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Die Tiefgründige

Sie beobachtet genau und fragt nach, bevor sie sich eine Meinung bildet. Barbara war fast ein halbes Jahr lang in Sambia. Seither gibt sie jedem Tag eine neue Chance.
Barbara Vieider
Foto: Anna Mayr

Barbara Vieider ist 1992 in Bozen geboren, hat 2011 am Pädagogischen Gymnasium maturiert und flog im Jänner 2012 für fünf Monate nach Sambia. Ein Jahr später kehrte sie nochmals zurück. Sie studierte in Linz Sozialwirtschaft und absolvierte in Bologna einen Master zu lokaler und globaler Entwicklung. Derzeit arbeitet sie auf Bauernhöfen in Mittel- und Süditalien als Freiwillige.

 

Barbara, du hast bereits in der Oberschulzeit die Vorbereitungstreffen der OEW besucht. Was ist dir in Erinnerung?

Barbara Vieider: Bei diesen Treffen wurde uns vermittelt, im Projekt zuerst zu beobachten, mit zu leben und das eigene Handeln als Weiße in einem afrikanischen Land gut zu reflektieren.

Wie sah dein Angebot für die Kinder in der Schule aus?

Als ich in Chipata ankam, war Verena Gschnell aus Südtirol noch dort. Sie hatte mit den Jugendlichen in der Nachmittagsbetreuung unter anderem zu stricken und zu nähen begonnen – Aktivitäten, die ich fortsetzte. Außerdem haben wir gemalt, gebastelt, uns im Freien aufgehalten und spielerisch Lerninhalte vertieft.

Was haben dich die Kinder gelehrt?

Das Lachen der Kinder ist universell. Ich mag das Spontane, die Freude und Wertschätzung, wenn man sich Zeit für sie nimmt. Ab der 1. Klasse haben sie in der Schule Englisch gelernt, so konnten wir uns in Englisch unterhalten. Ich wollte aber unbedingt Cinyanja lernen und war ungeduldig mit mir. Die Kinder haben mir ihre Sprache beigebracht. Sie konnten herzhaft lachen, wenn ich etwas falsch ausgesprochen habe.

Was hat dich beeindruckt?

Das Thema Zeit. Der Tagesablauf wird von äußeren Faktoren bestimmt: aufstehen, wenn die Sonne aufgeht; warten, weil es zu viel regnet; stehenbleiben, weil einem jemand begegnet. Wir haben für alles mehr Zeit gebraucht, das Stadtzentrum war vier Kilometer entfernt und wir meistens zu Fuß unterwegs, haben auf Kohle gekocht, die Wäsche mit der Hand gewaschen.

 

Hast du außerhalb der Schule viele Menschen kennengelernt?

Ich habe einiges vom sambischen Landleben mitbekommen, konnte mit der Zeit einordnen, wie abgeschieden die Familien lebten, oft weit entfernt von den nächsten Nachbarn, von der Schule, von der nächsten Wasserstelle; wie schwierig es im Ernstfall mit der medizinischen Versorgung ist. Die Besuche im Village habe ich geliebt. Die Gastfreundschaft war groß, die Begegnungen waren herzlich. Auch wenn wir uns nur schwer verständigen konnten, war es schön. Die Familien sind Selbstversorger, arbeiten hart.

Was hast du für dich in Sambia gelernt?

Ich versuche seither, den Menschen, denen ich begegne, Fragen zu stellen und hinzuschauen, bevor ich bewerte. Ich probiere noch mehr, den Moment zu leben. Die Sambia-Erfahrungen haben auch im Hinblick auf meine spätere Studienwahl nachgewirkt. Mein Interesse an internationalen Zusammenhängen ist in Sambia gewachsen.

Du bist ein Jahr nach deiner Rückkehr noch einmal nach Sambia geflogen. Warum?

Mich hat das „Mal d’Africa“ gepackt. Je mehr Monate ich zurück in Europa war, umso mehr ist mir vorgekommen, man hätte eine Spielfigur von A nach B versetzt. Im August 2013 war ich dann nochmals für einen Monat in Sambia, habe jeden Tag intensiv gelebt, Menschen besucht, die mir wichtig waren. Als ich zurückkam, war das Studium in Linz leichter.

Was unterscheidet die Praktika der OEW von anderen Reisen?

Es kann eine Megaerfahrung sein, eine Kultur so kennenzulernen, wie es Tourist*innen nie möglich ist. Die Rolle der OEW ist vor allem in der Vor- und Nachbereitung und in der Begleitung der Projektgruppe wichtig. Sie hat klare Regeln im Umgang mit den Menschen im Projekt entwickelt, die durch jahrelange Erfahrung entstanden sind. Das Wichtigste ist, dass das Praktikum zurück in Südtirol und Europa Kreise zieht.

 


Projekt & Projektort

Seite an Seite

In Magazine Compound, einem Randbezirk von Chipata, wurde 2005 eine Grundschule eröffnet. Gründer*innen waren Catherine Jere, eine Lehrerin aus Chipata und Marco Sardella, ein Laienmissionar aus Mailand, außerdem Michael Chisanga. 320 Schüler*innen – Halb- oder Vollwaisen oder Kinder aus benachteiligten Familien – besuchen seither die Schule. Nachmittags gibt es zusätzliche Angebote: Sport, Basteln, Handarbeiten, andere Workshops, Hausaufgabenhilfe. Die Schule legt großen Wert auf die Zusammenarbeit mit den Familien. Nach Abschluss der Grundschule haben die Schüler*innen die Möglichkeit, eine weiterführende Schule zu besuchen oder ein Handwerk zu lernen.

Chipata/Sambia

Die Stadt Chipata liegt an der Grenze zu Malawi und hat etwa 100.000 Bewohner*innen. Zwischen 1890 und 1964 befand sich Sambia unter britischer Kolonialherrschaft. Die hohe HIV-Infektionsrate und die Kosten für die schulische Ausbildung bringen große Herausforderungen mit sich. Viele Erwachsene finden nur als Tagelöhner*innen Arbeit, die ihnen – vor allem im Lockdown 2020 – keine finanzielle Sicherheit bietet. Daher schaffen es viele Familien nicht, Schulgebühren und Materialien für ihre Kinder oder die Kinder ihrer verstorbenen Geschwister zu bezahlen.