Politica | Masken-Affäre

Aktion Maulkorb

Die Landesregierung boykottiert die Untersuchungskommission des Landtages. Arno Kompatscher hat ein Rechtsgutachten erstellen lassen, um die Anhörungen zu verhindern.
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Foto: Südtiroler Landtag
Der Termin steht seit Wochen fest.
Am Freitag den 26. Juni ist die gesamte Landesregierung zur Anhörung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtages zur sogenannten Masken-Affäre geladen. Bereits vor zwei Wochen sind die Einladungen an alle Landesräte hinausgegangen.
Vieles deutet aber jetzt schon darauf hin, dass am morgigen Freitag die Sitzung des Untersuchungsausschusses äußerst kurz sein wird. Denn nach Informationen von Salto.bz hat bisher nur ein Landesrat, nämlich Giuliano Vettorato (Lega) sein Kommen schriftlich zugesagt.
Das ist kein Zufall. Denn es wird immer deutlicher, dass die Landesregierung ganz bewusst und strategisch alles tut, um dem von der Opposition eingeforderten Untersuchungsausschuss zu boykottieren. Man will die Aufdeckung der Affäre rund um die 35-Millionen-Bestellung von Schutzausrüstung in China ins Leere laufen lassen.
Dazu greift man ordentlich in die politisch-juristische Trickkiste.
 

Kompatschers Bestellung

 
Weil außer Vettorato kein anderes Landesregierungsmitglied für die geplanten Anhörungen zugesagt hat, verschickte die Landtagsverwaltung am Dienstag dieser Woche (23. Juni) eine zweite schriftliche Aufforderung an die Landesräte und Landesrätinnen.
Noch am selben Tag beauftragt Arno Kompatscher die Leiterin der Anwaltschaft des Landes Renate von Guggenberg mit einem Rechtsgutachten. Allein die Fragestellung macht dabei deutlich, wohin die Reise gehen soll.
Laut geltender Rechtauffassung ist es so, dass die Funktionäre und Angestellten der Landesverwaltung und des Sanitätsbetriebes formal für die Anhörung in der Untersuchungskommission die Erlaubnis ihrer Vorgesetzten einholen müssen.
 
 
Der Landeshauptmann erkundigte sich bei seiner höchsten Rechtsberaterin deshalb, „ob eine Ermächtigung zur Anhörung von Führungskräften der Landesverwaltung und des Sanitätsbetriebes im Untersuchungsausschuss „Prüfung, Analyse und politische Bewertung des Ankaufs und der Verwendung von Schutzausrüstungen im Rahmen der Covid-19 Pandemie“ angesichts laufender Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft in der zugrundeliegenden Angelegenheit erfolgen kann“.
Renate von Guggenberg arbeitete die Bestellung umgehend ab. Bereits einen Tag später, am 24. Juni trudelte beim Präsidenten der Untersuchungskommission Franz Ploner, beim Vizepräsidenten Gert Lanz, sowie beim Landtagspräsidenten Sepp Noggler und dem Generalsekretär des Landtages Florian Zelger ein Schreiben des Landeshauptmannes mit dem Betreff „Anhörungen im Untersuchungsausschuss“ ein.
Es ist ein Schlachtplan, um die Arbeit des parlamentarischen Kontrollgremiums zu desavouieren.
 

Das Schnellgutachten

 
Dem Schreiben Arno Kompatschers ist das Rechtgutachten von Renate von Guggenberg beigelegt.
Die Leiterin der Anwaltschaft hat auf zwei Seiten ein Schnellgutachten erstellt, das jedem Strafverteidiger zu Ehren gereichen würde.
Das Resümee der höchsten Juristin des Landes:
 
„Aufgrund dieser Ausführungen muss die Auffassung vertreten werden, dass zwar eine Ermächtigung zur Anhörung erfolgen kann, es aber den betroffenen Personen freisteht, der Vorladung nachzukommen, wobei der Umstand, dass gegen sie selbst ermittelt wird bzw. werden könnte oder dass sie in einer anderen Eigenschaft (z.B. als Person, die über den Sachverhalt Bescheid weiß) in die strafrechtlichen Ermittlungen involviert sind, bei der Entscheidung sicherlich eine große Rolle spielt und dass, selbst wenn sie sich dafür entscheiden sollten, der Vorladung nachzukommen, sie von ihrem Recht Gebrauch machen könnten, die Aussage – eventuell auch nur zum Teil - zu verweigern bzw. diese nur in Anwesenheit des Verteidigers zu machen.“
 
 
 
Ganz am Ende des Rechtsgutachtens erlaubt sich Renate von Guggenberg dann eine Schlussfolgerung, die weit über ein Rechtsgutachten hinausgeht und eher als politische Stellungnahme gewertet werden kann.
Von Guggenberg:
 
„Es stellt sich somit die Frage, ob es nicht opportun wäre, dass der Untersuchungsausschuss seine Tätigkeit bis zum Abschluss der strafrechtlichen Untersuchungen aussetzt, um dann im Rahmen eines guten und ungetrübten Arbeitsklimas seinen Aufgaben nachkommen zu können.“
 

Versenkte Untersuchung

 
Arno Kompatscher greift genau diesen Vorschlag dann dankend auf. Der Landeshauptmann meint in seine Begleitschreiben an den Landtag:
 
„Aus diesem Grund ersuche ich die Vorsitzenden und Mitglieder des Untersuchungsausschusses um dringliche klärende Prüfung der Frage, ob es nicht in der Tat opportun wäre, die Anhörungen und Arbeiten des Untersuchungsausschuss erst nach Abschluss der laufenden Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft fortsetzen zu wollen.“
 
Es ist der klare Versuch die Arbeit des Untersuchungsausschusses zu blockieren.
Derzeit hat die Bozner Staatsanwaltschaft offiziell nur Vorermittlungen gegen Landesrat Thomas Widmann (wegen der Schlauchtücher) und den Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes Florian Zerzer eingeleitet.
Mit diesem Rechtsgutachten sollen aber nicht nur diese beiden aus der Schusslinie der Opposition genommen werden, sondern allen vorgeladenen Zeugen die Möglichkeit geboten werden, sich den unangenehmen Fragen zu entziehen. Gleichzeitig erhöht sich nach dieser Vorgabe der Druck in der Landesverwaltung und im Südtiroler Sanitätsbetrieb auf jene Beamte und Beamtinnen beträchtlich, die vor dem Untersuchungsausschuss als Zeugen aussagen wollen. Was durchaus gewollt ist.
Vor allem aber weiß Arno Kompatscher, wie das italienische Gerichtssystem funktioniert. Der Vorschlag, dass der Untersuchungsausschuss erst nach Abschluss der laufenden Ermittlungen seine Arbeit wieder aufnehmen soll, würde bedeuten, dass man die Arbeiten in dieser Legislatur bis Herbst 2023 kaum mehr abschließen wird. Und sich damit sich die gesamte Arbeit eines parlamentarischen Kontrollgremiums im Nichts auflöst.
Das dürften dann auch der eigentliche Sinn und das Ziel dieser Verzögerungstaktik sein.
Sinn und Zweck dieser Verzögerungstaktik ist es, dass sich die gesamte Arbeit eines parlamentarischen Kontrollgremiums im Nichts auflöst.
Wie weit man dafür zu gehen bereit ist, macht auch ein Passus im Rechtsgutachten der Anwaltschaft des Landes deutlich
Renate von Guggenberg zitiert zur Untermauerung ihrer These ausgerechnet das Urteil des Verfassungsgerichtshofes Nr. 4 vom 10. Jänner 1991, in welchem es um die Verfassungsmäßigkeitsfrage des vom Regionalrat Siziliens genehmigten Regionalgesetzes „Istituzione di una Commissione parlamentare d'inchiesta e vigilanza sul fenomeno della mafia in Sicilia” geht.
Es ist ein Verweis, der mehr sagt, als manchem lieb sein dürfe.