Die Orangefarbene Revolution öffnete im ausklingenden Jahr 2004 das Fenster Ukraine. Jetzt, neun Jahre später, schaut es ganz so aus, als würde es sich wieder schließen. Ein sehr komplexer Fall (wie alle anderen auch) und es verleitet, den nackten Zeigefinger auf die vermutlich Schuldigen zu richten. Wohl angebrachter ist aber etwas Selbstkritik, Selbstzweifel wenigstens, ob wir, die EU Bürger, wir, die Europäische Wertegemeinschaft, wirklich alles Erdenkliche dafür getan hatten, das Fenster Ukraine nicht ungenutzt vorbeiziehen zu lassen. Neun Jahre hatten wir Zeit. Neun Jahre wartete die Geschichte geduldig auf unser Engagement.
Werden uns einst unsere Enkelinnen fragen, ob wir damals mit EU internen Zankereien (zu) selbstbeschäftigt waren? Wird in deren Geschichtsbüchern über den Deutschen Soli , den darüber klagendenden Wessis und den Anfangsschwierigkeiten bei der Umsetzung der Deutschen Wiedervereinigung geschrieben stehen? Oder über die Herren Kohl und Genscher, die vielkritisiert das Fenster der Geschichte mit vollem Engagement genutzt hatten? Was mussten unsere EU-Offiziellen wegen der Osterweiterung Kritik einstecken. Kritik der Zauderer. Zauderer, denen es einerlei ist, ob ein – eventueller neuer – Eiserner Vorhang irgendwo beim fernen Asowschen Meer oder schon vor Lemberg/Lwiw zu liegen kommt, auf welcher Seite die über sechshunderttausend Quadratkilometer und die dazugehörigen 45 Millionen Ukrainischen Mit-Europäer enden werden. Zauderer, denen westliche Ökonomie wichtiger ist, als die letzte Europäische Diktatur in Weißrussland westdemokratisch zu umklammern.
Es sind diese leidigen Diskussionen, ob denn Bosnien religionsbedingt in unser abendländisches Wertemodell passt, ob denn das Osmanische Reich des Mustafa Kemal Atatürk europäisch genug sei. Es sind diese Diskussionen, deren Ausmaß wir erst verstehen werden, wenn die Türkei sich gänzlich in die Islamische Wertegemeinschaft eingegliedert hat, wenn der Arabische Frühling zum Winter geworden ist, wenn Putin die Spielregeln der Ukrainischen Demokratie bestimmen wird. Fenster, die sich schließen, dem temporären Hype Europäischer Populisten-Listen geopfert. Angst lässt sich besser verkaufen als Mut. Mauern sind schneller aufgebaut, als Verantwortung wahrgenommen.
Warum ich euch das auf Salto erzähle, liegt auf der Hand: Erst, wenn Osttirol sich nach Kärnten orientiert hat, das Veltlin komplett lombardisiert wurde, Belluno bis zum Campolongopass venezianisiert und selbst das Trentino dank mangelnder Liebe und Aufmerksamkeit unsererseits sich irgendwann anderweitig orientiert hat, wird uns bewusst werden, dass einst die Fenster weit offen gestanden sind. Mit Angst lässt sich leichter argumentieren und so mache ich es hier jetzt halt auch und grüße euch mit der immer selben Leier…