Treffend.
Die Sache ist auf den Punkt gebracht.
Die Römer, die am Wochenende einen neuen Gemeinderat wählen, sollten sich in der Kunst des Origami üben. Sie müssen zunächst den 1,20 Meter großen Stimmzettel auseinanderfalten, dann einen der 19 Bürgermeisterkandidaten ankreuzen und unter 40 Listen jene finden, die ihnen zusagt. Dann muß der tischtuchgroße Stimmzettel zwölf Mal so kunstgerecht gefaltet werden, daß er in den Schlitz der Urne paßt und die Stimme nicht für ungültig erklärt wird. Die überbordende Zahl der Listen ist indirekt proportional zu deren politischer Qualität uns sagt über den Zustand der italienischen Politik mehr aus als viele Analysen. Die Wähler wenden sich frustriert ab. Zu Silvio Berlusconis Wahlveranstaltung in Rom kamen weniger als 2000 Anhänger, Ignazio Marino vom Partito Democratico sprach vor einem Häuflein Aufrechter und Beppe Grillo zog auf der Piazza del Popolo weit weniger als ein Zehntel der Menge an, die ihm vor drei Monaten auf der Piazza San Giovanni euphorisch zugejubelt hatte. Das kann kaum verwundern. Im Partito Democratico herrscht völlige Orientierungslosigkeit. Fraktionschef Luigi Zanda fällt nach fast 20 Jahren plötzlich ein, daß Silvio Berlusconi nach einem Gesetz von 1953 unwählbar sein könnte. Gleichzeitig bringt er einen Gesetzentwurf ein, nach dem sich in Zukunft bei Wahlen nur Parteien mit einem registrierten Statut bewerben können. Darüber verfügt die Fünfsterne-Bewegung nicht. Daß der Partito Democratico wenige Tage vor den Gemeindewahlen den Eindruck vermittelt, seine politischen Gegner Silvio Berlusconi und Beppe Grillo mit parlamentarischen Tricks auschalten zu wollen, ist ein erneutes Eigentor. Die ständigen Turbulenzen in der führungs- und orientierungslosen Partei wirken sich auf die Regierung aus, deren Instabilität von den Falken beider Lager ständig gefördert wird. Drei Monate nach den Wahlen zeigt sich das eher desolate Bild einer Zwangsehe, deren Partner zur Kohabitation verurteilt sind und wissen, daß jeder Streit zur abrupten Trennung führen könnte. Als größte Enttäuschung entpuppt sich die Fünfsterne-Bewegung, die drei Monate nach ihrem Wahlerfolg im Schatten dahinvegetiert. Wer sich eine lebhafte, junge und kreative Kraft erwartet hatte, die Leben ins Parlament bringt, wurde bitter enttäuscht. Die Fraktionssprecher Vito Crimi und Roberta Lombardi gleichen in ihrer Rigidität altgedienten Politikern, die Bewegung bleibt eingeigelt und verweigert nach wie vor jeden Dialog. Die Bevormundung der Parlamentarier durch Beppe Grillo führt zu wachsenden Konflikten, der sinnlose Streik um die Abrechnung der Diäten und Grillos Drohung mit einer black list für unfolgsame Abgeordnete löste wachsende Ernüchterung aus. Auch der Vorschlag, Parlamentarier bei Interviews durch Pressebeauftragte der Bewegung "begleiten" zu lassen, stieß auf wenig Gegenliebe. Milena Gabanelli, Kandidatin des M5S für das Amt des Staatspräsidenten, wurde vom erregten Fußvolk der Partei als "Verräterin" beschimpft, weil sie sich erlaubt hatte, Grillo in ihrem Magazin Report einige Fragen zur Finanzierung der Bewegung zu stellen. Unerwartete Aktivität legte die Bewegung lediglich beim Postengerangel um den Vorsitz in den zahlreichen Parlamentsauschüsen an den Tag. Nach Umfragen sind 52 Prozent der M5S-Wähler enttäuscht über den rigorosen und sterilen Abgenzungskurs der Bewegung. Eine erste Abspaltung von rund 30 Parlamentariern wird bereits für die kommenden Monate erwartet. Von den Gemeindewahlen, zu denen sieben Millionen Italiener aufgerufen sind, werden am Wochenende Aufschlüsse über das Kräfteverhältnis der Parteien erwartet - deren Frust sich in sinkender Wahlbeteiligung äußern dürfte.
Die Sache ist auf den Punkt gebracht.