und Vater Arno kneift die Augen zusammen und du weißt, das gibt nochmal zwei Wochen Hausarrest extra, und ergibst dich schließlich willenlos.
Fazit: Folter pur. Läuterung des Missetäters: completed.

Ob wir aus der Rolle der unartigen Fratzen jemals wieder herausfinden: Wir können es nur hoffen.

 

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Klemens Riegler Mar, 05/26/2020 - 09:21

Mami Martha hat schon geahnt dass da was kommt und hat die Pfannen an Tommy abgegeben.
Mami Wally hütet zu Hause und lässt lieber die Papi‘s an die Kriegsfront.
Mami Kuenzer muss sich um ihre Sippschaft kümmern.
Mami Brigitte möchte gern Hosen anziehen, darf aber net.
Mami Ulli hat immer Hosen an, was aber weder Weiblein noch Männlein gefällt.
Mami Miri dürfte auch nicht wirklich weiterhelfen.
Die Jasmin muss erst noch Mami werden.
Die gelbe K-Mami Maria ist ganztags mit Schreiben von Presseaussendungen beschäftigt, also fällt für Arbeit auch aus.
Da wäre dann noch die Lega-Mami aus Meran ... aber von der weiß man überhaupt nix.
Damit wäre der Mutterkuchen dann auch schon gegessen.

Mar, 05/26/2020 - 09:21 Collegamento permanente