Cultura | Musik

„Räume von Vision und Utopie...“

Am 30. November ist das Tetzlaff Quartet zu Gast beim „KulturKontakt“ in Eppan. SALTO hat dazu die Geigerin und Bratschistin Elisabeth Kufferath interviewt.
streichquartett, Tetzlaff
Foto: Giorgia Bertazzi
  • Das Ensemble besteht aus den Geigern Christian Tetzlaff und Elisabeth Kufferath, der Bratschistin Hanna Weinmeister und der Cellistin Tanja Tetzlaff. Sie werden Musik von Widmann, Brahms und Beethoven interpretieren.
     

    SALTO: Wie entsteht ein neues Projekt des Tetzlaff Quartetts? 

    Elisabeth Kufferath: Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal gibt es Vorgaben durch ein Festival-Motto, manchmal werden wir für spezifische Stücke angefragt. Aber am liebsten entscheiden wir nach dem Lustprinzip und sind in der glücklichen Lage, dass wir vor allem unsere allerliebsten Stücke kombinieren und spielen dürfen. 

    Können Sie uns das Widmann-Choralquartett in vier Adjektiven beschreiben?

    - fast unhörbar 
    - unüberhörbar 
    - geräuschhaft 
    - ergreifend 

  • Elisabeth Kufferath: Sie spielt auf einer Violine und einer Viola des deutschen Geigenbauers Stefan-Peter Greiner. Foto: Giorgia Bertazzi
  • „Brahms der Progressive ist der Titel eines berühmten Essays von Schönberg. Ist das Ihre Sichtweise? Beeinflusst diese Überlegung Ihre Interpretation? 

    Brahms’ Sprache ist faszinierend, in dem er sich ganz klare formale Regeln oder “Grundrisse” gibt, innerhalb derer er sich ausdrückt. So auch im a-moll Quartett –in Sonatenhauptsatzform, der langsame Satz in A-B-A Form, ein ‘Menuett’ – aber in diesen klaren Strukturen bewegt er sich sehr originell und fortschrittlich. Im a-moll Quartett zieht sich eine motivische Keimzelle durch alle Sätze – das hat Schönberg dann später ‘entwickelnde Variation’ genannt – und gibt dem ganzen Stück dadurch einen zwingenden inneren Zusammenhalt und gleichzeitig einen wunderbaren Fluss. In unseren Quartettproben entdecken wir immer wieder neue dieser Zusammenhänge. Auch schreibt Brahms rhythmisch sehr komplex: Unterschiedlichen Rhythmen, die gleichzeitig gespielt werden, reiben aneinander, erzeugen Spannung und Widerstand. Als Interpreten sind wir da an ein starkes rhythmisches Gefüge gebunden, was dem Image von Brahms als dem schwelgerischen Romantiker ziemlich widerspricht. 
     

    „Dieses Stück ist einfach ein Wunder.


    Einigen Beethoven-Biographen zufolge soll Schubert, nachdem er eine Aufführung des Quartetts Opus 131 gehört hatte, sich sinngemäß folgendermaßen geäußert haben: „Worüber soll man danach noch schreiben?“ Was ist das Besondere an diesem Quartett?

    Dieses Stück ist einfach ein Wunder. Es sind sieben ineinander gehende Sätze, der erste ist eine ernste, schwermütige Fuge, zum zweiten Satz geht es mit einer minimalen Geste einen Halbton höher in einen leichtfüßigen, hüpfenden Tanz, dann ein kurzes Rezitativ, ein Variationssatz, ein irrwitziges, hyperaktives, kindisches Scherzo, eine melancholische Überleitung und das komplexe Finale, irgendwo zwischen Sonatenform und Rondo, wild, kraftvoll, schmerzlich, leidenschaftlich… Es ist eine ganze Welt von Gefühlen und Bildern, die sich vollkommen selbstverständlich, fließend, aneinander reihen. Op. 131 ist eine Musik, die einem als Musiker ein Leben lang wunderbare Rätsel aufgibt. 

  • Tetzlaff Quaretett: Im Jahr 2024 wird das Quartett sein 30-jähriges Bühnenjubiläum feiern. Foto: Giorgia Bertazzi
  • Machen Sie heute das, wovon Sie als Mädchen geträumt haben? 

    Musik zu machen, hat so viele tolle Facetten: unser Rohmaterial ist diese Sprache, die die großen Themen und Geschichten der Menschen auf unerklärliche Weise wortlos erlebbar macht. Dann ist man als Musiker natürlich extrem identifiziert mit dem so persönlichen Beruf: Das kann ein Vorteil aber auch ein Nachteil sein, bietet aber in jedem Fall die Chance, sich musikalisch und als Mensch weiterzuentwickeln. Und auf unser Quartett bezogen würde ich sagen, dass wir wirklich Glückskinder sind, weil wir seit über dreißig Jahren als enge Freunde und musikalische Partner einander durchs Leben begleiten. 

    Stimmen Sie mit Dostojewski überein, dass „die Schönheit die Welt retten wird? 

    Ich wüsste nicht, wer sonst als die Schönheit das schaffen kann! Weder Kapitalismus noch unsere Konsumgesellschaft oder Technologie werden die Welt retten. Die Kunst aber (und deren Schönheit) bespielt Räume von Vision und Utopie und war schon immer der Politik und der Gesellschaft voraus. Und mich macht auch die Schönheit der Natur ehrfürchtig und weckt den Impuls, das Schöne zu retten. 

     

  • Tetzlaff Quartet

    Sa., 30.11.2024, 20:00 Uhr
    Ansitz Reinsperg, Eppan
    Werke von: Widmann, Brahms und Beethoven.

    ​Karten:
    Telefonische Kartenreservierung: 0471 053 800
    Kartenreservierung per E-Mail an: [email protected]

    Keine Parkmöglichkeit an der Location. Shuttleservice ab 19:20 Uhr vom Parkplatz Tetter (hinter Bushaltestelle).