Cultura | Salto Aftenoon

Tanzend und träumend

Joel von Lerber und Juris Azers waren gestern Gast des Bozner Konzertvereins. Harfe und Vibraphon, eine Musiker und Publikum fordernde Besetzung zwischen Traum und Tanz.
Joel von Lerber & Juris Azers
Foto: Privat
Es ist schwer zu sagen, ob die Setzung von Arvo Pärts „Spiegel im Spiegel“ zu Beginn des Abends im Bozner Merkanttilgebäude eine mutige oder eine zweifelhafte war: Das Tintinnabuli-Stück, ein Stil welchen der Komponist in seinem Alterswerk selbst erfand und der sich zwischen Mathematik und Spiritualität bewegt, ist bereits im Original vielfach im Nachhallen der Töne nur einen Schritt von der Stille entfernt und „zerfällt“ in der Besetzung für Piano und Geige bei korrekter Ausführung immer nur beinahe. Ein noch nicht ganz zur Ruhe gekommenes Publikum traf auf die beiden Musiker, die mit leichter Startnervosität an die vom Konservatorium zur Verfügung gestellten Instrumente (beide eignen sich wenig, um mit ihnen zu reisen) gingen. Während von Lerber auf der Harfe die Dreiklänge des Klaviers spielte, war Azers mit zwei Geigenbögen am Vibraphon am Werk, beide mit Flüchtigkeitsfehlern. Da klapperte das Holz des Bogens am Instrument, dort vergriff sich der Harfenist bei einigen Tönen. Wo die Folgestücke etwas nachsichtiger gewesen wären, war das bei Pärts minimalistischerem Stück evidenter, auch im Beinahe-Zerfall der Töne entstanden gerade am Vibraphon Lücken, die Abstimmung der zarten Lautstärke auf die Harfe gestaltete sich schwerer als im Rest des Abends, wodurch das Vibraphon im Vergleich zur Geige im Original etwas ins Hintertreffen geriet. Dennoch war, mit genannten Ausnahmen, die Wirkung des Stückes und der Reiz einer Fassung für Vibraphon und Harfe zu hören, welche in Momenten der Harmonie ein Gefühl der Schwebe vermittelte.
In den vier Sätzen der „Suite Bergamasque“ von Claude Debussy war am Vibraphon ein klassischeres Spiel mit vier Schlägeln Ton angebend, das Rollenverhältnis schien umgekehrt und Azers war besser, doch nicht zu sehr, als von Lerber zu hören: Teilte man sich zu Beginn des ersten Satzes den Klangraum, so begann in der zweiten Hälfte auch ein Phrase-Antwort-Spiel, bei welchem die Harfe an Kraft gewann, was sich im zweiten Satz fortsetzte. Ein besonders tänzelndes Vibraphon eröffnete und die Harfe setzte kraftvoll ein. Ein Highlight des Abends war sicherlich der bekannteste Satz der Suite, das im Allgemeinen überstrapazierte „Claire de Lune“, welches in der Neubesetzung mit einem „singenden“ Vibraphon an Originalität zurückgewann. Der Passepied als Finale markierte den im Zusammenspiel, mit der zweiten Zugabe kraftvollsten Part des Abends (gemeinsam mit der zweiten Zugabe). Ein ausgelassener Tanz, der vor den etwas akademischeren Solostücken des Abends noch einmal entschlossen für die Kombination der Instrumente warb.
Juris Azers Beitrag als Solist, Christopher Deans „Mourning Dove Sonnet“ war als Durchdeklinierung der musikalischen Möglichkeiten des Instruments abermals durch ein gewisses Zerfasern der einzelnen Phrasen gekennzeichnet, hier störte das jedoch weniger als beim als Kontinuum zu fühlenden „Spiegel im Spiegel“. Mit je einem Streicherbogen und einem Schlägeln pro Hand begann das Stück, doch Azers war auch durch häufige Wechsel seiner Werkzeuge gefordert: Da wurde zu vier Schlägeln gewechselt, welche auch zur Abdämpfung des Nachhalls am Instrument gebogen wurden, dort kam eine Zeitung auf die Oberfläche des Instruments (Annäherung im Klang an ein Marimbaphon)... Oft wurde ein Set-Up nur für das Spiel weniger Töne verwendet, dann wurde es nach einigen Sekunden bereits ersetzt.
Joel von Lerber, mit einer Opernfantasie zu Themen des „Eugene Onegin“ in einer Bearbeitung von Ekaterina Afanasieva Walter-Kühne aktiv, welche der Harfe auch „Vielsaitigkeit“ zusprach: War eine Hand mit dem ruhigen, musischen Spiel beschäftigt, für welches das Instrument bekannt ist, so übernahm es die andere verspielte Kontrapunkte zu setzen, welche bis zum Ende der Darbietung mit zunehmenden Accelerando dem „athletischen“ Spiel der Harfe den Weg bereitet, welches in zeitgenössischer Musik zunehmend an Relevanz gewinnt. Da mit dieser Steigerung ein Höhepunkt für eines der Instrumente gesetzt wurde, hätte der Abend an dieser Stelle ausklingen können.
Aber ein, wenngleich nicht restlos überzeugtes, doch sehr zufriedenes Publikum entlockte den beiden Musikern noch zwei gemeinsame Zugaben: Einen klassischen Tanz und - zwar nur als kurzer Ausschnitt, aber doch als würdiger Abschluss geeignet - „ein bisschen Piazzola“, der im Tango noch eine gewisse leidenschaftliche Strenge aus den beiden doch so sanften Instrumenten hervorzuholen vermochte.