Società | TV und s(k)eine Grenzen

Fernsehen & Internet: "Ende offen" für die Quote

TV über Grenzen hinweg ist auch bei der deutsch-französischen TV- und Rundfunkkooperation Arte Alltag: über die Grenzen zwischen Deutschland und Frankreich ebenso wie zwischen Fernsehen und Internet. Was das mit sich bringt, erzählte Arte-Vizepräsident Gottfried Langenstein am Rande des 40-jährigen Jubiläums der RAS-Verträge.

Herr Langenstein, die RAS-Idee, öffentlich-rechtliche Rundfunkprogramme auch in einem anderen Land auszustrahlen, haben Sie auf großer Ebene auch umgesetzt?
Gottfried Langenstein*: Ja, gewissermaßen. Obwohl der rechtliche Rahmen für Arte zwischen dem französischen und unseren deutschen Senders ein anderer ist, liegt Arte dieselbe Idee der RAS-Verträge zugrunde. Rundfunkanstalten hatten und haben traditionellerweise einen Sendeauftrag für ein nationales Gebiet. Über die Landesgrenzen hinaus zu senden, war neu. Allerdings hat da die Technik auch nachgeholfen: Beim terrestrischen Fernsehen bereits gab es einen overspill (Signale, die über das Sendegebiet hinaus reichen Anm. d.R.). Das war ja auch in Südtirol so, dass in einigen Gebieten das ZDF, der ORF und das Schweizer Fernsehen empfangen worden sind, ohne dass das geregelt war. Das war genauso entlang der deutsch-französischen Grenzen.

Waren die Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich vergleichbar schwieriger als die, für Südtirol und den Sendern ZDF, ORF, SRG und ARD die Sendeerlaubnis für die Programme außerhalb der jeweiligen Länder und innerhalb Italien zu formulieren?
Die Verträge für Südtirol zu verhandeln, war sicherlich schwieriger. Aber diese wurden deutlich früher, 1974, unterzeichnet. Arte wurde als europäischer Kultursender 1991 mit einem Staatsvertrag gegründet und ging 1992 erstmals auf Sendung. Es wurde damals auch gleich die wechselnde Präsidentschaft zwischen Deutschland und Frankreich festgelegt. Im Moment bin ich Vizepräsident und Véronique Cayla ist Präsidentin. Wir wechseln uns alle fünf Jahre ab.

Linguist Paul Videsott hat auf der Jubiläumsfeier der RAS die Möglichkeit des Empfangs von deutschsprachigen Programmen für die Südtiroler als „Nabelschnur für die deutsche Sprache in Südtirol“ bezeichnet. Hat Arte Frankreich und Deutschland einander näher gebracht?
Ja, unbedingt. Wir bringen Sendungen immer in Originalsprache, manchmal gibt es Untertitel in der anderen Sprache. Wir sind immer wieder erstaunt, wie groß das Interesse unseres Publikums an den Themen der anderen ist. Zum Beispiel: Frankreich hat naturgemäß mehr Nähe zum Maghreb, den nordafrikanischen Ländern, und das spiegelt sich in den französischen Programmen wider. Es ist erstaunlich, wie viele deutsche Zuschauer Sendungen dazu anschauen und zu diesen Themen interessiert sind. Umgekehrt bringt Arte auch Themen, von denen wir denken, dass sie nur von deutschem Interesse sind, über die Masuren etwa oder zur ostpreußischen Geschichte. Wir waren anfangs überrascht, wie hoch die Einschaltquoten bei den französischen Zusehern sind. Damit kommen sich die beiden Länder natürlich näher, wenn sie mehr voneinander erfahren.

Wie sieht es abseits der geografischen mit den technischen Grenzen aus: Zieht das Netz dem Fernsehen und Arte das Publikum ab?
Im Gegenteil. Das digitale Fernsehen hat es uns einfach gemacht, unsere Programme auch über das Netz zugänglich zu machen. Dazu muss man sagen, dass Frankreich sehr früh damit begonnen hat und auch bei Arte wert darauf gelegt hat, dass die Sendungen auch ins Internet kommen. Das Verhalten der Zuschauer, besonders der jüngeren, hat sich verändert.

Weil sie nicht mehr TV schauen?
Nicht mehr über das Fernsehgerät. Sendungen werden etwas weniger zum Sendetermin angeschaut, aber dann im Netz, also zeitlich verzögert. Eine Quote lässt sich nicht mehr nur durch den Ausstrahlungstermin  bemessen, sie erhöht sich im Nachhinein. Zum Beispiel unsere Dokumentation zu Goldman Sachs „Eine Bank lenkt die Welt“ wurde von weit mehr als 2,5 Mio ZuseherInnen bei der TV-Ausstrahlung gesehen. Wir bieten unsere Filme und Sendungen auch auf unserer Mediathek an. Die Goldman-Sachs-Doku wurde im Netz zusätzlich bisher von 700.000 Zuschauern angeschaut. Für die Quote gilt: Ende offen.

Gottfried Langenstein ist Vizepräsident von Arte, der deutsch-französischen TV- und Rundfunkkooperation. Er war zum Jubiläum 40 Jahre RAS-Verträge als Direktor der Europäischen Satellitenprogramme für das ZDF in Bozen.