Auf den Spuren der „neuen“ Wirtschaft – „verdECOnomia mittendrin… in der Gärtnerei Schullian“

Die alles dominierende Farbe würde bestens zu unserer Politik passen. Denn auch wenn die Farbenpracht vielfältig strahlt, das Grün überwiegt. Christoph Moar und ich besuchten im Rahmen unserer "verdECOnomia mittendrin" Tour an diesem 21. September die Gärtnerei Schullian am Stadtrand von Bozen. Auf der Suche nach Best practice, nach Unternehmen die für's Gemeinwohl sorgen, schauen wir heute hinter die Kulissen der Gärtnerei. Um zu verstehen welche Bedürfnisse die Praxis hat. Und um am Ende des Gesprächs sogar einen neuen Begriff kennen zu lernen: "Andernach"
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Gleich am Empfang erwartet uns Martina Schullian. Die Unternehmerin erweiterte den langjährigen Engros-Betrieb 1994 mit einem Detailhandel und ist durch ihre Arbeit in der Gärtnerei, aber auch durch ihre innovativen Kunst- und Kulturideen mittlerweile in und außerhalb von Bozen bekannt.

Die Gärtnerei Schullian hat eine lange Tradition, die bis ins Jahr 1958 zurückreicht, wo der Vater von der jetzigen Inhaberin den Produktionsbetrieb für Jungpflanzen gegründet hat. Martina Schullian war nicht von Beginn an überzeugt, in den elterlichen Betrieb einzusteigen. Nach Studien- und Lebensaufenthalten in München und Wien zog es sie aber doch zurück in die Heimat, wo sie nun kräftig ihre Energien in die Gärtnerei steckt.

Die Philosophie

„Was macht diesen Betrieb besonders?“ war eine der Fragen, die ich mir im Vorfeld notierte und schon sehr bald im Gespräch mit Martina wurde mir die Antwort klar. Es ist die Leidenschaft und Perfektion, mit der die Unternehmerin die Dinge anpackt. Schon alleine die Verkaufsräume zeigen Dinge, die man sich in einer Gärtnerei nicht unbedingt erwartet. Von den unterschiedlichsten Dekorationen, von schön bis verrückt; zu dem Verkauf von Büchern und Dingen, die nicht in erster Linie dem Kerngeschäft zugehörig sind, bis hin zu einfach schönen Dingen die das traute Heim wohnlicher und heimeliger werden lassen.

Und wenn man die Unternehmerin nach weiteren Ideen für die betriebliche Zukunft fragt, ergänzt sich das Konzept stimmig. Gerne würde sie eine kleine Bistroecke einrichten. Kein Restaurant, aber einen Ort schaffen, wo man gerne einen Moment verweilt, einen Snack zu sich nimmt, kurz mal abschaltet und innehält. Wo ließe sich das besser, als inmitten von duftenden Pflanzen.

Möglichkeiten und Innovationen

Doch hier liegen auch schon die ersten (gesetzlichen) Steine im Weg. In der Detailhandelslizenz sei das nicht enthalten. Das erinnerte mich spontan an ein Gespräch vor einiger Zeit mit einem Tankstellenpächter, der die eingeschränkten Lizenzmöglichkeiten geißelte. In Österreich und Deutschland seinen solche Dinge wie ein Café oder Bar gang und gäbe. In Italien ist hier vieles eingeschränkt. Und Südtirol bildet dabei keine Ausnahme. Hätten wir doch in der Handelsgesetzgebung Möglichkeiten, die wir nicht nutzen. Aber natürlich würden dabei sofort auch wieder Kritiker auf den Plan treten, ist Martina überzeugt. Schließlich erlebte sie das auch Selbst so, als sie im Kulturbereich neue Wege ging. Als gelernte Kunsthistorikerin war es für sie eine wunderschöne Ergänzung die Räumlichkeiten der Gärtnerei für Kunst und Kultur zu öffnen. Für die Veranstaltungen, Lesungen, Vernissagen wurde die Gärtnerei bekannt und machte aus dem reinen Blumengeschäft einen besonderen Ort, einen Ort mit Seele.

Gibt es eine Krise?

Die Frage nach der Krise ließ Martina zuerst den Kopf schütteln. Schon alleine diese Frage. Sie kann sie nicht mehr hören. Man merkt, sie will nach vorne schauen, entwickeln, machen, schaffen und sich nicht mit Dingen beschäftigen, die nur schwer beeinflussbar sind. Aber ja, die Krise hat auch in dieser Branche Einzug gehalten. Mit ungefähr 60 weiteren Gärtnereien bildet die Gärtnerei Schullian einen Verband. Einen Verband derjenigen, die zu den Besten gehören wollen. Sich gegenseitig unterstützen, über den Tellerrand hinausschauen und von anderen lernen, das sind einige der Ziele. Und die Zahlen der Kollegen sprechen leider bezüglich Krise eine deutliche Sprache: 10% minus im Jahr 2012. Insel der Seligen gibt es wohl auch in diesem Bereich kaum mehr.

Und doch hört man mit keinem Wort Pessimismus aus den Aussagen. „Man muss sich mehr anstrengen als früher, das stimmt“, meint Martina. Klar, dass es dabei fein wäre, wenn einem die Politik das Wirtschaften nicht noch schwerer mache. Die steigenden Kosten fressen den Umsatz Stück für Stück auf und lassen den Gewinn unsicherer werden. Unsinnige Arbeitssicherheitskurse, die nur der Zettelwirtschaft und nicht der Sicherheit dienen, regen sie auf.

Hat die Politik versagt?

Das Traurige ist, dass auch erfolgreiche Unternehmerinnen wie Martina Schullian sich sehr wenig von der Politik erwarten. Sie glaube irgendwie nicht daran, dass Politik die Probleme lösen könnte. Die Politik und die Politiker haben lange das Image verkauft, sie löse alle Probleme. Die Menschen erwarteten sich das teilweise und forderten und fordern es zeitweise auch ein. Bis die Enttäuschung eintritt, da die Erwartung nicht erfüllt wird. Nun ist Zahltag, bzw. Wahltag. Eine Chance. Aber nur für denjenigen, der daran glaubt. Und das werden immer weniger.

7000m² überdachte Glasfläche

Martina führt uns noch durch die Gärtnerei, die am Eingang gar nicht so groß aussieht. Aber Glashäuser an Glashäuser reihen sich, insgesamt 7000m² überdachte Glasfläche, und wir gelangen zu den verwinkelten Ecken der Gärtnerei. Sehen dabei auch, dass einige Glashäuser leer stehen.

„Die Produktion ist zurückgegangen Doch ich darf mit den Glashäusern nicht das machen, was ich möchte, heizen muss ich sie aber trotzdem und erhalten.“ Die Gesetze schlagen wieder zu. Martina zeigt uns den Ort, wo sie sich vorstellen könnte, das Bistro aufzubauen. Von Glashäusern umgeben, eine Art Innenhof, der zurzeit nicht genutzt wird. Wir könnten uns sehr gut vorstellen hier auf ein Glasl zu verweilen, umgeben von schönen Pflanzen und Düften in der Ruhe des Stadtrandes. Wäre da nur nicht der knatternde Hubschrauber, der uns in unseren Gesprächen immer wieder innehalten lässt, weil man sein eigenes Wort nicht mehr versteht.

Grüne Energie

Auch bei der Energie ist Martina neuerdings „grün“, auf Pellets Heizung umgestiegen und hat den alten Heizöltank in Rente geschickt. Abgesehen von der persönlichen Überzeugung war es auch die Abschaffung der Steuerbefreiung, die in Italien auf Heizöl angewandt wurde. Die EU hat diese Steuerbefreiung angefochten und die Kosten für das Heizöl stiegen plötzlich um 70% an. Hier muss ich sagen, hat die Politik schon dafür gesorgt, dass grüne Energie zum Zuge kommt und das Heizöl berechtigterweise den Nachteil hat. Vielleicht ist doch nicht alles falsch, was von der Politik kommt.

Andernach – die essbare Stadt

Bevor wir zu unserem Arbeitseinsatz schreiten als Ausgleich für die uns geschenkte Zeit sprechen wir noch über mögliche zukünftige Entwicklungen, über Werte, Wandlung der Gesellschaft und landen irgendwann bei dem Begriff Andernach. „Was ist das?“, fragen Christoph und ich unisono. „Andernach ist die essbare Stadt“, erklärt uns Martina. Ein Ort, wo das sogenannte urban gardening einen weiteren sozialen Evolutionsschritt erlebt hat. Urbang Gardening ist laut Wiki „die meist kleinräumige, landwirtschaftliche Nutzung städtischer Flächen innerhalb von Siedlungsgebieten oder in deren direktem Umfeld.“ Also der Anbau des eigenen Gemüses auf dem Balkon, der Gemeinschaftsgarten im Innenhof.

Orte wo sich die Wünsche nach echter Nahrung irgendwie erfüllen. Wo Essen wächst, das nicht aus einer Fabrik stammt und in fünf Minuten in der Mikrowelle warm ist. Nahrung, die man noch riechen, fühlen, schmecken kann, weil man sie selbst gepflanzt hat. Und Andernach ist eine Stadt im Rheinland-Pfalz, wo sich mutige Menschen einem Projekt verschrieben haben, um das Urban Gardening mit der Gesellschaft zu verbinden. Es war ein Versuch, ganz ohne großartige Planung oder Genehmigung. Anstatt der klassischen Zierpflanzen wurden Gemüse und Obststauden von der öffentlichen Gärtnerei gepflanzt und alles gehört allen. Wer im ersten Moment an gegenseitiges Bestehlen und ungepflegte Beeten denkt, liegt falsch. Das Projekt wurde ein Riesenerfolg und weltweit kommen Städteplaner, um sich das Modell anzuschauen. Hier ein interessanter Artikel darüber in der Zeit online: http://www.zeit.de/2013/36/urban-gardening-essbare-stadt

Wir schreiten zur Tat

Irgendwas wollten wir nun doch helfen. Unseren Beitrag leisten für die Zeit, die uns Martina geschenkt hat. Also ran an die Pflanzen. Eintopfen war angesagt. Für mich eine rundum neue Erfahrung, Christoph zeigte sich da schon geschickter und konnte nicht nur die Farben der Pflanzen nennen (so wie ich), sondern sogar deren Namen. Ich war beeindruckt.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen und zu unserer Überraschung durften wir das Selbstproduzierte dann sogar als Geschenk mit nachhause nehmen. So trugen wir dann auch zum Gemeinwohl unserer Familien bei.

Wir bedanken uns sehr herzlich bei Martina und ihren Mitarbeiter für die Zeit geschenkt dir sie uns geschenkt haben um Einblick zu gelangen in einen weiteren Betrieb wo Menschen mit Leidenschaft ihrer Arbeit nachgehen. Und wo es auch sichtbar wird, dass Unternehmen Freiräume brauchen um sich entfalten zu können.

Ich für mich habe meine Überzeugung weiter gefestigt: Wenn wir es schaffen die „Guten“ von den „Schlechten“ Unternehmen sichtbar zu trennen, zum Beispiel durch das Wirtschaftsmodell der Gemeinwohlökonomie, können wir diesen auch durch die Politik Freiräume schaffen. Damit die „neue“ Wirtschaft Schule macht, damit das Gemeinwohl wieder eine Chance kriegt.

Danke Martina und deinem Team