Cultura | Salto Weekend

Zurück in die Steinzeit

Auf den Feuersteintechniken basiert unser ganzes Leben. Ständig sind sie in Weiterentwicklung. Ein Gespräch mit dem experimentellen Archäologen Wulf Hein.
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Foto: Südtiroler Archäologiemuseum

Zum 30jährigen Fund von Ötzi gab es (auch) ein praktisches Zurück in die Zeit, in der er gelebt hatte, also ein „Zurück in die Steinzeit“: 5 Zelte standen, in einem kleinen Kreis aufgestellt, auf den Talferwiesen im Herzen von Bozen, wobei in jedem Zelt ein oder mehrere Experten eines Rohmaterials oder eines bestimmten Herstellungsverfahrens für Jung und Alt zur Verfügung standen, um auf sämtliche Fragen Antworten zu geben, aber vor allem um besonders die Kinder mal was ganz anderes ausprobieren zu lassen, wie zum Beispiel: Entstehung des Feuersteines (Stefano Bertola), Splitter von Feuersteinknollen abschlagen (mit Alessandro Potì), um diese dann in Pfeilspitzen oder Messerklingen zu verarbeiten, indem seitlich Kerben eingeschlagen wurden (mit Robert Graf), mit dem fertigen Dolch oder kleinen Feuersteinklingen Lederschnüre oder –bänder schneiden (mit Nico Aldegani), oder aus Knochen und Geweih Nadeln und/oder Ahlen herstellen (mit Wulf Hein). 
Idee und Umsetzung stammt von Margit Tumler, langjährige Mitarbeiterin der Didaktik-Abteilung des Südtiroler Archäologie Museums, die im Lauf der Jahre schon sehr viele solch origineller Veranstaltungen aus ihrem Hut gezaubert hat, wobei die Organisation mithilfe desselben Museums vonstatten gegangen war. 


Das Ganze stand im Zeichen der experimentellen Archäologie, ein Zweig der klassischen Archäologie, wobei versucht wird, die ausgegrabenen Objekte nach ihren Technologien zu untersuchen und heute genau so herzustellen, wie dies damals vor vielen, vielen Jahren der Fall gewesen war. Um genauer zu verstehen wie das vor sich geht, haben wir mit Wulf Hein, einem der wichtigsten in diesem Fach weltweit, in „seinem“ Zelt ein Gespräch geführt.

salto.bz: Wie kam es dazu, dass sich der Mensch in ferner Zeit Werkzeuge gefertigt hatte?

Wulf Hein: Wenn wir uns heute mal abends nackt im Spiegel begucken und über unser Überleben nachdenken, merken wir, dass wir dazu verdammt schlecht ausgerüstet sind. Wir können nicht schnell laufen, denn im Vergleich zu einer Gazelle oder zu einem Pferd sind wir extrem langsam... Wir haben keine langen Krallen, um ein Tier zu erschlagen, wir haben keine scharfen Zähne, um ein Tier auseinanderzunehmen... Es gibt den berühmten Versuch eines amerikanischen Professors, der seinen Archäologiestudenten einen Hasen hingelegt hat, der nur durch einen Kopfschlag betäubt, aber noch nicht ausgenommen und zerlegt war, und ihnen dann den Lernauftrag gegeben hat: „Ihr könnt ihn essen, schmeckt total gut, müsst ihn aber ohne Werkzeuge auseinandernehmen!“. Nun standen die da und riskierten zu verhungern, da sie den Hasen nicht auseinander bekamen! Die konnten mit ihren Zähnen am Fell noch so rumbeißen, das hätten sie nie abziehen können... Wir brauchen also Hilfsmittel: Ahlen aus Knochen, um etwas zu zerschneiden, denn wir müssen unsere fehlenden Krallen durch etwas ersetzen; wir müssen unsere mangelnden Fähigkeiten - z. B. um etwas weit zu werfen – ausbauen und dazu brauchen wir einen Speer oder einen Bogen, den wir benutzen, indem wir unsere Kraft speichern und dann genau  diese Kraft über den Pfeil loslassen... Das ist nämlich, was uns von den Tieren unterscheidet, denn Werkzeuggebrauch bei den Tieren gibt es: zum Beispiel Schimpansen benutzen Stöcke, um Ameisen raus zu angeln; es gibt eine Vogelart bei den Adlern, die Stöcke benutzen, um ihre Beute zu jagen. Aber der nächste Schritt, ein Werkzeug dafür zu verwenden, um ein anderes zu bauen oder dasselbe wiederzuverwenden, das kann nur der Mensch dank seines Hirns. Aber das müssen wir haben, denn wir können nicht mal ein Loch in die Erde bohren... Jeder Maulwurf ist uns da überlegen, da er solche Krallen hat! Deswegen die Steine: irgendjemand wird irgendwann mal draufgekommen sein, dass, wenn du damit auf einen anderen haust und dieser scharf wird, daraufhin damit ein Tier zerschneiden kannst. Bis dahin waren unsere Vorfahren darauf angewiesen, das Aas von anderen Raubtieren zu essen, da sie gar nicht an die Tiere rankamen. Bei irgendwem hat es mal Klick gemacht, indem er sich gesagt hatte: „so, ich mach mir jetzt eine scharfe Hand, ich ersetz einfach meine fehlenden Krallen!“. Das hat sich weiterentwickelt bis heute, denn das ist ja immer noch so, zur Zeit sind wir dabei, unser Gehirn zu erweitern, weil es nicht mehr ausreicht... 


Wie funktioniert das nun mit den beiden Steinen, braucht es da eine Art Stein, die auf den Feuerstein haut, denn Feuerstein auf Feuerstein wird doch nicht funktionieren, oder?

Nicht unbedingt! Man kann mit einem großen Stein einen anderen bearbeiten, aber das ergibt nur grobe Teile. Wenn ich zum Beispiel hier draufhaue, dann ergibt das nur grobe Teile, so wie den hier...
 (da schaltet sich sein Mitarbeiter Robert Graf ein, der lachend sagt: „Oh, das kann ich sehr gut gebrauchen!“, denn er war gerade dabei, einem Kind zu zeigen, wie man eine Pfeilspitze herstellt, und alle, die in unserem Zelt präsent waren, lachten mit)
... genau so läuft das, eine fehlgeschlagene Kante und schon gibt es eine neue Funktion und deren Verwendung hierfür. Aber wenn ich einen wirklich scharfen Feuersteinsplitter haben will, dann muss ich ein anderes Gerät verwenden. Dann nehme ich etwas, das weicher als Feuerstein ist, wie zum Beispiel ein Geweih. Ich kann mit Feuerstein ein Geweih bearbeiten und kann umgekehrt auch einen Feuerstein mit Geweih bearbeiten. Feuerstein ist extrem spröde, man muss sich das vorstellen wie Glas: wenn ich den zu bearbeitenden Stein in die Hand nehme und eine Klinge abschlagen will, gebe ich den „Schlager“ aus Geweih auf die Kante und schlag mit dieser Art Holzhammer darauf. Somit wird die Schlagenergie durch den Stein weitergegeben und dadurch wird der Schlaghieb extrem dünn, die abgeschlagene Klinge also schön langgeschrägt, flach und breit. (Er zeigt mir eine solche.) Damit kann ich schneiden oder ich kann sie weiter modifizieren, zu Kratzern, Schabern oder Angelhaken... Das geschieht wiederum mit Druck und diesen kann ich wiederum mit dem Geweihkolben machen. Der Feuerstein ist fast so hart wie ein Diamant, aber eben sehr spröde: deshalb lässt er sich auch so gut bearbeiten.

Ich weiß, dass Feuerstein eine Art Quarz ist und es bestimmte Gebiete gibt, wo man ihn finden kann und wo man ihn nicht finden kann. Warum?

In Norditalien gibt es viel davon, also eigentlich ist ganz Italien damit reich besegnet, auch hier in der Nähe gibt es die Monti Lessini, wo man ihn reichlich findet, genauso im Nonstal, am Gargano, wo es sehr große von guter Qualität gibt. 

Da muss man aber schon genau die Zone wissen...

Vor allem muss man wissen, wie sie von außen aussehen, weil Feuerstein kommt aus der Kreide, d.h. dass außen rum gibt es eine weiße oder zumindest helle Kreideschicht. Wenn ich nun nicht weiß, dass er innen schwarz ist und glasig aussieht, würde ich diesen für einen normalen Stein halten. Man muss genau wissen, wonach man guckt! In Deutschland zum Beispiel gibt es nicht so viel, im Norden Europas, in Skandinavien, gibt es viel, im Süden Deutschlands ein wenig, aber im mittleren Teil, wie Hessen, wo ich gerade wohne, gibt es fast keinen Feuerstein. Das bedeutet, dass die Leute während der Steinzeit den Feuerstein importiert haben. Da muss man sich vorstellen, dass dieser einfach weitergegeben wurde. Es gibt ein Vorkommen in Bayern bei Regensburg und bei Ravensberg, der wurde dann vertauscht, gehandelt, weitergegeben: im Norden bis nach Hessen, im Osten bis nach Wien, also Österreich, im Westen bis in die heutige Schweiz und im Süden bis nach dem heutigen Italien. Das kann man sehr gut nachweisen, weil dieser eine feine Bänderung hatte. So ging es mit vielen Sachen. Schon vor 35.000 Jahren hatten die Leute Material ausgetauscht. Es gab Bernstein von der Ostsee bis nach Italien, das ging also hin und her, vor und wieder zurück. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass es Händler gegeben hat, die mit einem Rucksack voll Feuerstein reisten, mit einer Bimmel ankamen und laut riefen: „Feuerstein, Feuerstein!“, sondern es ging vielleicht über mehrere Stationen, durch Tausch oder Weitergeben. Im Prinzip hatten wir schon ein Ur-Europa mit materiellem und intellektuellem Güteraustausch. Also auch geistige Güter, denn auch Ideen wurden so weitergegeben. 


Dabei kam auch vor, dass Sachen zeitgleich auftauchen...

Ja, das Rad, zum Beispiel, aus dem 4. Jahrtausend: es ist an mehreren Stellen gefunden worden, das war wahrscheinlich gleichzeitig. Manchmal aber tauchen sie auf und verschwinden wieder. Vor ungefähr 20.000 Jahren gab es die Speerschleuder, in Frankreich, Spanien und Italien. Das ist ein Hebel mit dem man einen Speer sehr weit werfen kann, dessen letzten Exemplare es vor 17-14.000 Jahren gab. Dann taucht sie nicht mehr auf, obwohl das eine wunderbare Waffe gewesen wäre. Z.B. für die römische Armee: was für eine Möglichkeit, Speere so mir nichts dir nichts über 70 bis 80 Meter weit werfen zu können. Aber die waren schon wieder einen Schritt weiter: sie hatten die Katapulte erfunden! Oder blicken wir auf die Höhlenmalerei: zur Eiszeit ist ganz Europa ausgemalt worden, vom Norden bis in den Süden, und nach der Eiszeit gibt es keine mehr, weder im Mesolithikum noch in der Jungsteinzeit. Da hat man andere Sachen gemacht, weil die einfach wichtiger waren. Es passiert so phasenweise, es taucht auf, dann ist es wieder weg, es wird weiterentwickelt, es werden andere Sachen wichtiger. Das ist ein hin und her, ein Geben und Nehmen, alles ist im Fluss... 

War das verbunden mit Begegnungen zwischen verschiedenen Kulturgruppen...?

Mit Sicherheit ja! Man vermutet, dass diese kulturelle Explosion mitten in der Eiszeit, so um ca. vor 35.000 Jahren, auch daher rührt, weil die Menschen auf einen engen Lebensraum zusammengepfercht waren, weil ganz Nordeuropa nicht mehr zu besiedeln war, da es einfach zu kalt war! Da konnte man nicht mehr existieren, alle haben sich in den Süden zurückgezogen und waren eng aneinander, wobei „eng“ immer noch relativ ist. Aber dass dann in dem Moment, wo so viele Leute aufeinander treffen, neue Ideen entstehen, ist klar. Das ist ja heute noch so... (nickt mit dem Kopf und lächelt)

Soll ich mir das nun so vorstellen, dass einzelne Menschen, diese dann auch mit sich umhergetragen haben, oder war es eher ein wellenartiges Phänomen, das an Lebensbedingungen angebunden war?

Ich denke eher an Wanderungsbewegungen, bin zwar kein Ethnologe, aber ich glaube dass es eher in die Richtung ging. Jeder Stamm oder jede Gruppe hatte ihr Schweifgebiet: man nimmt an, dass jede Mittelfamilie so ungefähr 200 Quadratmeter benötigte, um darin so richtig sammeln und jagen zu können, um sich zu ernähren. Zum Beispiel, in der Mittelsteinzeit, als kein Eis mehr da, es aber noch keine Bauern gab, war es so. Dafür gibt es die Fundplätze immer in 20/25 km Entfernung, also die großen Plätze. Das bedeutet, dass jede/r so ein Feld von ca. 12 km Durchmesser hatte, und daneben die nächste Gruppe mit ihrem Feld war, und so weiter. Die sind dann in deren Gebieten so rumgezogen. 
Und vorher gab es wahrscheinlich Wellen, da die einen im Occitanegebiet waren und die anderen im Friaul, also hier und dort, wobei es auch Begegnungen gegeben hatte. Wie bei den Indianern in Nordamerika: da gab es Feste, wo sich die Menschen getroffen hatten, um Sachen auszutauschen, um Verheiratungen zu ermöglichen, weil ich glaube, dass sie es sehr früh bemerkt hatten, dass wenn sie nur aufeinander hockten, dies keine gute Wirkung haben konnte und auf Dauer nichts Gutes rauskommen konnte... Also entstanden Ehen, Ideen, aber auch Machtgefüge, wie z.B.: in jenem Territorium gibt es viel Feuerstein, also müssen wir uns das sicherstellen...


Wenn wir nun auf die Zeitperiode von Ötzi zu reden kommen, also vor 5.300 Jahren, wo es im Norden die Altheim-Cham-Kultur gab, im Westen, jene die man Horgen nennt und im Süden jene aus Remedello. Da hat man die Pfahlbauten am Bodensee gefunden, wo ähnliche Waffen und Werkzeuge gefunden wurden, wie sie unser Mann aus dem Eis bei sich getragen hatte. Was nun bedeutet, dass sich diese untereinander besucht hatten. Kann man das so sagen?

Ja, mit Sicherheit! Man weiß, dass es damals schon die Transhumanz gegeben hatte. Die Hirten waren schon damals mit ihren Schafen über den Alpenhauptkamm gezogen und haben in Österreich, also im Ötztal, ihr Vieh weiden lassen. Dass man da von allein miteinander in Kontakt kommen kann, ist klar. Es gibt aber auch – wie schon gesagt - Feuersteinaustausch, also Rohmaterialien, aber auch Ideen sind weitergegeben worden: Verzierungen an Gefäßen, bestimmte Arten Feuersteinspitzen herzustellen, die tauchen dann woanders auch auf. 

Wie war das denn mit den Formen der Pfeilspitzen damals? Hatte da jede Kulturgruppe ihre eigenen, wie funktioniert das eigentlich?

Ich kann aus einem Splitter jedwede Form herstellen: eine geflügelte mit zwei starken Ausbuchtungen, also hinten zwei Widerhaken und vorne die Spitze; ich kann eine machen, die unten einen Stiel hat und dreieckig ist, wie jene, die Ötzi getötet hatte; ich kann eine mit Widerhaken und Stiel machen; ich kann eine fischförmige oder eine gerade machen; ich habe alle Möglichkeiten.

 

Haben diese einzelnen Formen eine bestimmte Funktion oder sind sie eher zufällig?

Die meisten sind eher zufällig, es gibt aber bestimmte Spitzen für bestimmtes Wild: für Vögel nahm man andere Spitzen als für Großwild, das ist klar. Man hat aber nicht nur auf Tiere geschossen, sondern auch auf Menschen. Schon in der mittleren Steinzeit gibt es deutliche Zeichen für territoriale Auseinandersetzungen: ihr habt das, was wir nicht haben, oder wir möchten gerne haben, was ihr habt. Das übliche, eben, nicht!? Die Äpfel aus Nachbars Garten sind immer süßer als die eigenen... Es hatte aber zwischen den Gruppen immer  schon eigene Stile gegeben, die einen hatten die Pfeilspietzen eher dreieckig mit Stiel und die anderen die fischförmigen. Dass nun die Spitze, die Ötzi getötet hatte, aus einer anderen Gruppe war, das kann gut sein. Es wäre aber genauso möglich, dass einer, während der Auseinandersetzung, die vorher war, einen Pfeil aufgesammelt hatte, und diese Spitze wiederverwendet hatte, also der Mörder aus der eigenen Gruppe war. Das ist sogar sehr möglich... ist aber ganz schwer zu sagen. Wir haben da keine Schmauchspuren vom rauchenden Colt... (lacht)

Das ist immer die große Frage, wer das wohl war oder woher der wohl gekommen war. Es könnte aber auch sein, dass der Mörder einen Vorschaft des Pfeiles samt Spitze aufgelesen hatte und diesen dann auf den Hauptschaft des Pfeiles mit ein bisschen Birkenteer (dem damaligen Kleber) fixiert hatte und somit schon die Mordintention da war.

Man kann mit einer gewissen Pfeilspitze ein Reh, aber auch einen Menschen töten. Man kann auch mit einem Hammer einen Nagel in die Wand schlagen und genauso einen Menschen erschlagen. Das ist also schwer zu sagen, ob es da schon diese Intention gegeben hatte. Es gibt ja die beiden intakten Pfeile aus Ötzis Köcher, die von zwei verschiedenen Menschen gemacht sein haben müssen, denn der eine ist bei der Befiederung des hinteren Pfeilteiles links rumgewickelt und der andere rechts rum. Wenn ich als Rechtshändiger einen Pfeil wickele, habe ich eine ganz bestimmte Technik, ich halte ihn auf eine bestimmte Art und Weise, wobei die dazu eigene Wicklung rauskommt. Wenn ich nun als Rechtshänder den Pfeil wie ein Linkshänder zu wickeln versuche, müsste ich mich so verdrehen und ihn hinten am Rücken wickeln, was nicht geht, oder ich wickle ihn direkt mit der linken Hand. Das geht: ich bin Beidhänder und kann links und rechts wickeln und es sieht gleichmäßig aus. Aber im Normalfall, wie diesem, ist der eine Pfeil von einem Linkshänder gewickelt und der andere von einem Rechtshänder. Ob der Mörder nun den Pfeil eingesammelt hatte, bei einer früheren Auseinandersetzung, ob er ihn gefunden oder mit jemandem eingetauscht hat: wir wissen es nicht! Und wir werden es auch nie rausfinden.

Fingerabdrücke gibt es ja keine... 
(wir lachen beide)

Leider nicht mehr...! 


Was kann man noch mit Feuerstein herstellen, außer Klingen und somit Messer und Pfeilspitzen?

Alles! Unsere ganze Existenz ist auf Feuerstein aufgebaut. Wenn unsere Vorfahren nicht irgendwann diesen Stein entdeckt hätten, würden wir immer noch auf dem Baum sitzen und uns unter den Achseln kratzen und „hm, hm“ machen. Ohne Feuerstein ist Leben undenkbar! Ich kann nichts herstellen: keine Pfeilspitzen, kein Messer...

Kein Feuer machen...?

Nein, Feuer machen geht noch, da kann man zwei Hölzchen drehen, aber dazu brauch ich ein Brett dazu, was ich herstellen muss vorher und das ist auch schon wieder eine Angelegenheit des Feuersteins. In einer gewissen Phase sind wir davon extrem abhängig gewesen, das ist dann irgendwann eingeschlafen. Viele wissen: das Bessere ist der Feind des Guten. In dem Moment wo ich Kupfer oder Bronze herstellen kann, hab ich dieselben Werkzeuge mit denselben Eigenschaften, aber wenn sie kaputtgehen, kann ich sie wieder einschmelzen. 


Jetzt kommt eine 1000-Punkte-Frage: Was glauben Sie, wie der Mensch darauf gekommen ist, aus einem Stein Kupfer zu gewinnen?

Ich vermute, dass die damals schon ihre Feuerstelle eingegrenzt hatten, wie wir das heute auch noch machen, um zu vermeiden, dass sich das Feuer ins Uferlose ausbreitet. Da wird unter Umständen mal ein Erzbrocken dabei gewesen sein. Wenn man die gewisse Temperatur erreicht, was bei großen Feuern auch durchaus drin ist, dann ist aus diesem Stein wahrscheinlich Kupfer rausgelaufen oder es hat da drin geglänzt, auf eine Art und Weise. Dann hat man ein Verfahren entwickelt, um daraufhin gezielt dieses Material daraus zu gewinnen. Das ist ja schon ein enorm großer Schritt, weil wir haben damit auch Kupfer verhärtet. Denn das ist sehr komplex: man muss ein kleines Gefäß aus Ton herstellen, wo Holzkohle und Kupfererz hineinkommt, dann wird das Ganze verschlossen und ins Feuer gelegt. Daraufhin musste man eine sehr hohe Temperatur erzeugen: die haben zu viert am Feuer gesessen und in Blasrohre geblasen. Über 3 Stunden lang! Um ca. 1000/1.300 Grad zu erreichen, wobei das Kupfer durch die Holzkohle in kleine Kupfernuggets umgesetzt wird. Da sind schon 6/7 Schritte, die man beachten muss. Vielleicht hat man auch nur Kupfer gefunden, also gediegenes Kupfer, das gibt es auch in den Bergen, und hat das dann ausgehämmert. Irgendwann muss dann der Schritt zur Technologie stattgefunden haben. Ich glaube, dass sehr viel durch Zufall entstanden ist. Also, es hat nicht jemand die Idee gehabt: „ich muss jetzt Kupfer machen! Wie kann ich das tun?“, sondern eher nach dem Motto: „Oh, schau mal, da kommt was aus dem Stein raus, das ist ja ganz was Neues!!“ und „wie kann ich das jetzt nachmachen?“ Schwierig. Vieles haben vielleicht auch Kinder beim Spielen entdeckt. 

Ich bin da ganz Ihrer Meinung, ich wollte nur mal einen Experten hierzu hören...

(lacht) Es gibt Tausende von Meinungen und Möglichkeiten, letzten Endes.

Wann wurde denn das Feuer entdeckt?

Die ersten Nachweise für Feuergebrauch sind ca. 1,8 Millionen Jahre alt. Aus Kenja. Da sind verkohlte Hölzer und eine Steinplatte, die angeschmaucht ist. Ob die das Feuer selber gemacht hatten, wissen wir allerdings nicht, das kann ebenso durch einen Blitz passiert sein oder aus einem Vulkan herausgeholt worden sein. Die ältesten Spuren fürs Feuermachen sind ungefähr 35.000 Jahre alt: das ist eine Pyritknolle, also Schwefeleisenkies, mit einer unnatürlichen Rille, wo der Feuerstein immer aufgetroffen ist, um Funken zu erzeugen, mit denen man Feuer machen kann. Es gibt noch eine weitere Knolle aus Trudischer Luhn in Belgien, die ist so 16/17.000 Jahre alt und es gibt ein Holzfeuerzeug, also Hölzchen zum Reiben, aus Peru, der Quitarero-Höhle, das ist um 9.000 Jahre alt. Um die genaue Datierung streiten sich die Gelehrten aber noch. Wahrscheinlich kommt das Feuerschlagen vor dem Feuerbohren (die Hölzchen, die auf einem Brett gerieben werden, A.d.A.), es kann aber auch umgekehrt sein und wir haben die entsprechenden Nachweise nicht gefunden, denn Holz vergeht unheimlich schnell im Boden. Wie gesagt, die ältesten vom Feuerschlagen kommen aus vor 35.000 Jahren. Die Neandertaler konnten es vielleicht schon, denn es gibt Faustkeilen, wo Pyrit draufgeschlagen worden ist, oder wo mit der Faustkeile auf die Pyritknolle geschlagen worden war. Das kann aber auch andere Gründe haben. Die wurde in der Vogelherdhöhle auf der Schwäbischen Alm in der Nähe von Stuttgart in Baden-Württemberg gefunden.