Economia | Rückkehr

Den Laden im Dorf lassen

Ein Metzger will mehr: In einer von der Nahversorgung abgeschnittenen Zone Bozens eröffnet Thomas Schrott (wieder) einen Dorfladen.
Thomas Schrott vor Laden
Foto: Salto.bz

Mit einem metallischen Surren hebt sich das Gitter vor dem Ladenfenster. Eine Spaziergängerin hält an.“Ach, ihr macht schon auf?” Thomas Schrott muss die Dame vertrösten. Erst in ein paar Tagen ist es so weit. Die Nachricht hat sich wie ein Lauffeuer in der Nachbarschaft verbreitet: In der Bozner Runkelsteiner Straße wird es wieder einen Laden geben. Einen “Laden im Dorf”. So hat Thomas Schrott sein Lebensmittelgeschäft getauft. Einem historischen Lokal und der Wohngegend am nordöstlichen Rand der Altstadt wieder Leben einhauchen. Das ist die Vision des gelernten Metzgermeisters.

 

Es ist ein sonniger Septembermorgen, an dem Thomas Schrott seinen Laden kurz für salto.bz öffnet. Noch ist er karg eingerichtet und spärlich bestückt. Seit fast 50 Jahren betreiben die Schrotts in der Runkelsteiner Straße eine Metzgerei. Lange Zeit führte die Familie, zunächst Vater, dann Sohn, dort auch ein Fleisch- und Wurstwarengeschäft. Bis man vor drei Jahren den Verkaufsbetrieb einstellte und ins Stadtzentrum zog.

Die Metzgerei in der Goethestraße, zwischen Obstmarkt und Dominikanerplatz, betreibt Thomas Schrott heute auch als gastronomisches Spezialitäten-Geschäft. Die Produktion – neben Fleisch- und Wurstwaren stellen Schrotts, bzw. die Köchinnen Paula und Martha Fertiggerichte wie Knödel und Teigwaren her – ist in der Runkelsteiner Straße geblieben. Das Elternhaus, geziert von einer Wandmalerei von Rudolf Maria Complojer, gehört inzwischen Thomas Schrotts Schwester. Er selbst wohnt in Unterrinn am Ritten.

 

Immer wieder sei er gefragt worden, ob er das aufgelassene Geschäft in der Runkelsteiner Straße nicht wieder aufmachen wolle. “Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, weniger zu arbeiten”, gesteht Thomas Schrott. Dann schloss Anfang 2019, nur einen Steinwurf von seinem Metzgerbetrieb entfernt, Dado Duzzi seinen Lebensmittelladen. Damit war auch der letzte Nahversorger aus der Zone verschwunden.

Auch weil er jemand sei, “der immer Herausforderungen sucht”, so Schrott, hat er beschlossen, das alte Metzgergeschäft in einen kleinen Lebensmittelladen zu verwandeln. Er die Nahversorgung im Viertel (wieder) gewährleisten, “das Dorfleben beleben”. Die Gegend am Rande der Altstadt, entlang der Talfer, nennt sich Bozen Dorf. Daher auch der Name: “Laden im Dorf”.

 

Das Sortiment hat Schrott mit Sorgfalt zusammengestellt. Bis auf wenige Ausnahmen –  “Öl, Balsamicoessig oder Reis beziehe ich von auswärts” – kommen die Lebensmittel vor allem von kleinen Produzenten aus der Region: täglich frisches Brot, Milch, Joghurt, Käse. Das Fleisch stammt großteils vom Ritten und aus dem Oberpustertal, Hühnerfleisch soll bald aus dem Trentino bezogen werden, “beim Schwein gibt es nationales Fleisch oder aus Bayern, denn Südtirol ist ja bekanntlich kein Schweineproduzenten-Land”. Lamm liefert sein Vater, der – “im wohlverdienten Ruhestand”, wie Schrott schmunzelnd meint – am Ritten einen Hof hat. Obst und Gemüse soll es je nach Saison geben, direkt vom Bauern.

“Und bitte ein paar Bio-Produkte”, wünscht sich die Spaziergängerin von der Straße. Ja, wird es auch geben, nickt Thomas Schrott. Aber viel mehr als auf Bio achte er auf die Herkunft der Lebensmittel. “Mir sind ehrliche Produkte wichtiger – und woher sie kommen: regional, von kleinen Produzenten und guter Qualität.”

 

Am 8. Oktober wird Eröffnung gefeiert. Zwei Mitarbeiter und Schrott selbst werden den “Laden im Dorf” schmeißen. Aber wer wird sich einen Einkauf dort leisten können?
Auch in Bozen (Dorf) ist es heutzutage keine Selbstverständlichkeit, einen Lebensmittelladen im näheren Umkreis vorzufinden. Doch er wolle seine Kundschaft dafür nicht extra zahlen lassen, betont Schrott. Er werde eine “bewusste Preispolitik” betreiben, “so dass es sich jeder leisten kann, täglich hier einzukaufen”. Zugute kommt ihm dabei auch, dass er für die rund 40 Quadratmeter an Ladenfläche keine hohe Miete an seine Schwester berappen muss.

Viel Einsatz und Kraft habe ihn die Neu- bzw. Wiedereröffnung des  Geschäfts gekostet, gesteht der 46-Jährige. Doch er habe viel positiven Zuspruch erhalten. In Bozen Dorf scheint man sich auf die Rückkehr der Nahversorgung zu freuen – darauf, einen Laden im Dorf zu haben. Nicht nur dem Namen nach.