Palcoscenico | Jugendkultur

„Cosa ti fa sentire libero?“

Für „Arte in Libertà“ fanden am Dienstag-Abend Jugendliche zusammen, um ihre Idee von Befreiung zu feiern, mit viel Musik, Märchenhaftem und einem (un)zensierten Monolog.
Arte in Libertà - Cosa ti fa sentire libero?
Foto: SALTO
  • „Musik, Theater und Kunst“ versprach der Abend, an dem im Centro Ermete Lovera eine Gruppe von Jugendlichen zu Pizza und Antifaschismus zusammenkam. Dass wenige der Jugendlichen direkt auf das Thema eingingen, hatte auch mit der künstlerischen Freiheit zu tun. Den jungen und junggebliebenen Betreuern des Projekts seitens der Organisationen COOLtour, MusicaBlu, Teatro Cristallo Young und On Lovera war es wichtig, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht in eine bestimmte Richtung zu drängen. Luca D’Artosio, der das Projekt gemeinsam mit Thea Ducato theaterpädagogisch betreut hat, hält fest, dass die Frage nach dem, was den Jugendlichen in der Vorbereitung auf den Abend vermittelt wurde, für ihn die falsche sei. „Ich gebe den Jugendlichen nichts vor, ich konfrontiere sie mit Fragen und sie geben mir Antworten, deswegen ist es umgekehrt: Was lerne ich von den Jugendlichen?“ Jugendliche heute könnten und müssten über Freiheit weitläufiger sprechen und das historische Datum sei dafür nur ein Ausgangspunkt, so D’Artosio.

    Bevor die Bühne allerdings den Jugendlichen gehören sollte, wurde erst das Reggae-Duo „Love in Lions“ auf die Bühne geholt. Mit im Gepäck hatten Begoña Górriz und Stefano Merighi das Repertoire ihrer im Sommer des Vorjahres erschienen LP „No Water no Life“ mit neun Songs zu sozialen und ökologischen Themen, von Wassernutzung, über den Zirkus in der Politik, den Klimawandel, das Potenzial der Diversität und, das durfte auch nicht fehlen, die Liebe. Ganz frei nach dem Motto „Hass ist krass, Liebe ist krasser“ sollte auch das eigene Kennenlernen und die Liebesgeschichte zwischen „Mare e Monti“, zwischen Valencia und den Dolomiten für positive Schwingungen sorgen.

    Zwei ziemlich gut eingespielte Musiker, die auch mit technischen Schwierigkeiten auf Halbweg gut klarkamen vor den Schülerinnen und Schülern auf die Bühne zu schicken, war sicher riskant, aber die Jungen waren dem Druck gewachsen. „Freiheit“ das bedeutete für sie Coversongs, etwa von Coldplay (dieser eine von 2008, der scheinbar noch immer von Schülern auf und abgespielt wird) oder Vance Joys „Riptide“, eine Interpretation zu Sokrates letzten Worten, ein Märchen vom Leben in den Wolken und auf der Erde und ein Monolog am Telefonhörer. Weder die Begriffe Faschismus, noch Antifaschismus fallen hier. Die Schülerinnen und Schüler legen lieber den Begriff der Freiheit ganz frei aus.             

  • Cosa ti fa sentire libero: Die Antworten der Jungendlichen auf die von einem Clipboard gestellte Frage fielen vielfältig aus. Sie begannen bei „Arte“, „espressione“, „la salute (e) la cultura“, „suonare“, „Begoña“, sowohl „essere me stesso“, wie auch, direkt darunter „essere me stessa“, „aiutare gli altri a crescere“, „Recitare“, „poter scegliere“, „Phil“, „Potermi sdraiare in mezzo ai fiori e ascoltare musica!!!“, zweimal "i miei (miglior) amici“, „i miei ragazzi del Bluspace“, „trovare lo spazio per respirare“, „loving people“, „potermi perdere in un panorama“, „l’aria, il verde, le montagne“, „danzare“, „La Ro“, „scrivere“, dann eine zu klein und blass geschriebene „(…) poetry“, fährt fort mit „il pedalare verso casa d’estate, in mezzo alle campane di Appiano“ und endeten schließlich bei „parlare con gli altri per costruire il nuovo in me e nel mondo“. Hier haben wir die Freiheitsgedanken der jungen Projektteilnehmer:innen zur besseren Lesbarkeit noch einmal transkribiert. Foto: SALTO

    Am politischsten sollteder Beitrag der Schüler Pietro und Luca ausfallen. Sie hatten sich kurzfristig entschlossen, gemeinsam den Monolog Antonio Scuratis, um den es in den letzten Tagen zu einer breit angelegten Debatte über Kontrolle und mögliche Zensur bei der staatlichen Rai gekommen war, auf die Bühne zu bringen. Scurati hätte mit einem Monolog anlässlich des 25. Aprils in der Raitre-Sendung „Chesarà“ zu Gast sein sollen, bevor er  kurzfristig ausgeladen wurde, was die Moderatorin der Sendung, Serena Bortone öffentlich machte. Bei der Sendung am 20. April übernahm Bortone, mit Einverständnis  Scuratis den Vortrag zu Beginn der Sendung selbst.

    Auch bei den beiden Schülern hatte das Ereignis zu einem Streisand-Effekt geführt. Auf ein sich gegenseitig gefragtes „Warum nicht?“ hin, habe man sich entschlossen, den Text auf die Bühne zu bringen, „um erneut darauf hinzuweisen, dass es in Italien keine Zensur gibt und diese nie wieder existieren darf“. Zur Lektüre des Textes gab Luca an, dass ihn beeindruckt habe, „dass sich jemand offen gegen das ausspricht, was wir alle sehen: Wir alle sehen, dass der Antifaschismus mittlerweile im Rückgang ist, aber fast niemand sagt etwas dazu.“

    Für Miruna Andrei von der Trägerorganisation Arci ist der Dienstag-Abend im Kontext des übrigen, geschichtlich geprägten Programmes sowie im Zusammenhang mit Projekten wie Promemoria Auschwitz zu sehen: „Das ist der Faschismus, wie er war. Man muss aber auch für andere Probleme und Bedrohungen resistent sein, für neue Ausprägungen des Faschismus und Neofaschismus. Man muss einen wachsamen Blick auf Rechte und Freiheiten behalten.“

    Auch mit Coldplay? Die Freiheit, die das Volk anführt - jene von Eugène Delacroix ist am Albumcover abgebildet - sei trotzdem eine Freiheit und der Ausruf „Viva la vida“ eine Form des Widerstands, so Andrei. Sie wünsche sich, dass der Tag der Befreiung „kein historisches Fest nur für Historiker und Alte“ werde: „Ich hoffe, dass der Antifaschismus in den Familien, an öffentlichen und kulturellen Orten auch außerhalb der Schulen und jeden Tag gepflegt wird.“ Wir hoffen, es war auch fèr sie ein widerständiger und wachsamer Tag der Befreiung.

  • REsistenze: Die Programmreihe endet heute, für alle die noch nicht genug vom 25. April hatten, mit der Vorführung des Dokumentarfilms „Libere“ von Rossella Schillaci, zur Rolle der Partisaninnen in Italien, von denen sich viele an die Zeit des Widerstands als befreiendste und schönste ihres Lebens erinnern, trotz Gefahr an Leib und Leben. Beginn ist um 20.30 Uhr beim Pippo. Foto: David Baron