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Wer nicht zahlt, den zahle ich

Mit einer einfachen, für jeden zugänglichen Aktion kämpft "Addiopizzo" gegen die Schutzgeldzahlungen an die Mafia: ein Tabu, über das gesprochen werden darf.
Addiopizzo
Foto: addiopizzo facebook

Wer kennt sie nicht, die schwarze Figur, die sich in einen blau-grünen Kreis schmiegend, Schokoladen oder Kaffeeprodukte ziert? Oder das weiße Häkchen, das sich in einen Baum verwandelnd, die Nachhaltigkeit unseres Toilettenpapiers bezeugt? Auch die sizilianische Organisation Addiopizzo will auf diese Weise zu kritischem Konsum anregen: Ihr Symbol, ein oranges “X” in einem Kreis, auf denen die Worte “addio pizzo” und “consumo critico” zu lesen sind. Die Aufkleber, die die Fassaden von mehr als 1000 Betrieben in der Provinz Palermo zieren, zeugen davon, dass die Händler und Produzenten keinen “pizzo”, kein Schutzgeld an die sizilianische Mafia zahlen.

 

 

Die Initiative, die heute zu den wirkungsvollsten Anti-Mafia Bewegungen in Sizilien zählt, wurde 2004 gegründet. Einige Freunde wollten nach ihrem Studium ein Pub in Palermo eröffnen. Den beinahe obligatorischen “pizzo” wollten sie jedoch nicht bezahlen. Sie suchten also nach einem Weg, die Schutzgeldzahlungen an die Mafia zu vermeiden.

“Damals zahlten 80 Prozent aller Händler den pizzo” erklärt Alessandra Perrone, langjähriges Mitglied der Organisation. “Die Anzeigen dagegen konnten jedoch an einer einzigen Hand gezählt werden”. Über die Schutzgeldzahlungen zu sprechen war tabu, sie zu verweigern oder gar zur Anzeige zu bringen wurde mit Einschüchterungen oder, wie im Fall des Stoffhändlers Libero Grasso, mit dem Tod bestraft. Jene, die sich öffentlich gegen die Schutzgeldzahlungen stellten, mussten zudem mit einem Kundenverlust rechnen: “Viele BürgerInnen hatten Angst, andere waren es gewohnt, mit dieser Realität zu leben.” Ein Netzwerk, das jene unterstützte, die die Schutzgeldforderungen zu Anzeige brachten, gab es nicht. Doch genau so ein Netzwerk war nötig, um einen kulturellen Wandel herbeizuführen. Was also tun?

 

Pago chi non paga

 

Über Nacht stellten die JungunternehmerInnen dem Tabu eine gewagte Sensibilisierungsaktion entgegen. Sie verteilten Aufkleber und Plakate in der ganzen Stadt, auf denen zu lesen war:

 

Un intero popolo che paga il pizzo, è un popolo senza dignità.

 

Aus dem Tabu wurde zuerst heimlich und dann immer lauter etwas, worüber die Menschen sprachen. Die Initiatoren bemühten sich darum, die Unterschriften jener Menschen zu sammeln, die mit ihren Einkäufen eine Liste von Händlern unterstützen wollten, die keinen pizzo bezahlten. 2005 wurden die Unterschriften im “Giornale di Sicilia” veröffentlicht. Ein Jahr später die Liste der ersten 100 Unternehmen, die Teil der Kampagne werden wollten.

 

 

Heute, 17 Jahre später, sind über 1000 Betriebe Teil der Organisation, rund 13.400 Verbraucher haben ihre Unterstützung zugesichert und auch in Catania und Messina wurden Partnerorganisationen gegründet. Dem Netzwerk beizutreten sei zwar nicht schwierig, meint Perrone, es erfordert jedoch eine genaue Prüfung, die circa einen Monat in Anspruch nimmt und einige Interviews und persönliche Treffen beinhaltet. “Wir können natürlich nicht jeden aufnehmen, aber die meisten, die uns kontaktieren, sind Menschen, die die Werte der Initiative mittragen”, erklärt Perrone. "Vor allem junge Menschen bemühen sich darum, dem Label noch vor der Eröffnung ihres Betriebs beizutreten. E questa è una gran bella cosa!”, freut sich Perrone.

 

 

Einerseits zieht das Label Konsumenten an, die die Aktion unterstützen möchten. Andererseits schreckt es jene Menschen ab, die die Schutzgeldzahlungen einfordern. “Anhänger der Mafia wissen, dass sie in unseren Betrieben mit einer Anzeige rechnen müssen", erklärt Perrone. "Die Unternehmerinnen und Unternehmer wenden sich direkt an uns und wir begleiten sie im Anzeigeprozess. Das Netzwerk von Addiopizzo ist eine große Unterstützung für jene, die Anzeige erstatten möchten."

 

“Das Logo hält jene fern, die die Schutzzahlungen einfordern. Sie wissen, dass sie in diesen Orten mit einer Anzeige rechnen müssen.”

 

Der Pizzo ist heute kein Tabu mehr und es ist einfacher geworden, Anzeige zu erstatten. “Trotzdem, das Problem ist noch nicht überwunden und es gilt weiter daran zu arbeiten.”, meint Perrone. “Unsere Aktion war deshalb erfolgreich, weil sie zugänglich ist. Alle, auch Kinder, können dazu beitragen, Unternehmer und Unternehmerinnen zu unterstützen, die sich weigern, den pizzo zu zahlen. Diese konkrete Unterstützung hat in den Jahren einen kulturellen Wandel hervorgerufen, den es weiter zu nähren gilt."